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Solartechnik ist nicht gleich Solartechnik, wird aber gerne versehentlich in einen gemeinsamen Topf geworfen. Macht nichts. Wir machen den Deckel drauf.

Der Lindenhof in Erle. Mit Kohle beheizte Nachkriegsbauten wurden kurz nach der Jahrtausendwende nach dem Stand der damaligen Technik kernsaniert und energetisch verbessert.

„Die Wärme aus den Solarkollektoren wird über Pufferspeicher zwischengespeichert und dann in das Nahwärmenetz eingespeist. Der durchschnittliche Deckungsbeitrag der Solaranlage zur Warmwasserbereitung beträgt ca. 6%.
7 % der Solargewinne können in das Heizungssystem eingespeist werden. Die durch die ursprüngliche Kohleheizung verursachte CO²-Emission konnte um 80 % reduziert werden.“ (Quelle)

Von Photovoltaik, also Strom aus Sonne, wie von Bernd Matzkowski hier versehentlich angenommen wurde, ist damit keine Rede. Es geht um Solarthermie, also Erwärmung von Wasser, das in unter Glas verlegten, schwarzen Rohren über das Dach gepumpt, von der Sonne – so sie denn scheint – aufgeheizt, und dann in großen Kesseln in den Kellern zwischengespeichert und auf Temperatur gehalten wird. Die Rede ist außerdem von einer nun gut zwei Jahrzehnte alten Anlage, die seit vielen Jahren zumindest teilweise defekt zu sein scheint oder seit einem Jahrzehnt hauptsächlich als Dekoration von Dachflächen dient – die WAZ berichtet dazu hinter ihrer Bezahlmauer. Fachleute, die Anlagen nach diesem Wirkprinzip verkaufen oder bei sich im Haus montiert haben, berichten im vertrauten Gespräch ebenfalls von nicht so früh erwarteten, erheblichen Reparaturkosten, die auch sie überrascht hätten.

„Die Sonne schickt keine Rechnung, obwohl die Erler Adresse bekannt wäre. Vermutlich gibt es kein anständiges Rechnungswesen auf unserem Zentralstern. Bezahlt werden muss trotzdem.“

Ernst Leben, Energieberater

Die Beispielberechnung in der Projektbeschreibung ist eine typische Marketingaussage zum Dauerthema CO2, da eine schon damals vollkommen veraltete Technik, der Kohlenofen und seine CO2-Ausgasung nach Verbrennung, als Bezugspunkt gewählt wurde. 80% weniger CO2!

„Das ist ja ein Hammer! Wer bietet mehr? Da bietet jemand 81%! Zum Ersten, zum Zweiten und zum … – Wie? Kaputt?“

Szene aus einer Onlineversteigerung von Handlungen aus guten Absichten.

Mit derselben Argumentation dürften übrigens keine neuen Holzöfen verkauft und installiert werden, die man am Eingang von Baumärkten in den Weg gestellt hat, um Kunden eine veraltete, dreckige Heiztechnik als aktiven Umwelt- und Klimaschutz zu verkaufen. Diese Art der Wärmeerzeugung emittiert CO2 auf ähnlich hohem Niveau wie Kohle und sorgt zusätzlich für einen romantischen, aber höchst gesundheitsschädlichen, Morgen- und Abend-Smog, den Dieselfahrzeuge seit Jahren nicht mehr hinbekommen.

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„Wächst alles nach, nimmt dabei wieder CO2 auf und ist deshalb CO2-neutral“, erzählen jene, die aus Kostengründen wieder auf ineffektive, gesundheitsschädliche, archaische Heiztechniken umgestiegen sind. Ja, das verbrannte Holz eines Jahres wächst in mehreren Jahrzehnten wieder nach. Bis dahin bleibt das CO2 in der Luft wahrscheinlich ausnahmsweise nicht wirksam, weil es weiß, dass es aus Holz stammt, und der Wald ist an den gerodeten Stellen nicht weg, sondern nur ein wenig flacher und/oder dünner, nicht wahr?

„Milchmädchen und ihre Rechnungen“

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Dass eine Heizungsanlage (welcher Bauart auch immer) 20 Jahre ohne Austausch von Komponenten funktionieren könnte, ist eine Fehleinschätzung. 7-8 % des Anschaffungspreises (inklusive Montage) ab dem 3. Betriebsjahr jedes Jahr für den Fall der Fälle zurückzulegen, kann darum nicht schaden. Und nach 20 Jahren ist ein Heizungssystem ein Youngtimer, der nur mit einem Schuss Idealismus weiter in Betrieb gehalten werden kann. Die Ersatzteile gehen langsam zu Neige. Die meisten Pumpen im Heizungssystem sind nur noch entfernt mit ihren Vorgängern verwandt. Die Isolierungen lösen sich auf. Ventile gehen fest. Von der Heizungsregelung wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen.

