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Das folgende Interview, das wir (ab jetzt HK) um einige Passagen gekürzt wiedergeben, fand an zwei Nachmittagen im Juni im Partykeller des Polizeipräsidiums statt. Anlass war der Wechsel der Polizeipräsidentin (ab jetzt PP), die nur zweieinhalb Jahre hier tätig war,  als Dezernentin nach Düsseldorf in die Kommunalverwaltung.

HK: Zu Beginn eine Bitte um Klarstellung:  Uns wurde nach Veröffentlichung der Ankündigung dieses Gesprächs vorgeworfen, wir hätten Ihren Namen gefälscht und Sie hießen überhaupt nicht Zurgiebel. Was sagen Sie dazu?

PP: Grundsätzlich werden Namen überbewertet, der Volksmund sagt nicht ohne Grund, Namen seien Rall und Schauch. Namen sind Zuschreibungen. Denken Sie an Filmtitel wie „Sie nannten ihn Gringo“ (1965), übrigens mit einem tollen Götz George, oder an „Der Mann, den sie Pferd nannten“ aus dem Jahre 1969. Klassisch auch „Mein Name sei Gantenbein“ von Max Frisch (1964), wo es um die Identität und die soziale Rolle geht. Theo Gantenbein ist bekanntlich ein Name, den der Erzähler des Romans einer erfundenen Figur gibt. Sagen wir mal so: Ich probiere Namen aus wie Kleider.

HK: Wovon Sie ja eine ganze Menge haben, wie man auf den Fotos in den einschlägigen Medien sehen kann. Kleider und andere Kleidungsstücke!

PP: Der Typus „graue Maus“ bin ich jedenfalls nicht. Wobei mir GRAU durchaus auch steht. Kommt auf den Anlass, aber vor allem auf die Grauabstufung, den Stoff selbst und den Schnitt  an. Aber wenn ich mal zurückfrage: Ihre Nase auf dem Foto im HerrKules sieht auch anders aus als jetzt! Operationen?

HK: Nein, der Zahn der Zeit! Das Foto ist Jahrzehnte alt!

PP: Die jetzige Nase steht ihnen besser!

HK: Oh, meinen Dank! Aber jetzt genug des Vorgeplänkels! Kommen wir zur Sache! Als Sie Ihren Posten hier angetreten haben, konnte man meinen, Gelsenkirchen bräche auf in eine Art Feminat: Schließlich löste auch eine Frau den  Oberbürgermeister ab, zwei Stadträtinnen sind verantwortlich für die Bereiche Kultur und Soziales, Lady Falkenauge vom Stadtmarketing und eben Sie. Bricht da etwas auseinander, was auf ein Jahrzehnt oder länger hätte angelegt sein können?

PP: Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus, nämlich von der Annahme, meine Entscheidung für Gelsenkirchen hätte irgendeinen „Frauendreh“ gehabt, womöglich einen feministischen Plan. Ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so naiv sind! Ich gehe dahin, wo ich Pflöcke einschlagen kann. Und auf denen steht mein Name – und nur meiner! Ich habe, um ganz ehrlich zu sein, die Erfahrung gemacht, dass man als Frau, die Chefin ist, mit Männern besser zusammenarbeiten kann als mit Frauen. Die entwickeln häufig so eine Stutenbissigkeit, die die Arbeit erschwert! Die Frauen kann man bei Kritik auch nicht so einfach in die Ecke stellen wie Männer, wo man einfach sagt: patriarchalische Männerseilschaften, die eine Frau über sich nicht dulden wollen.

HK: Sie haben also keine Achse gesehen vom Polizeipräsidium in Buer zum Hans-Sachs-Haus an der Ebertstraße, so eine Art Korsettstange, die der Stadt mehr Stabilität verleiht?

PP: Jetzt wollen Sie auch noch über Korsetts reden? Spaß beiseite: Habe ich nicht. Ich habe mich weder hier in Gelsenkirchen noch bisher überhaupt als Teil einer Korsettstange  gesehen. Zu mir passen sowieso eher Bralettes! !

