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Das Schalke-Jahr 2012 endet in Katzenjammer. Absturz auf den siebten Tabellenplatz, wobei der Abstand zum 15. Platz nur sechs Punkte beträgt. Der Jahrhundert-Trainer entlassen.

Und ein schweres Pokal-Spiel vor der Brust. Bei der Ursachenforschung für die gegenwärtige Misere werden gerne folgende Aspekte ins Feld geführt:

  • die ungeklärten Vertragsfragen (Holtby, Huntelaar)
  • das Zögern von Stevens in der Torwartfrage (zu langes Festhalten an Unnerstall)
  • kommunikative Probleme (Trainer findet keinen Zugang zur Mannschaft mehr)
  • Verletzungspech und Rote Karten (Affelay, „Papa“, Jones).

 

Das mag alles irgendwie eine Rolle spielen- kommt aber letztlich, meiner Auffassung nach, lediglich erschwerend hinzu. Diese Punkte sind nicht die Ursache für die Krise, sondern lediglich „on top“. Vor wenigen Wochen waren die Blau-Weißen noch „Bayern-Jäger“ Nr.1 mit nur vier Punkten Abstand, jetzt hat man etliche Mannschaften im Nacken, die schon am nächsten Spieltag an Schalke vorbeiziehen können, so dass der Kontakt zur Abstiegszone immer näher rücken kann.

Vor wenigen Wochen sprach man bewundernd von Sieg gegen Arsenal in London und vom gewonnenen Derby gegen die Schwarz-Gelben. Bei all den Versuchen, die Misere zu erklären, wird vor allem auf die letzten Spieltage geschaut.

Und in der Tat: nimmt man die Ergebnisse des 10.-17. Spieltages hat Schalke nur 5 magere Punkte geholt – von möglichen 24. Dieser Blick greift aber zu kurz. Lässt man sich von den Erfolgen nicht blenden (1. In der Gruppenphase der Champions League, bis heute noch im Pokalwettbewerb, einige tolle Spiele), schaut man also etwas distanzierter hin, so zeigen sich Mängel, die schon von Beginn der Saison an zu erkennen waren, von den Erfolgen aber überglänzt wurden, und aktuelle Schwächen, die die Krise verschärft haben.

1. Der Sturm gewinnt Spiele, die Verteidigung die Meisterschaft (alte Fußballweisheit)

Von Beginn der Saison an erwies sich die Verteidigung als zerbrechliches Gebilde. 25 Tore hat Schalke in den 17 Spielen der Hinrunde zugelassen (Bayern 7, der Tabellenletzte Fürth 28), mehrfach musste man Rückständen hinterherlaufen. Wobei die Viererkette in unterschiedlichen Konstellationen zusammengestellt war, aber- von wenigen Ausnahmen abgesehen –nie gefestigt erschien.

Von schnellen Spielzügen der gegnerischen Mannschaften wird die Schalker Defensive regelmäßig überrumpelt. Und zwar sowohl, weil die Viererkette selbst instabil wirkt, als auch, weil das Mittelfeld und der Sturm in der Arbeit nach hinten versagen. Im Spielaufbau nach vorne zeigen sich ebenfalls große Schwächen.

Das Spiel der Abwehrspieler nach vorne ist bestenfalls durchsichtig, so dass der Gegner bereits früh Angriffe stoppen kann, häufig hilflos (Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte an der Strafraumgrenze) und zuweilen katastrophal (zwei Tore der Freiburger am Samstag waren Resultat solcher Fehler). Neben „systemischen“ Problemen (Eingespieltheit, Zuordnung) gibt es eine Reihe von individuellen Problemen – die häufigen Fehlpässe von Matip, die Stellungsfehler von Fuchs und die Schwächen von Höwedes, wenn er rechts außen spielen muss anstatt in der Innenverteidigung. Hinzu kommt die schwankende Leistung von Ushida als „Zuspieler“ auf Farfan und Flankengeber von rechts.

2. Das Mittelfeld leistet wenig für den Spielaufbau

Die größten Schwächen sehe ich im Mittelfeld. Hier mangelt es an Kreativität, stattdessen gibt es ein Übermaß an Schematismus. Das Spiel der Schalker im Mittelfeld ist für jeden Gegner schnell „lesbar“. Das Umschalten von Verteidigung auf Angriff dauert oft zu lange, der Ball wird im Mittelfeld vertändelt oder sogar verloren. Überraschende Momente gelingen selten, häufig erfolgen Angriffsversuche dort und dann, wenn der Gegner sich bereits positioniert hat, nämlich durch die Mitte.

Auch hier- und besonders hier- kommen individuelle Schwächen zum Tragen- nämliche die in den letzten Wochen unterirdischen Leistungen von Neustädter und Holtby.

3. Statt Sturm ein laues Lüftchen

Der Torjäger der vergangenen Saison steckt in einer Krise. Huntelaars Spiel ist ohne Anbindung, er bekommt kaum verwertbare Bälle. Und er versiebt im Moment Chancen, die er in der vergangenen Saison eiskalt und locker zugleich verwandelt hat. Der stets bemühte Draxler – das unzweifelhaft größte Talent dieser Mannschaft- und der häufig rackernde Farfan (ein Phänomen an Kampfkraft und fußballerischer Dynamik) können diese Schwäche des Torjägers nicht ausgleichen – beide sind Zuspieler für einen Torjäger, selbst aber keine „Knipser“.

Die Torausbeute spricht für sich: magere 27 Tore stehen auf dem Konto (Bayern 42, Dortmund, 35, Leverkusen und Frankfurt 33, selbst die auf den Plätzen 11 und 12 stehenden Bremer und Hannoveraner haben mehr Tore geschossen als die Schalker).

4. Die Ersatzbank ist eben nur Ersatz

Barnetta, Marica und Puuki etc. – da darf man sich nichts vormachen – sind letztlich nur zweite Wahl. Die Variationsmöglichkeiten des Trainers sind eingeschränkt, alle Ergänzungsspieler (von den im Moment verletzten Affelay und Höger einmal abgesehen) sind keine wirklichen Alternativen. Sie sind weder torgefährlich noch in der Lage, das Mittelfeld zu optimieren.

Fazit: Es gilt m.E. nach im Moment, nach unten zu schauen. Der Abstand zu den Abstiegsplätzen ist verdammt knapp. Schalke ist im Abstiegskampf! Es gilt also zunächst, die Defensive zu stärken. Alle Mannschaftsteile müssen besser als bisher, „nach hinten“ arbeiten. Die Defensivabteilung ist im Moment überfordert und wird häufig mit sich selbst und ihren Schwächen allein gelassen.

Schalke verteilt zuviele Torgeschenke. Auch wenn Weihnachten vor der Tür steht- diese Geschenke an andere Mannschaften sollten unterbelieben. Mittelfristig muss das Spielsystem optimiert werden. Der heutige Fußball ist temporeich, variantenreich, systemisch geordnet – wenn er Erfolg haben will.

Das machen uns im Moment Mannschaften vor, die weniger große Namen auf dem Aufstellungszettel und einen geringeren Etat haben. Das sollte auch den Schalkern- mit welchem Trainer dann auch immer- möglich sein.

Mal sehen, wie es morgen gegen Mainz läuft! BM{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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