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Folge 3

„Haben Sie eine Kundenkarte, eine ele-card, eine Deutschland-Karte, eine Payback-Karte?“ Es gibt wohl kaum ein Geschäft, einen Supermarkt oder Discounter, wo man nicht mit der Frage nach einer Karte belästigt wird, die zur unmittelbaren Rabattierung(z.B. ele-card) oder zum Sammeln von „Punkten“ dient, für die man dann bestimmte Produkte, die man ohne diese Karte nie erworben hätte, kaufen kann. Dass man über diese Karten schon bei der Anmeldung bzw. dem Erwerb und bei jedem Einkauf eine Unmenge an Daten von sich freiwillig preis gibt, scheint kaum jemanden zu stören.
Solche Rabattierungs- und Kundenbindungssysteme sind aber keine Erfindung unserer Tage, es gab sie – allerdings ohne Datensammelwut und weitaus sinnlicher – schon in meinen Kindertagen und dienten mir als Erwerbsquelle für mein (karges)Taschengeld: Emscherland-Rabattmarken.
Diese Rabattmarken wurden von diversen Einzelhändlern, bei denen meine Mutter einkaufte, ausgegeben. Für einen bestimmten Betrag gab es eine Marke. Diese Marken wurden gesammelt, zumeist in einem eigens dafür reservierten Kästchen oder einer Schachtel – oder auch nur in einer Schublade – um sie dann in ein Emscherland-Heftchen einzukleben, das man ebenfalls von den Händlern bekam. War ein Heftchen voll, konnte man es bei einem der beteiligten Einzelhändler einlösen und es gab – Achtung! – 3 (in Worten: drei) Mark. Das war dann mein gesammeltes und zusammengelecktes Taschengeld, denn die Marken mussten – wie Briefmarken auch – auf der Rückseite angefeuchtet werden, damit man sie ins Sammelheft einkleben konnte. Sammeln-Lecken-Kleben – das war der Dreischritt, bis man Geld kassieren konnte, um dann vor der Frage zu stehen: direkt ausgeben oder ansparen?
Irgendwann – ich muss wohl im Geld geschwommen sein – habe ich mir ein Freilauf-JO-JO angeschafft (Patent: 1932, verkaufte Stückzahl im Jahr 1962: rund 45 Millionen!). Und das mit dem Freilauf war auch der einzige Trick, den ich nach einigem Üben beherrschte: ich konnte das Jo-Jo also für eine gewisse Zeit im Freilauf über den Boden schnurren lassen.
Nun gingen meine Mutter und ich einmal pro Woche zum (alten) Hauptbahnhof, um von dort zur Verwandtschaft nach Herne zu fahren. Auf dem Weg zum Bahnhof kauften wir in einem Zeitungsladen – im wöchentlichen Wechsel – die jeweils aktuelle Ausgabe von Micky-Maus und Fix & Foxi. In unserem alten Bahnhof gab es damals nicht nur die prächtige Eingangshalle mit dem großartigen Buntglasfenster (das heute an der Stirnseite des ehemaligen Boeker-Gebäudes unbeachtet und ohne seine Farbwirkung verkümmert), das Bali- Kino (Bahnhofs-Lichtspiele), einen Kiosk und mehrere Schalter, um Fahrkarten (nicht Tickets!) oder Bahnsteigkarten zu erwerben, die den Zugang zu den Bahnsteigen erlaubten, sondern auch Kontrollhäuschen – mit einem Eisenbahner darin, dem man seine Karte vorzeigen musste, bevor man zu den Bahnsteigen gelangen konnte.
Da saß nun, fast immer wenn wir fuhren, ein freundlicher Mann, der mit der Frau und dem kleinen Jungen, die so regelmäßig kamen, schon mal ein paar Worte wechselte und auch gerne in meinem Micky-Maus- oder Fix& Foxi- Heftchen blätterte, um mit mir darüber zu fachsimpeln.
Einmal ließ ich, als er im Heftchen blätterte, ein wenig angeberisch (gebe ich gerne zu!)mein Jo-Jo schnurren! Er sah vom Heftchen auf, blickte mich streng an, um dann zu sagen: „Hast du für den Hund eine Fahrkarte gelöst? Wenn nicht, dann muss er hier bleiben!“
Ich konnte mir, unter den Verdacht der versuchten Beförderungserschleichung geraten, nahezu dabei zusehen, wie ich rot anlief. Da prustete meine Mutter vor Lachen los und der Bahnbeamte sagte mit freundlichem Gesicht, aber in einem ernsten Tonfall: „Na, dann geh mal durch mit deinem Hund. Ich will heute nicht so sein, denn ich durfte ja dein Heft lesen!“
Hätte ich ein volles Heftchen mit Rabattmarken dabei gehabt – ich hätte es ihm glatt geschenkt!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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