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Folge 4

Viele meiner männlichen jugendlichen Altersgenossen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts waren von pazifistischer Gesinnung – man war gegen Krieg, für Kriegsdienstverweigerung, gegen Drill und militärisches Gebaren. Man verstand sich sozusagen als Peace-Zeichen auf zwei Beinen, gerne auch mit längerem Haar oder einem flaumartigen Bartversuch, der mit dem lumbersexuellen Gestrüpp heutiger Männlichkeitsmodelle nichts gemein hatte.
Kam man zur Zeit der großen Pause an einer damals gerne noch Oberschule (= Gymnasium) genannten Bildungseinrichtung vorbei, konnte man vor dem Schultor Gruppen rauchender Jugendlicher sehen. Etliche von ihnen, meistens männlichen Geschlechts, seltener weibliche Exemplare (zumal sich die Koedukation noch nicht durchgesetzt hatte), trugen ein Kleidungsstück, das auf den ersten Blick zur vorherrschenden pazifistischen Gesinnung nicht zu passen schien: den PARKA. Ob der Wortursprung eher in der Sprache der Inuit oder im Samojedischen lag, das war den Parkaträgern völlig gleichgültig.
In jener Zeit war der Parka bereits fester Bestandteil der Ausrüstung der Bundeswehr – worauf schon sein olivgrüner Grundton hindeutete. Der Pazifist also im Military-Look des Parkas! Erworben damals zumeist in einem dieser Military-Second-Hand-Läden, in denen immer ein Halbdunkel herrschte und einem ein muffiger Geruch entgegenschlug und wo sich ausgemusterte Bekleidungsstücke der Bundeswehr, neben Parkas auch Mäntel, Hemden, Hosen, Unterwäsche und Stiefel, sowie militärisches Kleingerät (Wasserflaschen, Kochgerätschaften), in rohen Regalen bis unter die Decke stapelten. Wer seinen Parka nicht dort, sondern auf dem Amsterdamer Flohmarkt am damaligen Waterlooplein erworben hatte, der konnte sich schon weltläufig nennen. Und die Fortgeschritteneren werteten den Parka mit Buttons auf, die ihre Gesinnung zum Ausdruck brachten, popkulturelle Elemente zeigten oder Unsinnssprüche trugen.
Anders als in England, wo das Tragen von Parkas zur Kultur der Motorroller fahrenden Jugendströmung der Mods gehörte, war hier der Parka ein Teil der allgemeinen Alltagskultur Jugendlicher. Man einverleibte sich mit diesem Stück militärischer Kleidung nicht nur ein Element der (militärischen) Ordnung, die man im Grunde ablehnte, so dass der Parka eigentlich ein vestimentäres Paradox war, sondern trug ihn auch zum Entsetzen der Eltern und aus ganz praktischen Gründen, weil er nämlich ein durchaus alltagstaugliches Kleidungsstück war, wozu die abnehmbare Kapuze, teilweise mit Fellrand, das herausnehmbare Futter, das strapazierfähige Material und die großen Taschen beitrugen.
Mein Parka hat mich eine ganze Weile im Alltag begleitet und mich bei etlichen Demos gewärmt, trat seinen Platz aber irgendwann an eine Prolet-Kult-Lederjacke ab.
Heute gehört wieder ein vom Parka inspiriertes Kleidungsstück zu meiner Herbst- und Winterausstattung – in dezentem Blau und wind- und regenfest, aber atmungsaktiv. Ich bin in die Jahre gekommen, aber der Parka ist noch modern!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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