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Heute mit verschiedenen Kas – nämlich Kriegs- und Krisengewinnlern, Kunscht und Kultur

Kriegs- und Krisengewinnler
Panta rhei“ (alles fließt) ist ein dem griechischen Philosophen Heraklit zugesprochener Aphorismus. Alles fließt, alles ist in Bewegung, alles verändert sich. Und dennoch gibt es Dinge, Sachverhalte, Zusammenhänge, die trotz aller ständigen Veränderung dauerhaft bleiben, die sozusagen die Konstanten in den Wechselfällen des Lebens sind. Viele dieser Konstanten im Wechsel sind auf der Grundlage menschlicher Erfahrungen in Liedern bzw. ihrem Titel oder der Hook-Line festgehalten, so etwa die Regelhaftigkeit, die sich in der an Newton erinnernde Aussage der Gruppe Blood, Sweat and Tears ausdrückt: „What goes up, must come down“(Spinning Wheel, 1969). Auch die von Udo Jürgens aufgestellte These „Immer wieder geht die Sonne auf“ aus dem Jahre 1967 hat heute noch Bestand und wird täglich bestätigt. Die im zwischenmenschlichen Bereich angesiedelte Erfahrung „Liebeskummer lohnt sich nicht“ von Siw Malmkwist aus dem Jahre 1954 gilt auch heute noch! Und Peter Alexanders und Leila Negras in ein Naturbild gefasste gesellschaftskritische These des Jahres 1954 über Reichtum und Armut und ihre Verteilung in der Gesellschaft ist aktueller denn je: „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere!“ Die Begründung dafür ist recht schlicht und gerade deshalb wahrhaftig: „Weil sie groß sind“.
Und die großen Tiere, also die internationalen Player, sind auch jetzt wieder diejenigen, die die süßen Früchte bekommen. Der Einzelhandel, auch der Internethandel, die Gastronomie, bestimmte Sparten des Dienstleistungssektors klagen über drastische Umsatzrückgänge wegen der gestiegenen Kaufzurückhaltung und gestiegener Umsatzeinbrüche aufgrund der Inflation, der Sorge der Verbraucher wegen unbezahlbaren Heiz- und Stromkosten und natürlich des Krieges in der Ukraine und wachsender Spannungen. Mancher Haushalt steht vor einer ungewissen Zukunft! Die süßen Früchte essen eben andere! Etwa der BP-Konzern, zu dem auch Aral mit seinem deutschen Tankstellennetz von 2400 Stationen gehört: Im zweiten Quartal dieses Jahres hat BP seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, und die Monate April bis Juni mit einem Reingewinn von 8,5 Milliarden Dollar abgeschlossen. Ähnliche Gewinnsteigerungen konnten auch die anderen Großen vermelden, also etwa Shell, Total Energies und Rapsol.
Es gibt aber noch einen anderen Großen, der, ohne eigene wirtschaftliche Anstrengungen, zu den Krisen- und Inflationsgewinnern zählt. Mit der Inflation und den steigenden Preisen mehren sich die Einnahmen des Bundes durch die Mehrwertsteuer: Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr haben die steigenden Preise 2022 zu einer Mehreinnahme von rund 29 Milliarden Euro geführt, die bis zum Jahresende, bei gleichbleibender Entwicklung, auf 60 Milliarden EURO ansteigen könnten.
Die Zukunft der Bundesbürger, vor allem derjenigen mit geringem Einkommen, verspricht keine süßen Früchte. Sondern ein Warten auf dem Bahnsteig auf bessere Zeiten. Und auf der Anzeigetafel steht: „Es fährt kein Zug nach Nirgendwo“ (Christian Anders, 1972).

Kunscht und Kultur
I Kunst ohne Kunst
Neben den Bayreuther Festspielen ist die documenta 15 das gegenwärtige kulturelle Großereignis. Seit 1955 gibt es die Kasseler documenta, die alle fünf Jahre die Kunst der Gegenwart präsentieren soll und 100 Tage dauert. Die documenta 14 mit den Standorten Kassel und Athen brachte es 2017 auf die höchste bisherige Besucherzahl, nämlich in beiden Städten zusammen auf rund 1,4 Million Besucher. Einige der während der bisherigen Ausstellungen gezeigten Kunstwerke sind angekauft worden und in Kassel verblieben. Das sicherlich immer noch bekannteste Werk ist das Projekt 7000 Eichen von Joseph Beuys (Untertitel: „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“), daneben wohl auch die im Jahr 1992 installierte Skulptur „ Man walking to the sky“ (Himmelstürmer) von Jonathan Borofsky, die sich auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Kassel befindet.
Die jetzige documenta stand von Beginn an nicht im Lichte der Ästhetik, sondern des Antisemitismus in künstlerischen Darstellungen. Werke wurden aus der Ausstellung entfernt, die Leiterin trat zurück, Verantwortlichkeiten, etwa zwischen der Leitung der documenta und der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wurden hin- und hergeschoben. Nun soll die gesamte Ausstellung unter dem Gesichtspunkt des Antisemitismus aufgearbeitet werden. In der Berichterstattung ist die ästhetische Qualität der Ausstellung im Grunde immer noch nicht gewürdigt worden. Die alles beherrschende politische Debatte hat die Qualität der Kunstwerke selbst kaum berücksichtigt. Aufsehen hat die documenta bisher ästhetisch-künstlerisch nicht erregt – vielleicht weil der Akzent auf die „Haltung“ der Künstler und den „Prozess der Erstellung“ der Kunstwerke gelegt worden ist, nicht aber auf das gestaltete Werk. Ein neuer Michelangelo, Rubens, Vermeer, Mondrian, Beuys oder Richter scheint jedenfalls nicht am Horizont aufzutauchen – aber vielleicht ist das auch eine alte, abgeschmackte Sichtweise von jemandem, der gerne ein Kunstwerk betrachtet und – staunt!