HK: Aber ein gewisser Einfluss auf das Rathaus ist doch bemerkbar. Nachdem Sie auf diversen Social-Media-Plattformen mit Selfies in die Offensive gegangen sind, hat sich auch die Selbstdarstellung der Oberbürgermeisterin verändert. War sie über eine lange Zeit dort nahezu nicht vertreten, postet sie nun fast täglich kleinere Texte und Fotos von sich bei Empfängen, Veranstaltungen, kulturellen Events. Manchmal übrigens schon sehr privat !

PP: Das ist mir auch aufgefallen. Das sehe ich aber nicht negativ – jedenfalls wenn es professionell gemacht ist und die, die zu sehen ist, gut rüberkommt, also sich im richtigen Outfit  in Szene setzt und zeigt, dass sich ein genauer Blick lohnt. Transusig und „gewollt locker“ darf man nicht rüberkommen und auch nicht sein. Die Leute merken, wenn es nur gekünstelt ist! Dann ist es kontraproduktiv!

HK: Stichwort in Szene setzen: Sie gelten in der Buerschen Night-Life-Szene ja als, ich sage mal, Feier-Biest! Passt das zum Amt?

PP: Na sicher doch! Wir leben doch nicht mehr in wilhelminischer Zeit, wo ein Polizeipräsident ein knorziger Mann in Uniform und mit Schnauzbart sein musste, steif im Geiste und steif in der Haltung, so als hätte er den Stock verschluckt, mit dem man ihn als Kind geprügelt hat. Wer seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen will, um sie zu lenken, der muss nahe bei ihnen sein – ob im Büro oder der Kneipe oder auf der Tanzfläche.

HK: Dazwischen  können fließende  Übergänge sein – also zwischen Büro, Kneipe und Tanzfläche?

PP: Fließende und flüssige, ja!

HK: War Gelsenkirchen von Anfang an für Sie nur eine Zwischenstation, eine Sprosse der Karriereleiter? Und warum dann Düsseldorf?

PP: Lassen Sie es mich mal so sagen: Unser Leben besteht nur aus Zwischenstationen. Und so habe ich auch mein Berufsleben gesehen – Zwischenstationen. Und alle sind wichtig. Immer gilt es, sich neu zu bewähren und den inneren Kern zu bewahren.

HK: Und woraus besteht er, der innere Kern?

PP: Jetzt erst mal darin, dass mir bewusst geworden ist, wie sehr mich das Amt hier in Anspruch nimmt, ich vor Ort sein muss, weswegen ich meine zwei Kinder in Düsseldorf nur noch sehr eingeschränkt sehen konnte. Die räumliche Distanz war zu groß!

HK: Das klingt jetzt ein wenig wie bei Frau Spiegel und Frau Heinen-Esser!

PP: Ein wenig, ja, aber mehr nicht!

HK: Aber Düsseldorf? Ein kommunales Dezernat statt Präsidentin einer Polizeibehörde? Das ist doch kein Karrieresprung!

PP: Eben. Kein Karrieresprung, aber eine Leitersprosse, die zu ergreifen ich Gelegenheit hatte. Und wer weiß schon, welches Dezernat ich in zwei oder drei Jahre führe.

HK: Und bis zum Regierungssitz ist es auch nicht weit. Wenn Sie…

PP: Wenn ich mal in der Mittagspause in die Staatskanzlei will oder zum Innenminister!

HK: Und was nehmen Sie mit von Gelsenkirchen ins neue Amt?

PP: Den kleinen Gelsenkirchen-Teddybären in Polizeiuniform, den mir meine engsten Mitarbeiter zum Abschied geschenkt haben.

HK: Sonst nichts?

PP: Was sollte das sein?

HK: Noch eine sehr persönliche Frage: Wann haben Sie zuletzt geweint?

PP: Als ich zum ersten Mal, aus Düsseldorf kommend, mit dem Wagen die A 40 verlassen habe und nach Gelsenkirchen reingefahren bin!

HK: Vor Glück oder vor Schrecken?

PP: Von Herzen!

HK: Danke für das Gespräch!

PP: Danke für Ihre Zeit!

 

VORANKÜNDIGUNG: DER SCHÖNE UND DAS BIEST! Britta Zurgiebel im Gespräch mit HerrnKules!

 

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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