5
(2)

Heute mit: Butter im WEKA, Büchern von Babsi, bissigen Biestern und Bildungsbinsen

Immerhin hat es der ELEVATOR schon auf 100 Ausgaben gebracht und ist damit, was die Anzahl der „Ausgaben“ angeht, ganz weit vorne und zudem die „dienstälteste“ Rubrik unseres Magazins. Auch wenn der Titel sich des Anglo-Amerikanischen bedient, ist der Rubriktitel eigentlich „urdeutsch“ oder besser „ur-gelsenkirchnenerisch“. Er ist nämlich (m)einer ganz persönliche Erinnerung an die Zeit geschuldet, in der es im damaligen WEKA-Kaufhaus noch einen Fahrstuhlführer gab, der auf Wunsch der Kundschaft nicht nur ein bestimmtes Stockwerk ansteuerte, sondern auch verkündete, was es in den jeweiligen Etagen zu kaufen gab. Diese Erinnerung an den Mann im Fahrstuhl korrespondiert mit zwei weiteren: Einmal die Erinnerung an das Café im WEKA, in dem kleine Ensembles aufspielten und den Kuchen und den Kaffee mit Musik unterlegten und zum Tanz einluden. Die zweite Erinnerung: Ein Block frischer Butter, groß und goldgelb glänzend, von dem die gewünschte Menge mit einem großen Messer abgeschnitten wurde, um dann gewogen zu werden. „Darf es etwas mehr sein?“ lautete die obligatorische Frage. Ja, fast immer durfte es! Und ich stand fasziniert vor diesem großen gold-gelben Würfel. Butter war in diesen Jahren nicht nur ein Brotaufstrich, sondern geradezu das Symbol für die Entwicklung hin zum „Wirtschaftswunder“. Man konnte sich wieder „gute deutsche Butter“ leisten. Als ich in späteren Jahren einmal meiner Mutter fragte, was ihr erster Wunsch zum Essen nach dem Krieg gewesen sei, antwortete sie: „Ein Mohnbrötchen mit Butter und Rübenkraut!“
Die Zeiten des Kaufhauses WEKA und der Lebensmittelabteilung mit der Butter, des Fahrstuhls mit seinem Fahrstuhlführer und den tanzenden Besuchern des Cafés sind lange vorbei – wie auch die Zeiten von Kohleabbau und Stahl, Bekleidungsindustrie und Glasindustrie in einer Stadt, die einmal kurz davorstand, die Marke von 400 000 Einwohnern zu erreichen.
Aber der HerrKules-Fahrstuhl fährt weiter. Und natürlich kennt er nur eine Richtung: nach oben!

Das trifft seit Jahren (seitdem ich nicht mehr rauche und keinem ordentlichen Beruf mehr nachgehe) auch auf die Anzeige der häuslichen Waage zu. Auch da gilt: nach oben, immer weiter nach oben! Doch Rettung naht! In einem als „Fernsehzeitschrift“ getarnten Werbeheftchen für Reiseangebote, Heilmittel gegen  Kopfschmerzen, Augenflimmern, Erektionsprobleme und Arthrose sowie für Hilfsmittel wie Treppenlifte und Heilerde habe ich jetzt eine Methode gefunden, die wie für mich gemacht ist: „Scheinfasten“ oder, weil das besser klingt, auch „Fasting Mimicking Diet“. Das Buch, in dem die Methode vorgestellt wird, sowie ein zweites mit entsprechenden Rezepten ist von Barbara Becker verfasst, der Ex-Gattin von unserem Bum-Bum Boris (nicht verwechseln mit Bumm-Bumm-Boris, also unserem Verteidigungsminister Boris Pistorius). Und Babsi Becker soll laut Bewerbung des Buches eine „Fitness-Ikone“ sein, also für mich genau das richtige Vorbild. Die Methode, so ist zu lesen, beruht darauf, dass dem „Organismus lediglich vorgetäuscht (wird), streng zu fasten. Der Körper wird aber durch tägliche kleine Mahlzeiten mit essenziellen Nährstoffen versorgt Dadurch soll Körperfett effizient abgebaut, Entzündungen und Tumorrisiko vermindert, die Hirnfunktion verbessert, Blutzucker und Blutdruck normalisiert sowie Cholesterin und Triglyceride gesenkt werden.“
Und der Erfolg? Angeblich sollen man in nur „fünf Tagen die Zellerneuerung aktivieren, Bauchfett reduzieren und sich jünger fühlen“. Wobei ich mich natürlich frage, warum ich mir ein Buch mit 60 Rezepten zulegen soll, wo doch dieses Wunderwerk der Gewichtsreduzierung und Erneuerung bereits nach fünf Tagen wirksam wird? Es bleiben jedenfalls Fragen unbeantwortet. Vielleicht ist die Methode des Scheinfastens auch nur scheinwissenschaftlich und erweckt nur den Anschein, das Gehirn funktioniere verbessert und das Körperfett sei abgebaut! Vielleicht werde ich mich also doch noch ausführlicher mit dieser „Revolution des Fastens“ beschäftigen.
Aber erst nach der Mittagsmahlzeit! ***

