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Zu einigen Grundelementen der gegenwärtigen Regierungspolitik

Wohnen ist ein Grundbedürfnis und so vielfältig wie die Menschen. Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten. Dabei haben wir die Vielfalt der Rahmenbedingungen und Wohnformen und individuellen Bedürfnisse der Menschen in ländlichen und urbanen Räumen im Blick.
Dafür starten wir einen Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen.“ (Regierungsprogramm der Ampelkoalition, S. 88)

Soweit die Koalitionsvertragsprosa. Oder ist es doch eher Koalitionslyrik? Wohlklinge Worte, aufgereiht zu Wortkettenwürmern, wie sie sich in der Akkumulation in der zweiten Zeile (bezahlbar …) manifestieren. Dazu Selbstbestätigungen (wir haben im Blick…) und Versprechungen (Berücksichtigung von Bedürfnissen…). Und natürlich Zahlen: hier die Ankündigung des Baus von 400 000 Wohnungen pro Jahr.
Es hat nicht lange gedauert, bis Bundesbauministerin Geywitz kleinlaut verkünden musste, dass dieses Ziel weder 2022 noch 2023 erreicht werden wird. Aber ab 2024, da soll das Ziel dann Wirklichkeit werden. Auch wohlfeile Erklärungen für das Verfehlen des Ziels sind im ministeriellen Sprachbaukasten: Lieferengpässe wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, steigende Zinsen und ein Mangel an Fachkräften. Die Fachkräfte, so steht zu vermuten, waren offensichtlich seit Beginn des Krieges irgendwo in der Ukraine im Einsatz, kommen aber wohl 2024 rechtzeitig zurück – oder etwa nicht?
Kurzer Zahlenhinweis: Im Jahr 2021, noch ohne Krieg und bei niedrigen Zinsen, wurden in Deutschland weniger als 300000 Wohnungen fertiggestellt. Aus Kreisen der deutschen Bauwirtschaft bzw. der Wohnungs- und Immobilienunternehmen kommt die Annahme, dass auf mittlere Sicht etwa 200000 Wohnung ein zu erreichendes Ziel sind.
Bereits anhand des Beispiels „Wohnen und Bauen“ ist ein Muster erkennbar: Die Neigung zu vollmundigen Versprechungen und ideologisch bestimmten (nicht von der Realität abgeleitete) Zielvorgaben, billige Ausreden, wenn klar ist, dass ein Erreichen der Vorgaben nicht möglich ist, verbunden mit neuen Versprechungen. Ein Auf und Ab von Täuschung und Selbsttäuschung!
Es kommt eine weitere Komponente hinzu: Die Regulierungswut. Die zeigt sich an der Diskussion über das AUS von Verbrennern. Dieses Beispiel ist klassisch für die Gebots- und Verbotsmanie, die besonders bei den GRÜNEN herrscht. Ich will hier die Debatte über den CO₂-Ausstoß und die Bedeutung für das Klima überhaupt nicht in Zweifel ziehen, sondern die Täuschung und Selbsttäuschung betrachten.
Ansatzpunkt für das Verbrenner-Aus ist der Schadstoffausstoß des Motors. Dieser Ansatzpunkt ist bereits das erste Täuschungsmanöver. Eine ernsthafte Betrachtungsweise unter ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten müsste auch den Antriebsstrom für E-Autos berücksichtigen. Wird die Energie (Strom) aus fossilen Trägern gewonnen, entsteht der CO₂-Ausstoß an anderer Stelle, wenn auch nicht beim Betrieb des Fahrzeugs. Ein ÖKO-Plus entstünde dann, wenn die Energiegewinnung sauber (grün) wäre. Mit steigender Zahl von E-Autos wächst also der Bedarf an „grünem“ Strom.
Zudem müssten bei einer ernsthaften Betrachtungsweise von Nachhaltigkeit der gesamte Produktionsprozess, die Lebensdauer des Fahrzeugs und seiner Komponenten sowie die Fahrleistung insgesamt berücksichtigt werden. Ich will hier an dieser Stelle nur auf die bekannte Problematik der Akkus hinweisen: Gewinnung der Rohstoffe (seltene Erden, Kinderarbeit), Lebensdauer, Entsorgung, Gewicht (das hohe Gewicht der Akkus hat Einfluss auf das Gesamtgewicht des Fahrzeugs und damit den Verbrauch sowie etwa den Verschleiß von Reifen).
Ein letzter Hinweis: die hier vom Markt genommenen Verbrenner werden (bekanntlich heute schon) nach Osteuropa und Afrika exportiert. Sie stoßen also ihre Schadstoffe nicht mehr hier, sondern in anderen Teilen der Welt aus. Allein zwischen 2015 und 2018 wurden insgesamt rund 14 Millionen gebrauchte PKW und Transporter exportiert, davon etwa die Hälfte nach Afrika. Aber wir fahren E-Autos und haben ein „grünes“ Gewissen, oder?