II Wagners Stühle
Mag sein, dass Sie kein Wagnerianer sind. Oder doch? Wenn Sie einer sind, dann schauen Sie jetzt nach Bayreuth zum „Grünen Hügel“, wo nach der Eröffnung durch „Tristan und Isolde“ eine Neuinszenierung des „Ring“ im Angebot ist.
Aber auch die meisten Nicht-Wagnerianer kennen Wagners Musik, jedenfalls ein Stück daraus, nämlich das Orchestervorspiel („Walkürenritt“) zum dritten Akt der Oper „Die Walküre“, das Francis Ford Coppola in seinem Film „Apocalypse Now“(1979) eingesetzt hat. Bei dem Hubschrauberangriff auf ein vietnamesisches Dorf lässt Lieutenant Colonel Bill Kilgore Wagners Musik über in seinem Hubschrauber installierte Lautsprecher abspielen und sagt dazu: „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen … Er riecht nach – Sieg.“ Ob Coppola auf diese Idee gekommen ist, weil er eine alte „Wochenschau“ gesehen hat, in der der Angriff der deutschen Wehrmacht auf Kreta mit eben diesem Stück Musik unterlegt war, sei einmal dahingestellt.
Selbstverständlich geht es in Bayreuth auch um die Musik von Wagner, um die Inszenierungen. Aber auch um die Geschichte des Hauses, die Geschichte der Familie und Hitlers Begeisterung für Wagners Musik. Überhaupt ist für Nicht-Wagnerianer das Drumherum interessanter als die Inszenierungen. Bayreuth ist ein gesellschaftliches Ereignis. Eine Parade der Eitelkeiten, der Mächtigen, der Stars und Sternchen, der Schönen und derjenigen, die sich für wichtig halten oder für schön! Skandale und Skandälchen sind immer gern gesehen!
Am 1.8.2016 weiß BILD. de zu berichten:
Merkel ist Stammgast auf dem Grünen Hügel und wird dort traditionell von den Zaungästen bejubelt, wenn sie mit ihrem Mann über den roten Teppich schreitet – so auch diesmal. Im vergangenen Jahr hatte Merkels Besuch der Festspiele für einen Riesenwirbel gesorgt. Alles drehte sich anfangs um einen angeblichen Kollaps der Kanzlerin. Nach der Aufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ hatte Merkel mit ihrem Mann das Festspielhaus verlassen, gemeinsam gingen sie in das „Steigenberger Festspielrestaurant“. Dort waren für die Ehrengäste 200 Plätze eingedeckt. Alle nahmen Platz. Plötzlich brach unter der Kanzlerin der Stuhl zusammen, Merkel krachte zu Boden. Der Stuhl ist „in mehrere Teile zerborsten“, berichteten Augenzeugen später.“
Und irgendwie scheint seit Merkels Stuhl-Crash ein Fluch über den Bayreuther Sitzmöbeln zu liegen. Vielleicht ist es ja der Fluch Alberichs, den die Rheintöchter verhöhnen und der die Liebe verflucht und aus dem Schatz im Rhein den Ring schmiedet, der ihm unermessliche Macht verleihen soll. Jedenfalls hat sich Tomasz Konieczny, der den Wotan in der „Walküre“ spielt, bei der Premiere schwer verletzt, als er sich im II. Akt auf der Bühne in einen Sessel fallen ließ, dessen Rückenlehne daraufhin abbrach.

Der Sänger ist übrigens bereits der vierte Wotan, denn die drei ursprünglich vorgesehen Sänger sagten bereits aus unterschiedlichen Gründen ab.
Gute Besserung, Wotan!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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m.p.a

Wie immer sehr schön aufgearbeitet. I Kunst und Kultur: Haltung und Gesinnung scheinen in Zukunft die Kriterien für die Bewertung von Künstlern zu sein. Dafür wird die neue Dokumenta-Expertenkommission schon sorgen. Seit „Corona“ wähnen sich die Gesinnungsschnüffler im Aufwind. Falsche – weil eigene – Gedanken, falsche Nationalität, falsche – weil angeeignete – Frisur … Ausschlusskriterien gibt es inzwischen viele.

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