Bleiben wir noch kurz bei der gesunden Ernährung, wobei wir hier einen Tipp in Richtung GRÜNE, besonders in Richtung Cem Özdemir geben wollen, dem „Volkskommissar für korrektes Essen ohne Zucker, für kühle Sommer in der Toskana und für den Anbau von Hanfpflanzen ohne schlechtes Gewissen sowie Wahlplakate aus Maismehl, die man nach dem Wahlkampf bei Versammlungen grüner Parteigliederungen gemeinsam aufessen kann“.
Aus den USA kommt (laut dpa) die Meldung, dass immer mehr Menschen an dem Alpha-Gal-Syndrom (AGS) leiden. Dieses Syndrom, das sich in Schwindel, Übelkeit, Durchfall oder Ausschlag äußert, wird offensichtlich durch den Biss einer bestimmten Zeckenart ausgelöst, der dazu führt, dass die Menschen allergisch auf Fleisch von Säugetieren und Fleischprodukte reagieren, in denen ein bestimmtes Zuckermolekül vorkommt. Hier wäre doch eine Kooperation der Minister Dschem und Karl  „Fuchtelhand“Lauterbach denkbar, um gemeinsam mit der Firma BioNTech und der EU (Frau v.d.L.) einen Zeckenimpfstoff zu entwickeln, der den Menschen die Lust auf den Verzehr von Fleisch nimmt.

Noch einmal zum ZU- und ABnehmen. Bekanntlich nimmt die Zahl der übergewichtigen und nur eingeschränkt bewegungsfähigen Kinder ebenso zu wie die Zahl derjenigen Grundschüler, die des Lesens, Schreibens und Rechnens nur eingeschränkt kundig sind. Da ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Zahl der Gymnasien-Abbrecher in NRW steigt. Das kann zwei Gründe haben: Die Grundschulen sprechen zu leichtfertig Empfehlungen und eingeschränkte Empfehlungen für den Übergang von der Grundschule zum Gymnasium aus – und dies auf der Basis nur unzureichender Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler (Vermeidung von Konflikten mit Eltern). Und (oder) Eltern richten sich nicht nach den Empfehlungen der Grundschule, weil sie unbedingt wollen, dass ihr Kind auf ein Gymnasium geht, auch gegen den Rat der Grundschule (die verpflichtende Empfehlung der Grundschule ist in NRW 2011 abgeschafft worden).
Diese zwei Gründe sind aber nur oberflächlicher Natur. Viel entscheidender ist eine gesellschaftliche Tiefenstruktur, die von vielen Faktoren beeinflusst wird, von denen die Schule selbst (das Schulsystem, der Mangel an Lehrkräften, die Ausstattung, die Lehrpläne) wiederum nur ein Element ist. Hier spielen, um nur auf einige Aspekte hinzuweisen, Lern- und Leistungsbereitschaft der Kinder und Jugendlichen eine Rolle, die Haltung der Eltern gegenüber dem Gut „Bildung“, soziale und kulturelle Entwicklungen, die gesellschaftliche Wertschätzung von Erziehung, Bildung und Kultur, die Einstellung der Lehrkräfte gegenüber den Jugendlichen und ihrer Leistung, erzieherische Grundauffassungen, moderne Technik und Medien.
Das Problem der Schule kann nicht gelöst werden, wenn man nur die Schule selbst und das Schulsystem in den Blick nimmt. Die Bildungskrise ist ein Seismograf für die Entwicklung der Gesellschaft selbst.
Und das Ressort Bildung/Schule ist schon immer ein politischer Schleudersitz für die Verantwortlichen gewesen. Und aber auch immer wieder gut für die eine oder andere Binsenwahrheit. Etwa diese von Ministerin Feller: „Schulwechsel sind für alle Beteiligten mit Herausforderungen verbunden, besonders für die Schülerinnen und Schüler.“ (WAZ, Seite 1, 31.7.23)
Hätten Sie gedacht, dass ein Schulwechsel besonders für Schüler herausfordernd ist? Ich nicht!
Ich habe immer gedacht, durch Schulwechsel von Schülern und Schülerinnen werden besonders die Schulsekretärinnen und die Schulhausmeister herausgefordert.
Da habe ich mich wohl getäuscht!

***Scheinfasten: Alle Zitate aus der Buchbesprechung in PRISMA 30/2023, S.6

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 2

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
10 Kommentare
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Ali-Emilia Podstawa

Zur immer wieder geäußerten Annahme, Kinder würden heutzutage immer dicker werden (damit begründen z. B. Bundesernährungsaufseher Özdemir und sein Gesundheitskollege Saltless Redwine ihre geplanten Werbeverbote für Süßwaren) meint ein Statistiker:

„[…] wie viel ist „fast zwölf Prozent“? Laut dem „Arztreport 2023“ der Barmer Krankenkasse stieg der Anteil adipöser Kinder (d. h. solche mit einem Body-Mass-Index von 30 und mehr) während der Coronazeit in den Jahren 2019 bis 2021 von 3,19 % auf 3,55 %. Das ist ein absoluter Anstieg um 0,36 Prozentpunkte, also wenig bemerkenswert. Angesichts der durch Bewegungsarmut und ausgefallenen Sportveranstaltungen geprägten Coronajahre könnte man fast von einer erfreulichen Entwicklung sprechen. Immerhin sind selbst über die Coronajahre über 96 % aller deutschen Kinder nicht fettleibig geworden.
Aus einem kleinen absoluten Anstieg wird durch die Darstellung in relativen Wachstumsraten und absoluten Zahlen eine große Sache. […]“

https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/detail/die-dicken-kinder-von-hessen

0
0
Ali-Emilia Podstawa

Ja, so wird das häufig publiziert, wenn Teilmengenbetrachtungen (Mitglieder einer speziellen Krankenkasse) und relative Wachstumsraten für Klicks sorgen sollen und der besorgte Leser dann auf die Allgemeinheit schließt. Das Phänomen an sich (dicke Kinder) existiert. Aber die suggerierte Entwicklung (Es wird immer schlimmer!) nicht.

Die letzte gesamtdeutsche Untersuchung des RKI zum Thema stammt aus dem Jahr 2017. Das Fazit lautet dort zum einen, dass die regionalen Unterschiede deutlich seien, und:
• Laut KiGGS Welle 2 (2014–2017) sind 15,4 % der Kinder und Jugendlichen von
Übergewicht betroffen, 5,9 % haben eine Adipositas.
• Im Vergleich zur KiGGSBasiserhebung (2003–2006) sind die Übergewichts und
Adipositasprävalenzen bei Kindern und Jugendlichen weitgehend unverändert.

Die Autoren der „Unstatistik des Monats“ schreiben:
„Laut dem „Arztreport 2023“ der Barmer Krankenkasse stieg der Anteil adipöser Kinder (d. h. solche mit einem Body-Mass-Index von 30 und mehr) während der Coronazeit in den Jahren 2019 bis 2021 von 3,19 % auf 3,55 %. Das ist ein absoluter Anstieg um 0,36 Prozentpunkte, also wenig bemerkenswert.

[…] Bei Zeit Online, bei bild.de und in vielen anderen Medien dagegen wurde wie so oft bei absolut kleinen Risiken vorzugsweise mit relativen Wachstumsraten oder absoluten Zahlen operiert. Der relative Zuwachs adipöser Kinder beträgt, wie man leicht ausrechnen kann, 11,3 % [= 100*0,36/3,19 So wird also aus 0,36 % Anstieg 12 % für die Schlagzeile erzeugt – Anmerkung Schreiberling*in.].

Vielfach ging man auch noch weiter in die Vergangenheit zurück, dadurch wurden die relativen Wachstumsraten wie auch der absolute Zuwachs der Zahl der adipösen Kinder nochmals größer. Das ist aber aus drei Gründen statistisch unzulässig. Einmal lassen sich die Daten des Arztreports 2011 der Barmer Ersatzkasse, der als Grundlage der langfristigen Vergleiche dient, wegen zwischenzeitlicher Fusionen mit anderen Krankenkassen nicht mit denen des Jahres 2021 vergleichen. Ferner darf angezweifelt werden, ob man aus Kundendaten der Barmer Ersatzkasse überhaupt auf die Gesamtbevölkerung hochrechnen kann. Hier handelt es sich auf keinen Fall um eine Zufallsstichprobe aller Kinder in der Bundesrepublik. Und selbst in diesem Idealfall wäre wegen des unvermeidbaren Zufallsfehlers bei jeder Stichproben-Hochrechnung ein Anstieg um 0,36 Prozentpunkte leicht dem Zufall zuzuschreiben. Und dann hat auch die Anzahl der Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von 14 Jahren von 2011 auf 2021 in Deutschland um fast eine Million zugenommen. Allein das erklärt zumindest einen Teil des vielfach beklagten Anstiegs der Anzahl adipöser Kinder.“

0
0
Ro.Bien.

Statistik halt. Wer mit offenen Augen durchs Ruhrgebiet schlürft, sieht sie – und sie werden jährlich mehr: die dicken Kinder, jungen Erwachsenen -mit Glück dann auch noch im fortgeschrittenen Alter…eher weniger hochaltrig. Ist so ähnlich wie mit dem Rauchen – zuviel ist ungesund, lässt früher sterben und entlastet die Krankenkassen.

0
0
Ali-Emilia Podstawa

100 mal Liftboy. Respekt!

0
0
Ro.Bien.

Anstatt vorher die Klappe aufzumachen wird nachher auf das Brot geschimpft, dessen Lied Jahrzehnte mitgesungen wurde. Aber was rede ich..

0
0
Ro.Bien.

Mir war nicht klar, dass man auch am Berufskolleg auch verbeamtet sein kann…

Wer sich die bedauernswerten Lehrkörper hier in Praxis der Gesamtschule Ückendorf anschauen will und den Nerv hat, die Werbung auszuhalten, hier im Spiegel TV, vor vier Wochen:
https://www.youtube.com/watch?v=NVl5LmIvqow

Grundschule, Berlin.
auch nicht besser
https://www.youtube.com/watch?v=nmZ0hQMQIAg

0
0