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Spätestens seit dem Relegationsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha am Ende der letzten Spielzeit der Bundesliga (siehe hierzu auch den Beitrag gute fans-böse fans: düsseldorf und die folgen im Herrkules Magazin)….) richtet sich der Fokus der Öffentlichkeit verstärkt auf gewalttätige Ausschreitungen im Fußball, deren letzter Höhepunkt die massiven Bedrohungen des Kölner Fußballspielers Kevin Pezzoni durch Anhänger des 1. FC Köln waren,

die dazu führten, dass Pezzoni seinen Vertrag mit dem Verein vor wenigen Tagen aufkündigte.

Luca Giordano - Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel - 1675Die Liste der gewalttätigen Vorfälle der letzten Monate ist lang und reicht von Morddrohungen gegen die komplette Mannschaft (so in Köln im April 2011) über den Angriff teilweise vermummter Hooligans auf einen Bus mit Gladbacher Fans (März 2012) bis zum tätlichen Angriff auf den Leverkusener Spieler Michael Kadlec (Nasenbeinbruch) im April 2012.

Nun könnte man diese Vorfälle leicht als das Werk einer isolierten Minderheit darstellen, wenn man nur auf die 1. Bundesliga blickt.

Und in der Tat ist es ja so, dass, gemessen an der Gesamtpublikumszahl (allein am 2. Spieltag dieser Saison waren weit über 300000 Menschen in den Stadien), die Verursacher dieser Gewalttätigkeiten, Bedrohungen, Regelverletzungen und Ausschreitungen nur einen Bruchteil der Fußballfans darstellen, die in ihrer großen Mehrheit friedfertig sind.

Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien, Fan-Projekte (wenn auch häufig unzureichend finanziert und in zu geringer Zahl durchgeführt), das Vorhandensein von Ordnungskräften (Sicherheitsdienste, Video-Überwachung durch die Polizei, Bereitschaftspolizei in den Stadien) führt dazu, dass in der 1. Bundesliga ein „geordneter Spielbetrieb“ an der Tagesordnung ist – was allerdings auf der anderen Seite dazu führt – die oben genannten Vorfälle machen es deutlich – dass Gewalt und Ausschreitungen sich außerhalb der Stadien ausbreiten.

Blickt man allerdings nicht nur auf die Bundesliga (besonders die 1. Spielklasse) und schaut in die Kreis- und Bezirksligen – bis runter in die Jugendmannschaften -, so eröffnet sich, bei ungetrübtem Blick, ein ganz anderes Bild. Hier kommt es häufig zu Spielabbrüchen, zu Tätlichkeiten auf und neben dem Spielfeld, zu Angriffen auf Schiedsrichter und Betreuer. Dass dies nicht oder nur selten öffentlich wird, hat einen schlichten Grund: diese Spielklassen stehen nicht im medialen Interesse, kaum ein Spiel einer Jugendmannschaft wird einmal von einem Zeitungsreporter besucht.

Hier findet aber Gewalt ihren Platz und spielt sich zugleich fernab der (medial vermittelten) Öffentlichkeit ab.

Hier werden Kinder und Jugendliche (bei allem Respekt vor der mühevollen ehrenamtlichen Arbeit, die geleistet wird) mit einem Gesellschaftsbild konfrontiert, das Gewalt (Schreien, Prügeln, diskriminierende Äußerungen) als zum Arsenal von Umgangsformen und Verhaltensweisen zugehörig erscheinen lässt und das Niederlagen (auf dem Platz) als scheinbar unakzeptable Komponente des menschlichen Zusammenlebens erscheinen lässt.

Und hier schließt sich der Kreis:

Der DFB, die DFL (der Zusammenschluss der Liga-Vereine) beschäftigt sich im Moment unter Sicherheitsaspekten verstärkt mit der Geldmaschine Bundesliga: diese soll ordnungsgemäß ablaufen, weil es hier um ein Millionengeschäft geht, dessen reibungsloser Betrieb gestört würde, wenn es in den Bundesligastadien ständig zu Vorfällen dieser Art käme.

Deswegen denkt man über verstärkte Sicherheitsmaßnahmen (Einlasskontrollen, Abschaffung der Stehplätze etc.) nach. Millioneneinnahmen durch Vermarktungsrechte, Sponsoringverträge und Ticket-Verkäufe stehen auf dem Spiel.

Der Ansatzpunkt müsste aber letztlich ein ganz anderer sein: mehr Aufmerksamkeit für die unteren Spielklassen, mehr Förderung für die kleinen Vereine vor Ort, mehr Qualifizierung für Trainer und Betreuer, mehr „Sozialarbeit“ in den Vereinen, die die tägliche (großartige, auch integrative) Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor Ort leisten.

Diese überlässt man häufig sich selbst – und so wächst „von unten“ ein falsches Bild dieses Sports, der immer noch die herrlichste Nebensache der Welt sein sollte.

 

Anlass für diesen Beitrag ist ein Vorfall während eines Spiels der Jugendmannschaft eines meiner Söhne am vergangenen Wochenende: nach einem Foul eines Spielers der gegnerischen Mannschaft stürmten der Trainer meines Sohnes und ein Vater eines Mitspielers auf den Platz, beschimpften den gegnerischen Spieler (ein zehnjähriges Kind!) lautstark, und der Vater des Mitspielers schlug den gegnerischen Trainer zu Boden; das Spiel wurde abgebrochen, die Polizei rückte an. In den vergangenen Saison ist es mehrfach zu Spielabbrüchen gekommen (und anschließenden Verhandlungen vor dem Sportgericht), weil Ausschreitungen (häufig ausgelöst durch Eltern von Spielern der beteiligten Mannschaften) eine Fortführung des Spiels verunmöglichten.{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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