„Sie können alles regeln, nur nicht die Heizung meiner Schwiegermutter. Die bringt mich regelmäßig zur Verzweiflung. Also die Heizung. Und, ja auch die Schwiegermutter. Aber nicht nur wegen ihrer Heizung.“

Prof. Orlowski zu seinem Auditorium in der Vorlesung „Regeltechnik für Runaways“

Der angefragte Kostenvoranschlag für ein neues Wärmegewinnungssystem sorgt beim Anblick der Gesamtsumme für eine Kurzzeitbehandlung in der Notaufnahme des Bergmannsheil.

„Alles hat seinen Preis. Der Mond und die Heizung. Beide spielen in derselben Liga.“

James Rakete, Astronaut und Hobby-Rohrverleger

Wer richtig Spaß am Stromsparen hat, der schaltet im Frühsommer alle Heizungspumpen aus. Die Freude hält nicht lang, denn er kann sich im Herbst eine neue Pumpe einbauen lassen, da moderne Pumpen zwar sehr viel weniger Strom als ihre Urahnen benötigen, im Gegensatz zu diesen aber nicht wieder flott gemacht werden können, sollte die Korrosion im Sommerstillstand zugeschlagen haben.

„Wer rastet, der rostet, das gilt auch für das Innere von Wasserpumpen.“

Merksatz für Heizungsbauer im ersten Ausbildungsjahr

Wo früher ein kleiner Hammerschlag im Spätherbst für Gängigkeit sorgte, da gibt es heute keine Ansatzpunkte mehr für solche Reparaturversuche. Moderne Pumpen haben aber eine computergesteuerte Regelung, können individuell zusammengebastelte Kennlinien fahren, besitzen ein trendiges Design und ein wirklich schickes Display, auf dem der momentane sowie der Gesamtstrombedarf seit Einbau angezeigt werden. Solche Niedrigenergiepumpen würden auch Kaffee zubereiten können, wenn sie noch eine Entlüftungsöffnung hätten, durch die die braune Brühe abgelassen werden könnte. All diese Features kosten natürlich, gehören zum neuen Energie-Standard und müssen auf jeden Fall mitbezahlt werden, da es kein Zurück zu minimalistischen Bauformen gibt. Der nach dem Einbau einer Stromsparheizungspumpe gesparte Euro-Betrag auf der Stromrechnung kann in ungünstigen Fällen alle paar Jahre an einen Dortmunder Pumpenhersteller weitergeleitet werden.

„Wilo dreht frei und sagt Danke!“

Ein Volksschauspiel in 10 Akten

Kaum eine „moderne“ Heizung erreicht den Oldtimerstatus, funktioniert also nach 30 Jahren noch zuverlässig. In ihrem Leben gab es bei regelmäßiger Wartung, die nur in Ausnahmefällen vom Heizungsbauer Ihres Vertrauens aus purer Nächstenliebe kostenlos durchgeführt wurde, auch Nachrüstaktionen der Hersteller. Dieses Teil muss raus und jenes Ding muss rein, sonst wird ein neuer gesetzlicher Grenzwert gerissen. Wer Spaß an solchen Sachen hat, freut sich über den behördlich vorgeschriebenen Papierkram im Heizungsbauerhandwerk. Für kindlich gebliebene Monteure gibt es alle paar Jahre neue Bögen mit bunten Abziehbildern zum Aufkleben an allen denkbaren Stellen des Gesamtsystems, die die aktualisierte Energieeffizienzeinstufungen anzeigen sollen, falls jemand vom Amt (also der Schornsteinfeger im Auftrag der Staatsmacht) Verordnungen mit der Realität abgleichen will. Wohin man in diesem Umfeld schaut: Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften – bei denen Schornsteinfeger und Heizungsbauer eher selten spontan derselben Meinung sind, was die Interpretation und deren Umsetzung angeht.

