Zweizeiler der Woche: In der leeren Kirche
Die großen Kirchenbauten, gleich welcher Religions- oder Konfessionsspielart, sind nicht nur architektonische Marken, sondern sie sind immer noch Publikumsmagneten – heutzutage mehr in touristischer als in religiöser Hinsicht. Was in früheren Jahrhunderten aufgebaut worden ist, um Gott zu preisen und die Macht der Kirche als Institution zu demonstrieren, regt zum Betrachten, Staunen, Innehalten an – ob man nun an den oder jenen Gott glaubt oder nicht. In Gelsenkirchen – wie auch in anderen Städten – geben sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche Gotteshäuser auf, trennen sich von ihnen, weil die Gemeinden immer weniger Zulauf haben, weil es keine Priester oder Pfarrer gibt, weil der Unterhalt der Kirchengebäude teuer ist. Besonders für ältere (weniger mobile) Menschen ist das oft mit einem großen Verlust verbunden, vor allem dann, wenn sie in der Kirche getauft worden sind, dort geheiratet und Gottesdienste gefeiert haben. Aber auch für die Stadtquartiere ist die Aufgabe der Kirchengebäude im Falle eines Abrisses ein herber Verlust. Das Stadtbild ändert sich, wird profaniert. Auch wenn man die Institution Kirche (Missbrauch und andere Verbrechen, Geldverschwendung und andere Skandale, reaktionäres Frauenbild) zum Teufel wünscht, ist die Aufgabe von Gotteshäusern ein Sinnbild für eine untergehende Welt, eine Welt der Stille, der inneren Einkehr!
Einen schönen Sonntag noch und eine noch schönere Woche!
In der leeren Kirche
Ich trete ein in diesen mächtigen Raum
Um ihn mir noch einmal anzuschauen
Es herrscht diffuses Dämmerlicht
Die Fensterfarben strahlen nicht
Kein Gesang erhebt sich mehr nach oben
Um Gott zu preisen und zu loben
Verwaist sind die Bänke und der Altar
Wo einst Gemeindeleben war.
Hochzeit, Taufe und Passion
Glück und Leid sahen diese Bänke schon
Gebete, Bitten, Gotteslob
Hilfe auch bei Leid und Tod
Staubige Stille bedeckt die Glaubenswelt
Die Tag für Tag nun mehr zerfällt