Zuletzt: die „Antriebsdebatte“ ist letztlich sogar verkürzt, weil sie vom Kern der Mobilitätsproblematik durch ihre Fixierung auf die Motoren ablenkt. Viel entscheidender wäre der Ausbau der Alternativen zum Auto, die bekanntlich immer größer werden (auch E-Autos) und mehr Platz im öffentlichen Raum einnehmen, wobei Autos im Schnitt die weitaus größte Zeit des Tages nicht fahren, sondern stehen (geparkt). Der Fokus müsste also weitaus mehr auf den öffentlichen Verkehr (nah und fern und besonders im ländlichen Raum), auf intelligente Verkehrssteuerung, auf Verbundsysteme (etwa Straßenbahn, Sammeltaxen, andere Verkehrsträger) gelegt werden. Letztlich ist die „Antriebsdebatte“ für die „Mobilitätswende“ kontraproduktiv.
Doch noch einmal zurück zum Auto: Das Muster gegenwärtiger Politik zeigt sich auch darin, dass man die eine Antriebsart (Verbrenner) verbietet und Technikoffenheit unterdrückt, gleichzeitig aber die Infrastruktur für die gewünschte E-Mobilität (Ladesäulen, Stromnetze, Stromerzeugung) nur sehr langsam vorankommt, anstatt zunächst die Voraussetzungen für einen „Umstieg“ zu schaffen bzw. zu verbessern. Diese ideologiegesteuerte Form der Politik löst keine Probleme, sondern schafft neue und vergrößert teilweise die alten!
Kommen wir zum aktuellen Aufreger und letztlich damit zum ersten Abschnitt zurück. Wieder ist das Muster erkennbar: im Zusammenhang mit dem jetzt vom grünen Habeck-Ministerium bestimmten Austausch von Altheizungssystemen (Öl und Gas) wird eine zeitliche Fixierung vorgenommen, die sich aus der Zielvorgabe der Gas- und Öleinsparung und der Verringerung des CO₂-Ausstoßes ableitet (was ja durchaus sinnvoll sein mag). Ob diese zeitliche Fixierung „leistbar“ ist (Stichworte: Fachkräfte, Herstellung der Komponenten, etwa für Wärmepumpen), spielt offensichtlich keine Rolle. Dass auch im Bereich Heizungssysteme (Neubau und Wartung) bereits Fachkräfte rar sind, weiß jeder, der seine Heizung regelmäßig warten lässt oder bei einem technischen Problem der Heizung auf den Notfallservice angewiesen ist. Das Statistische Bundesamt hat darauf hingewiesen, dass die Zahl der Beschäftigten im Sanitär- und Heizungsbau in den letzten zehn Jahren um 9,4 Prozent zurückgegangen ist und nur noch 275000 Beschäftigte in diesem Fachhandwerksbereich tätig sind, wobei über 20 % der Handwerker älter als 55 Jahre sind und bald das Rentenalter erreicht haben werden. Entsprechender „Nachwuchs“ an Fachkräften ist aber nicht in Sicht.
Bringt man nun diese Erkenntnis in Zusammenhang mit dem angestrebten Wohnungsbau (siehe oben, 400000 Wohnungen), muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass hier Ideologie die Wirklichkeit schlägt. Auf dem Papier jedenfalls!

Letztlich gewinnt aber die Wirklichkeit!

Immer!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Rob.Bien.

Und noch ein anderer Praxicheck auf Kommunalebene: ALLE, wirklich alle Bürgerberatungsstellen sind komplett überfordert. Dazu gehören die kommunalen Energieversorger, die Verbraucherberatungsstellen, die Mietervereine und last but not least die städtischen Bürgerbüros. Ich hab sicher noch welche vergessen. Telefone werden aufgelegt, Emails nicht beantwortet. Entweder sind alle Mitarbeiter krank oder unterbesetzt. Sagt die Pressestelle, wenn man versucht, irgendeine Info zu erfahren. Bürgerberatung jedenfalls in der Nachbarstadt BO – was Wohngeldinformationen betrifft, hält sich ganz vornehm zurück. Also für die Leute, die zum ersten Mal beantragen. Selbst wenn sie wissen wollen, ob etwas zum 15-seitigen Antrag fehlt -braucht es geschlagene DREI Monate, um den schlichten Satz zu erfahren: Wir melden uns in den nächsten Wochen, in denen wir mitteilen, was nachzureichen ist.
Man sollte wieder Schwarzmärkte und Tauschhandel einführen, um einigermaßen unabhängig zu bleiben.

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