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Es ist gerade einmal rund zwei Wochen her, da strömten 200 Grüne aus ganz NRW in das Atrium der Evangelischen Gesamtschule in Bismarck, um den „Vielfaltkongress“ der Partei dort abzuhalten. Der Knallerbegriff der Veranstaltung war „Superdiversität“, also die Diversifizierung der Diversität. Und Ministerin Josefine Paul, GRÜNE Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, stellte die These auf, die „superdiverse Gesellschaft“ sei längst Realität – in NRW und besonders im Ruhrgebiet und, wie Paul meinte, gerade in Gelsenkirchen! Ministerin Paul führte weiter zu der politischen Aufgabe der GRÜNEN aus: „Und unsere Aufgabe ist jetzt, das zu gestalten – zu einem gelingenden Gemeindewesen, zu einer funktionierenden, superdiversen Demokratie“. ***

Und weil das so ist, war Gelsenkirchen auch der richtige Versammlungsort, denn wenn eine Gemeinde in NRW superdivers ist, dann ist es, wie Ministerin Paul gesagt hat, mit Sicherheit diese Stadt. Denn hier sieht man täglich an jeder Ecke, wie sich das diverse Gelsenkirchen noch weiter diversifiziert. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: In Gelsenkirchen herrscht eine Mega-Turbo-XXL-Superdiversität! Wie wird das in der Stadt deutlich?

Wenn man etwa auf die Gruppe derjenigen schaut, die Laden- und Taschendiebstähle begehen, mit Drogen handeln, mit Waffen durch den Bahnhof laufen oder die Innenstadt als Bettelnde beleben: Da sieht man Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft – von Südost-Europa über die Balkanstaaten bis zum Maghreb und der Sub-Sahara. Bei den Bettelnden weiblichen Geschlechts begegnen dem in der Stadt Bummelnden junge Frauen, selbst noch halbe Kinder, aber schon mit Kind im Arm, und alte Frauen, denen das Leben mit groben Kohlestrichen die Jahre ins Gesicht gezeichnet hat. Frauen oder Mädchen, dunkel gekleidet oder auch in bunten Röcken wie aus einem Märchenfilm. Hier treffen junge Männer in überweiten Sporthosen und Nylonjacken mit fetten Schriftzügen und der verkehrt herum aufgesetzten Basecap auf osteuropäische Mini-Bodybuilder in vestimentärer Extra-Klasse aus der neusten AWO-Container-Kollektion und auf alte weiße Männer mit nikotin-gelb-braun gefärbten Zähnen und einem Körpergeruch, der an eine Mischung aus U-Bahn-Schacht und Pissrinne erinnert.

Diverser geht es halt es nicht!

Aber dennoch: Es gibt auch in dieser Stadt Wohnende, die einfach nicht divers werden wollen, die sich standhaft weigern, die sozusagen fast einen monolithischen Block der Nicht-Diversität bilden!

Das kann man unter anderem dem WAZ-Familien-Check entnehmen, den die Zeitung dieser Tage veröffentlich hat.**** Da geht es um Fragen im Zusammenhang mit (geringem) Einkommen, Teuerung, Verbrauchsgewohnheiten, Teilhabe an der Gesellschaft, Freizeitaktivitäten und Urlaub. Ein Teilergebnis hat gezeigt, dass 70 Prozent der befragten Familien mit geringem Einkommen „vor allem beim Urlaub sowie bei Restaurantbesuchen und Kneipenbesuchen“ sparen. Bei Freizeitaktivitäten müssen sich im Ruhrgebiet etwa 50% der Befragten einschränken – und, jetzt kommen wir zum superdiversen Gelsenkirchen – in der Stadt an der Emscher sogar 57,5%.