„Streit im Heizungskeller – Können Verrohrer und Kaminfeger Freunde sein?“

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Im Erler Lindenhof hat die Idee der Solarthermie als Nahwärmeverbund nach wenigen Jahren des Betriebs letztlich aus Kostengründen nicht überzeugen können. Die Reparatur des Systems scheint so große Neuinvestitionen zu verursachen, dass man die entstehenden Kosten den Mietern nicht zumuten kann. Ein gutes Beispiel dafür, dass Energiesparen und CO2-Vermeidung nur dann dauerhaft gelingen, wenn die Mehrkosten möglichst gering und für alle bezahlbar bleiben. Es macht also Sinn, dort CO2 zu vermeiden, wo es besonders günstig ist, dies zu erreichen. Womit wir bei den heimischen Globalisten sind, die nicht maximale, weltweite CO2-Vermeidung anstreben, sondern das meiste CO2 zunächst sehr teuer im eigenen Land vermeiden wollen. Anstatt den globalen Aspekt des CO2 zu beachten und da zu investieren, wo die Mittel am effektivsten wirken können, droht bei uns der vorzeitige Abriss von technisch voll funktionsfähigen Heizungen. Dabei ist es dem Klima vollkommen egal, wo auf der Welt eine Tonne CO2 nicht entsteht.

„Je weniger die Vermeidung einer Tonne CO2 kostet, desto mehr CO2 kann insgesamt vermieden werden.“

Merksatz aus: „Klimarechnen für Grundschüler“

Aus dieser Perspektive betrachtet machen die gerne als viel zu teuer dargestellten eFuels richtig Sinn. Die Herstellung ist nämlich nur bei uns sehr teuer, weil der Prozess Strom benötigt. Wenn eFuels aber – durch Wandlung von Sonnenenergie zu Strom und Entzug von CO2 aus der Atmosphäre – in sehr sonnenreichen Gegenden produziert würden, könnten Sie mittels der dort bereits vorhandenen Öl-Transport-Infrastruktur nach Europa gelangen. Bei uns müsste man weder alles, was jetzt mit einem Verbrennungsmotor läuft, hektisch auf Strombetrieb umstellen, noch gigantische Mengen an weiterem CO2 zusätzlich emittieren, weil der Umbau aller Stromerzeugungs-, Heizungs-, Transport- und Produktionssysteme derzeit nur mit Energie aus fossilen Brennstoffen zu bewerkstelligen ist. Um die Infrastrukturmaßnahmen bei uns durchzuführen, sind gigantische Materialschlachten im Gange und Ressourcen werden geradezu verballert.

Ein armes Waisenmädchen, das außer einem Stück Brot nichts besitzt, geht in die Welt hinaus. Unterwegs verschenkt es sein Brot, dann seine Mütze, sein Leibchen, sein Röckchen und schließlich auch sein Hemdchen an andere Bedürftige. Da fallen die Sterne als Silbertaler vom Nachthimmel, und es hat ein neues, feines Leinenhemdchen an, in das es sie aufsammelt. Dadurch ist es reich bis zum Lebensende.

Kurzusammenfassung des Märchens „Die Sterntaler“ aus der Sammlung der Gebrüder Grimm

Illustration zu „Die Sterntaler“ von Heinrich Vogeler, 1907, Gemeinfrei über wikipedia.org

„Wie in dem Märchen werden wir alles aufgeben, was noch nutzbar wäre? Wenn wir alle im letzten Hemd dastehen, wird es zur Belohnung Sterntaler regnen, sagen Sie? – Na klar, haben wir ja schon alle erlebt. Wie wahrscheinlich ist das denn?“

Gespräch unter Wartenden in der Schlange an der Supermarktkasse

Nun ja. Das Narrativ der eFuels als Propaganda einer „Verbrenner-Lobby“ hat sich vermutlich schon so sehr in den Köpfen festgesetzt, dass nur bei Um-die-Ecke-Denkern noch Nachdenken einsetzen könnte, aber es ist anzuzweifeln, dass plötzlich alle Leute in diesem Land Lust auf Schach spielen bekommen.

Hütchenspieler würden dagegen im Fall des Lindenhofs zur Vermeidung eines Klima-GAUs die Enteignung der Wohnungsbaugesellschaft, die Vergesellschaftung des Lindenhofs und die sofortige Reparatur der dortigen Heiztechnik durch Steuergelder vorschlagen. Weil, wegen der Vorbildfunktion, der drohenden Klimakatastrophe und wegen (hier beliebiges Anliegen einfügen) oder etwa nicht?

Mag alles sein. Nur: Welche der Maßnahmen würde global gesehen tatsächlich CO2 reduzieren?

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Bernd Matzkowski

Danke für deine Mängelkorrektur in der Sache „Solarsiedlung“. Ich habe den entsprechenden Absatz als Korrekturhinweis unter meinen Beitrag gesetzt!

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