Wahrscheinlich weiß der Wind überhaupt nicht, welche tragende Rolle er für die Rettung der Welt spielt. Jedenfalls dann, wenn es um die „Klimawende“ geht. Der Wind macht einfach weiter, wie er es schon immer getan hat. Mal weht er, mal weht er nicht! Mal stark, mal weniger, wobei die Menschen versucht haben, den Wind nach Stärkegraden einzuteilen. Auf der Beaufortskala, entwickelt von Francis Beaufort und 1835 bei der ersten internationalen Konferenz für Meteorologische Zusammenarbeit offiziell verabschiedet, weht er in zwölf Stufen von 0 (Windstille) über 3 (Schwache Brise), 6 (Starker Wind) und 9 (Sturm) bis zu 12 (Orkan). Er lässt Fahnen wehen, Drachen steigen, Wäsche an der Leine trocknen, Segelboote Fahrt aufnehmen und stickige Luft durch eine frische Brise verschwinden. Aber dieser launische Kerl ist eben auch immer wieder unzuverlässig. Manchmal weht er einfach nicht, wenn er wehen sollte, zerstört aber immer mal wieder, als Orkan in Erscheinung tretend, was die Menschen aufgebaut haben oder die Natur sich hat entwickeln lassen. Menschen fallen ihm zum Opfer, Bäume, Häuser, Wälder, ganze Städte.
Er ist eine Urkraft und nicht zu zähmen! Er ist tricky! Manchmal nicht zu bremsen, und manchmal hängt er schlapp über dem Gartenzaun! Die Menschen haben ihm literarisch gehuldigt: Hänsel und Gretel sprechen von ihm als dem himmlischen Kind („Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“, antworten sie auf die Hexenfrage), und in Mörikes Frühlingsgedichts „Er ist´s“ heißt es zu Beginn: „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte“. Die Menschen haben seine Kraft genutzt, um die Weltmeere zu befahren oder auch um Land trocken zu legen. Die meisten Windmühlen bei unseren niederländischen Nachbarn sind errichtet worden, um Wasser nach oben zu pumpen, der Landgewinnung wegen und nicht etwa, um Korn zu mahlen. Und heutzutage soll er nicht nur Wasser pumpen, sondern der Energiegewinnung dienen, weswegen das Land vollgestellt ist mit Windrädern – und noch weiter mit ihnen vollgestellt werden soll. Aber der Wind ist und bleibt unzuverlässig!
Und das war er im gesamten ersten Halbjahr 2021. Deshalb stand in diesem Halbjahr die konventionelle Stromgewinnung mit mehr als 56 % Anteil bei der Erzeugung der benötigten 258,9 Milliarden Kilowattstunden auf Platz 1. Wegen des lauen Lüftchens im ersten Halbjahr sank die Energiegewinnung aus Wind um ein gutes Fünftel auf nur 22,1 % der eingespeisten Menge an Strom.
Den Wind juckt das aber nicht! Er hält es halt mit Johannes 3/8: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.“
Dazu noch der große BB: “Von diesen Stätten wird bleiben, der durch sie ging: der Wind.”
Ja, großartige Zeile! Im Original (“Vom armen B.B.”) spricht er allerdings nicht von “Stätten” (was auch ginge), sondern von Städten (bezieht sich auf New York/Manhatten), siehe die Strophen 7 und 8:
7
Wir sind gesessen, ein leichtes Geschlechte
In Häusern, die für unzerstörbare galten
(So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
Und die dünnen Antennen, die das Atlantische Meer unterhalten).
8
Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!
Fröhlich machet das Haus den Esser: er leert es.
Wir wissen, daß wir Vorläufige sind
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes.
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Ich mag auch sehr Georg Trakls lautmalerische Wind-Wortkomposition in DE PROFUNDIS (Strophe 1) aus dem Jahre 1912:
Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.
Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.
Es ist ein Zischelwind, der leere Hüten umkreist.
Wie traurig dieser Abend