5
(1)
Sie sprach: «So habt ihr üble | Vergeltung mir gewährt; |

So will ich doch behalten | Siegfriedens Schwert.

Das trug mein holder Friedel, | als ich zuletzt ihn sah,

An dem mir Herzensjammer | vor allem Leide geschah.»

Sie zog es aus der Scheide, | er konnt es nicht wehren. |

Da dachte sie dem Recken | das Leben zu versehren.

Sie schwang es mit den Händen, | das Haupt schlug sie ihm ab.

(Das Nibelungenlied, 39.Abenteuer, Verse 2487/88***)

So vollendet Kriemhild die Rache an Hagen für die Ermordung ihres Mannes Sigfried. Doch auch sie wird wenig später durch das Schwert fallen, denn Hildbrand ersticht sie im Zorn darüber, dass sie Hagen getötet hat.

Hagen und Kriemhild sind die treibenden Kräfte der Handlung im Nibelungenlied. Ohne ihre jeweilige Unversöhnlichkeit ist das Untergangsszenario am Ende nicht denkbar. In beiden Teilen des Epos spielen sie eine Hauptrolle. (…) In den gegenwärtigen Interpretationen des Nibelungenstoffs werden die Figuren Hagen und Kriemhild auf der Basis einer „libidinösen Hassbeziehung“ (Gephart S. 141) inszeniert. (…) Eine Hassbindung in einer Beziehung bezieht ihre Unausweichlichkeit, die durchaus untergangsorientiert sein kann, aber aus der Abhängigkeit der emotionalen Orientierung am Anderen in einem Machtkampf und aus Überwältigung der Person durch die starke Emotion.“ ****

Nun kann man die Beziehung zwischen Kriemhild und Hagen nicht 1:1 auf die Ampel-Koalition übertragen, zumal wir im Fall der Ampel eine Dreier-Konstellation vorfinden. Aber wir haben es, im übertragenen Sinne, mit einer Variante einer „libidinösen Hassbeziehung“ zu tun. Und auch bei dieser Ménage-à-trois müssen, wie bei der Hass-Liebe von Hagen und Kriemhild, früher oder später Köpfe rollen – wenn auch im übertragenen Sinne.

 Sind die treibenden Kräfte im „Nibelungenlied“ Kriemhild und Hagen, sind es in der „Ampel“ die GRÜNEN und die FDP, die sich in Grundsatzfragen und in der Notwendigkeit der Abgrenzung voneinander gegenüberstehen. Die SPD ist ihrerseits schon so „vergrünt“, hat keinen klar definierten und als solchen erkennbaren Markenkern mehr, dass sie, zumal mit einem führungsschwachen Kanzler an der Spitze, die auseinanderdriftenden Kräfte der beiden kleineren Kontrahenten nicht mehr kontrollieren kann. Zwar gibt es Schnittmengen zwischen FDP und GRÜNEN (Gesetz zur Geschlechtsidentität), aber beide   Parteien sind vom Kern her weiter auseinander als jeweils von der SPD. Wobei auch der Kern in seiner Ausprägung noch einmal unterschiedlich ist. Die GRÜNEN haben sich mittlerweile zu einer sich selbst moralisch überhöhenden Weltanschauungs- und Welterlösungspartei entwickelt, die sich in ihrer Selbstwahrnehmung völlig überschätzt und sich in ihrer Wahrnehmung der äußeren Realität, der Lebenswirklichkeit der Menschen und der gesellschaftlichen sowie ökonomischen Gegebenheiten nur noch von ihrer sektenhaften, ideologisch versteinerten Ideologie leiten lässt.

Die FDP hat ihre Funktion als Vertreterin der Bürgerrechte gegenüber dem Staat aufgegeben (sonst würde sie gegen die Vorstellungen des diabolischen Trios Faeser, Paus und Haldenwang heftiger einschreiten und diese Aufgabe nicht nur Kubicki allein überlassen) und konkurriert andererseits mit den GRÜNEN hinsichtlich der Waffenlieferungen an die Ukraine und der Aufrüstung der Bundeswehr (personifiziert in Strack-Zimmermann und Hofreiter). Sie hat sich, was ihren Markenkern angeht, nahezu völlig auf die Themenbereiche „Staatsfinanzen“ (Schuldenbremse) und „Technologieoffenheit“ beschränkt, wobei ihre Standfestigkeit schon ziemlich angeschlagen ist.

Die GRÜNEN stellen die Ampel im Moment nicht infrage, weil sie in der gegebenen Konstellation und angesichts der Schwäche der SPD und der FDP genau in dieser Konstellation die Chance sehen, Pflöcke für ihre Weltsicht einzurammen. Ihr Gewicht in der Ampel ist weitaus größer als ihr gesellschaftlicher Rückhalt – der wird durch die ihnen wohlgesonnenen Medien lediglich simuliert. Zudem, das gilt natürlich auch für die beiden anderen Parteien, wären Neuwahlen angesichts der gegenwärtigen Umfrageergebnisse, hoch risikoreich.

Die FDP steckt in einer Zwickmühle. In Umfragen liegt sie um die 5% Zustimmung, selbst ein Nicht-Einzug in den Bundestag wäre bei einer Neuwahl möglich. Eine veränderte Konstellation unter Beteiligung der FDP ist nicht in Sicht oder würde die gegebenen Probleme nicht lösen (CDU, FDP, GRÜNE). Zudem steht die FDP vor der Frage, wie sie sich politisch vermarkten soll und kann. Als Verteidigerin der Freiheitsrechte könnte sie nicht unbedingt auftreten, und mit dem Erhalt der Schuldenbremse als Hauptthema könnte sie wohl nur in bescheidenem Maße punkten.

Das Problem der FDP ist der Geburtsmakel der Ampel. Dieser Makel ist mit dem Eintritt in die Koalition verbunden. Der Griff zur Macht hat die drei Partner aneinander gekettet – zu einem Teufelspakt, den man nicht so schnell aufgeben kann. Und  dieser Pakt bedeutet: Die FDP wird für das wirtschaftliche Hasardeurtum Habecks und seine ruinöse Wirtschaftspolitik ebenso in Haftung genommen wie für den internationalen politischen Bedeutungsverlust durch die – häufig peinlich-lächerliche – Performance der Außenministerin-Darstellerin. Mit ihren Forderungen und dem Papier zur „Wirtschaftswende“ hat die FDP eine neue Runde im Ampel-Wrestling eingeläutet: „Zoff in der Koalition: Neuer Streit ums Bürgergeld“ .*****

Am Ende des Nibelungen-Lied trauern Dietrich von Bern und König Etzel um die Toten. Und es heißt:

Ich kann euch nicht bescheiden | was seither geschah,

Als daß man Fraun und Ritter | immer weinen sah,

Dazu die edeln Knechte, | um lieber Freunde Tod.

Hier hat die Mär ein Ende: | das ist die Nibelungennoth.“

*** https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Simrock/sim_ni39.html

****http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de/03_beitrag/galle/nlg-15_galle.html

***** https://www.merkur.de/politik/ampel-koalition-zoff-streit-ums-buergergeld-spd-fdp-gruene-93025358.html

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments