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Ich bin anerkannter Kriegsdienstverweigerer und habe meinen Zivildienst an und für unsere Gesellschaft gerne und für mich durchaus sinnstiftend und Bereichernd geleistet, übrigens einige Monate länger, als Wehrpflichtige dienen mussten.

Ich musste über mehrere Instanzen eine hochnotpeinliche amtliche Gewissenserforschung über mich ergehen lassen, bevor mir amtlich bestätigt wurde, dass ich eine Gewissensentscheidung getroffen hatte, die ethisch, moralisch nachvollziehbar war und ich den Dienst mit der Waffe verweigern dürfe.

Ich war und bin kein Pazifist, schätzte mich damals und teilweise sogar heute noch persönlich wehrhafter ein, als manchen Tastatur Krieger, der heute besessen von seiner Tastatur aus die ukrainische Gesellschaft auffordert, für seine (!) Freiheit zu kämpfen und zu sterben.

Ich sehe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als ein Menschenrecht.

Ich halte die Desertation für einen mutigen Akt des Widerstandes gegen eine im Zweifel übergriffige Staatsgewalt, für deren Fehlentscheidungen und misslungene Politik niemand sterben müssen soll.

Es ist unsere Menschenpflicht, die Kriegsflüchtlinge, Männer, Frauen, Kinder, auch die russischen Deserteure, in den europäischen Ländern aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren.

Schutz muss auch den Kriegsdienstverweigerern, den Deserteuren, den Fahnenflüchtigen gewährt werden.

Die ukrainische Staatsgewalt sieht es anders und fordert die EU auf, die 600 000 geflohenen ukrainischen wehrpflichtigen Männer an sie auszuliefern, weil sie der „Game-Changer“ wären und der Garant für den Siegfrieden über Russland.

Immer wieder lese ich, dass es sofort Frieden gäbe, wenn sich Russland komplett aus der Ukraine zurückziehen würde. Die befürchtete Eskalation wäre nur ein Bluff, auf den Verängstigte hereinfallen würden, die sich damit zum Handlanger Putins machen würden.

Das ist eine sehr infantile Sicht auf das Weltgeschehen, sollte vor allem Deutschen, die Frieden gegen Gebiete eintauschten, eher fremd sein.

Ich lese vom Heldenmut und der Opferbereitschaft der Ukrainer, selten gibt es Andeutungen, dass die Politik versagt hat und diese schreckliche Katastrophe mit heraufbeschworen hat. Ich lese nichts über die heroische Bereitschaft deutscher Politiker, Prominenter, Talkshow Gästen, Experten, für den von ihnen propagierten gerechten Kampf gegen das Böse, selber in den Schützengraben zu steigen.

Irgendetwas scheint sie davon abzuhalten.

Sie sagen, dass immer mehr Waffen den gerechten Frieden bringen.

Die ukrainischen Offiziellen sagen: wir brauchen mehr Menschen, um zu siegen. Schickt uns die Deserteure, die Kriegsunwilligen.

Die Frage vor dem Prüfungsausschuss für Kriegsdienstverweigerung wäre gewesen:

Würden Sie die 160 000 Kriegsunwilligen ukrainischen Männer aus Deutschland in die Ukraine überstellen, um den Krieg abzukürzen, dadurch viele Leben zu retten und die Freiheit und den Frieden zu erhalten?

Wie sieht es aus? In Talkshows immer mehr Panzer, Raketen zu fordern ist eins, Menschen auszuliefern – für die gute Sache, den guten Zweck, für ein höheres Ziel, ist schon eine andere Marke… oder?

Wie schauts aus, Freunde der klaren Worte, solange ihr nicht selber haftbar seid, mit eurem Leben für eure endgültigen Wahrheiten und Überzeugungen gerade stehen müsst?

 

 

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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Pet.Teut.

Alles ok… bis auf „Deutsche(n), die Frieden gegen Gebiete eintauschten“ – das scheint mir doch eine heftige Geschichtsklitterung zu sein. (Auch eine Verharmlosung der Verbrechen bei Flucht und Vertreibung an der deutschen Zivilbevölkerung jenseits der Oder-Neisse-Linie) Aber „Tausch“ geht anders..

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Bernd Matzkowski

Und voll höchsten Mißtrauens bin ich gegen die Meinung, Macht müsse erstrebt werden, um einen Wert durchzusetzen. Die Macht hat die Tendenz, sich zu verabsolutieren, sich von ihrem Inhalt zu lösen und sich selbst zum Wert zu machen. So kann sie, indem sie sich selbst durchsetzt, jederzeit behaupten, einen Wert durchzusetzen. Gut und Böse sind in ihren Entscheidungen keine Wahl, sondern Zufallsergebnisse. Freilich wird sie, wenn es sich gerade passend fügt, gern auf ihre ethische Fundiertheit hinweisen. Aber wenn es sich nicht fügt, bleiben ihr doch Möglichkeiten genug, Verschweigen, Lüge oder die Beweisführung ad hoc. Es hat noch nichts Inhumanes auf der Welt gegeben, keine Gewissenlosigkeit, kein Blut und keinen Terror, das nicht durch kunstvolle Beweisführung als gut und richtig gerechtfertigt worden wäre. Köpfe erst einmal deine Feinde – es findet sich dann jemand, der dich als Retter preist. Da muß eine Staatsidee herhalten oder der Kampf ums Dasein, die Dämonie der Natur oder Blut, Volk und Proletariat.
Schöne Wörter und schöne Worte, aber wie süß auch die Koloraturen im Sirenengesang klingen, auf den Felsen liegen die bleichenden Knochen vor aller Augen. Liegen sie lange genug, so gehören sie zur Natur. Ganz zuletzt ist es ein Zeichen mangelnder Delikatesse, sie noch zu bemerken.

Günter Eich, Dankesrede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises (1959
https://www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis/guenter-eich/dankrede

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Pet.Teut.

 Genau das !

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Bernd Matzkowski

Danke, dass du (an anderer Stelle) an G. Eich erinnert hast. Der Text (die Rede zum Büchner-Preis)sollte zur Pflichtlektüre im Unterricht werden, jedenfalls in der Sekundarstufe II, im Deutschunterricht und im Fach Sozialwissenschaften!

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