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Das Spiel endete Drei zu Drei. Bernd Matzkowski schrieb anlässlich des 1000. Spiels der Fußballnationalmannschaft der Deutschen Reiche(n): „Auf dem Platz Symbole, weil man vor dem Länderspiel Arm in Arm mit der ukrainischen Mannschaft die Solidarität ausdrücken möchte. Was gut gemeint sein soll. Aber keinen guten Fußball garantiert oder gar ersetzen kann.“

Schwieriges Thema: Fußball und Politik.

Kimmich trug eine Binde, auf der Spielführer stand und damit umarmte er ausgerechnet einen Ukrainer. Kein Geschichtsbewustsein bei diesem Impfverweigerer. Aus unserer Alternative LGBT+ Pride Flag wurde nur Schwarz-Rot-Gold als Hintergrund für den verräterischen Schriftzug auf dem Stoffstück ausgewählt. Wer hat das eigentlich beschlossen? Tante Käthe etwa, dieses Konterrevolutionix?

Ich fühlte mich nicht mitgenommen, ja teilweise ausgeschlossen als Zuschauendes. Das war bei der WM 2022 in Dingens noch ganz anders, als Proud Nancy ihre Love-Binde auf der klimatisierten VIP-Tribüne in der Wüste trug. Ich habe damals gejubelt. Nur so geht es! Sie hat es allen gezeigt. Und jetzt? Wo sind wir in so kurzer Zeit hingekommen?

Parallel zum Spiel haben wir das größte Manöver aller Zeiten im Land. Da kommen ganz schlimme Erinnerungen hoch! Sollte das angebliche Fußballspiel gestern Abend der Auftakt einer neo-nationalistischen Machtdemonstration werden? Ich habe mich so sehr für alle hier Lebenden geschämt in meiner Twitter-Bubble.

Dabei gibt es doch nur einen einzigen guten Weg für ein zeitgemäßes und nachhaltiges Fußballspiel – das sagen alle, die Ahnung haben, und die müssen es wissen. Man muss sich einfach vor dem Spiel darauf verständigen, viel mehr über links-außen zu kommen. Es gab im Team früher jede Menge Spielende mit einer extremistisch starken linken Klebe. Es war jeder fucking shit Gegner chancenlos, wenn sich mal wieder alles am Strafraum staute, um die Katastrophe zu verhindern. Dann erscholl der Ruf: „Rahn müsste schießen. Rahn schießt. Tooooor!“ Und mit welchem Fuß hat er geschossen? Eben. Wieso achtet niemand auf diese Details?

Durch den gestrigen, demonstrativen Rechtsruck im Kollektiv sehe ich tief dunkelbraun für die EM. Wes ständig auf der rechten Seite Linien aus gebranntem Kalk überschreitet, des steht irgendwann komplett neben den von allen anerkannten grünen Spielfeldern. Des brüllt dann nur noch irgendwelche Parolen von der Seite rein, wie: „Lass mich auch mitspielen, Schiri!“ und cancelt sich damit doch selbst.

Was aber soll ens auch von einer Menschschaft erwarten, die seit 1000 Spielen keine Nichtdeutschen in ihren Reihen duldet und nur aus Personen voller toxischer Männlichkeit besteht? Das ist von vorgestern. Wer braucht sowas morgen noch, wenn die Transformation abgeschlossen sein wird?

Es wird beschämend werden, nächstes Jahr. Neunzig Minuten neo-liberal rumeiern und mit Glück in der Nachspielzeit per Elfmeter das Drei zu Drei erzielen. Ich bin für ein striktes Verbot von sowas, bevor die Demokratie in Gefahr gerät.

In ‚Sometimes Making Something Leads to Nothing‘ schob der belgische Künstler Francis Alÿs 1997 einen Eisblock durch die Straßen von Mexiko-Stadt, bis dieser geschmolzen war. Nach Stunden blieb vom Block nur noch ein Eiswürfel, so dass er ihn lässig über die Straße kicken konnte. Nach all der Anstrengung blieb nur eine kleine Pfütze zurück, bevor auch diese verschwand: Manchmal führt etwas zu machen zu nichts.

 

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Bernd Matzkowski

Danke für deinen Beitrag, weil er ja Türen für eine weitere Diskussion öffnet. Ich habe zunächst zwei Fragen:

Auf der von dir verlinkten Seite sind mehrere LGBT-Flaggen abgebildet und beschrieben, z.B. die LGBT+ Pride Flag und die Alternative LGBT+ Pride Flag, über die zu lesen ist: „Die alternative Pride Flag wurde im Pride Month 2017 in Philadelphia (USA) von der Kampagne More Colors – More Pride präsentiert. Dabei ist das Ziel, LSBATIPQQ-Personen of Color in der Community stärker zu repräsentieren.“ 
Frage: Welche Flagge ist gemeint und welche Personen(gruppen) sollen inkludiert sein?

Was die Armbinde angeht, die ja als Kompositum vom Grundwort her das Weibliche und vom Bestimmungswort her das Männliche repräsentiert, und den Begriff „Führer“ aufweist, ergibt sich die Frage, ob das nicht als ironische Reminiszenz an Stepan Bandera gemeint sein könnte, der in den 30er und 40er Jahre in der Ukraine eine nationalistische Bewegung anführte, zu der als Teil auch eine „Rebellenarmee“ gehörte, die an der Seite der Wehrmacht bzw. der Nationalsozialisten gegen die Rote Armee der Sowjetunion kämpfte?

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Be.Hei.

Habe mich erwischt, wie ich über manche Zeilen laut lachen musstecomment image Hier am Strand auf den Kanaren hat es keinen gewundert, viele denken ich schaue mir irgendein Katzen/Hund TikTok Video an und wissen nicht, dass meine
sarkastisch-ironische Seele gerade gestreichelt wurde.

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Clem.Gedöns.
Last edited 10 Monate zuvor by Heinz Niski
Krö.Mar.

Damals vor 50 Jahren, als eine Gruppe von cis-Männern, in entlarvend weißen Oberteilen, völlig ungeniert von „König Fußball regiert die Welt“ schwadronierend, die maskuline Monarchie ausrief.

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