Aber diese Einschränkungen müssen doch nicht sein: Man kann sich doch auch als einkommensschwache (um den Begriff „ arm“ zu vermeiden) Familie mal freizeitmäßig diversifizieren und etwa einen kleinen Streifzug durch die Geschäfte der Innenstadt machen und das eine oder andere einfach mal so mitnehmen, wie es andere auch machen. Und schon ist ein Nachmittag spannend vorbeigegangen! Warum nicht mal mit den Kindern abends zum Bahnhof gehen – da ist ständig was los! Es muss doch nicht immer ein teurer Ferienpark sein, wenn es um die Freizeit- und Feriengestaltung geht! Oder, für die älteren Familienmitglieder, einfach mal Bundespolizei-Bingo spielen! Mit einem Küchenmesser bewaffnet im Bahnhof spazieren gehen und schauen, ob man auffällt bei den Uniformierten! Das ist doch kostenlose Spannung pur! Das kostet nichts und funktioniert auch bei Einkommensschwachen! Denn: Möglichkeiten, sich von anderen zu unterschieden, gibt es viele!

Aber eines wollen wir nicht vergessen:

Angesichts der Familien-Check-Zahlen, die den harten Alltag vieler Familien und Jugendlichen nur annähernd spiegeln können, auf der einen Seite und der Bauchnabel-Euphorie des Diversitäts-Geschwätzes auf der anderen Seite, kann man die Frage stellen, was denn die Ministerin mit den vielen Aufgabenbereichen, zu denen auch „Familie“ und „Jugend“ gehören, über das wirkliche Leben der Mehrheit der Menschen in Gelsenkirchen weiß, wenn sie „Superdiversität“ ausgerechnet in dieser Stadt zu finden meint. Und man kann natürlich auch die Frage stellen, was sie in ihrem Fachbereich denn tut, um den Menschen mehr Teilhabe in der „superdiversen Demokratie“ zu ermöglichen. Der WAZ hat sie auf Nachfrage zwei Hinweise gegeben: Das Land fördere die Möglichkeit der „Erholung in Familienferienstätten“ und fördere zugleich „Beratungsangebote für Familien“.

Da stelle ich mir vor, wie ein superdiverser Beratender einer Familie hilft, Discounter-Apps aufs Handy zu laden, weil man dann immer sehen kann, wo der Gouda gerade im Sonderangebot besonders günstig ist. Und wenn dann mal das Sonderangebot für Gouda im XXXL-Format aufploppt, dann heißt es aber: Los, jetzt, los, bevor die Grabbelkiste leergekauft ist von denen, die mal wieder schneller waren. Oder, in Verse von “Pink Floyd” gefasst :

“Run, rabbit, run
Dig that hole, forget the sun
When, at last, the work is done
Don’t sit down, it’s time to dig another one”
. *****

***Siehe :https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/article241750082/Warum-Gruene-aus-ganz-NRW-nach-Gelsenkirchen-Bismarck-stroemen.html

Der Begriff wurde erstmals 2007 vom US-amerikanischen Soziologen Steven Vertovec verwendet.[1] Er wies damit darauf hin, dass moderne Gesellschaften wie die Großbritanniens um ein Vielfaches diverser seien, als sie es jemals zuvor waren.[2] Der klassische Diversitäts-Begriff wurde ihm zufolge in der interkulturellen Forschung, vor allem in der Integrationsforschung, entlang der Dimension Ethnizität betrachtet.[1][3] Der Begriff Superdiversität soll den klassischen Diversitätsbegriff dahingehend erweitern, dass sich die Gesellschaft nicht mehr in homogene Gruppen aufteilt, sondern diese Gruppen auch in sich divers sind („diversification of diversity“) „(Quelle: WIKIPEDIA)

**** https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/article241846094/Alles-teurer-Fast-jede-dritte-Familie-muss-an-Essen-sparen.html

***** https://www.youtube.com/watch?v=Vddl9TK5RqU (Pink Floyd, Breathe/Dark Side Of The Moon)

Zu den “Familienferienstätten” siehe hier: https://familienportal.nrw/10-bis-16-jahre/freizeit/urlaub-der-familienferienstaette

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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2 Kommentare
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Ro.Bien.

Super…super…divers…super…
https://www.youtube.com/watch?v=hJ6qdQtnGPs

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Pet.Teut.

Grüne Märchenstunden während die Angst vor einer Ausweitung des ukrainisch-europäisch-globalen Konflikts schlimmer wird…

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