5
(1)

Fußball wird am Samstag auch noch gespielt! Rund 42 Stunden vor dem Anpfiff!

Analyse einer Vereinshymne: Blau und weiß – wie lieb ich dich

Eines ist klar: den Text von BLAU UND WEISS setze ich als bekannt voraus. Und wenn ich hier heute die Vereinshymne des S04 vorstelle, so ist noch etwas klar: Es handelt sich bei diesem Lied um das einzige Vereinslied, das ästhetischen, kulturellen, soziologischen und geschichtlichen Gehalt hat. Ich möchte mich mit diesem Text nun in Form von Thesen auseinandersetzen, die schwerpunktmäßig bestimmten Aspekten nachgehen.

These 1: Dieses Lied versteht sich als Kunst im Allgemeinen und als Kunstwerk im Sinne von Beuys im Besonderen.

Blau und Weiß ist schon allein deshalb das Prrodukt einer kunstvollen Ästhetik, weil es auf den in solchen Vereinsliedern üblichen Refrain völlig verzichtet. Jede einzelne Strophe steht für sich, bildet aber zugleich einen Kontext mit den anderen. Dies wird dadurch erreicht, dass in den einzelnen Strophen jeweils andere Segmente der Bevölkerung angesprochen oder soziokulturelle Dimensionen thematisiert werden. Das Lied verfolgt somit eine diskursive Strategie der Ästhetik des Alltäglichen, das kritisch hinterfragt und zugleich überhöht wird.

These 2: Die erste Strophe wendet sich an Rentner und Kranke.

Blau und weiß ist ja der Himmel nur,
blau und weiß ist unsere Fußballgarnitur.

Das Wort Garnitur bzw. seine Verwendung im fußballerischen Zusammenhang muss als ungewöhnlich erscheinen, wäre doch mit einem Wort wie Trikot oder Dress zu rechnen. Der Begriff „Garnitur“ weckt Assoziationen an Unterwäsche, wie sie eher von älteren und kranken Menschen verwendet wird.

Da tauchen Konnotationen wie Rheuma, Gicht und Medima* auf. Der Begriff Garnitur signalisiert: Alte, Kranke und Sieche sind in der Vereinsfamilie aufgehoben. Nicht ohne Grund heißt es deshalb in einem anderen, in der Arena gerne gesungenen Lied: Ob ich verroste und verkalke – ich gehe immer noch auf Schalke. Nur nebenbei: Der blau-weiße Himmel zeigt, dass der Umweltschutz- und Ökologiegedanke bei den Menschen im Revier schon immer fester Bestandteil ihrer Weltanschauung war.

These 3: Die zweite Strophe spricht Royalisten und Menschen mit Taliban-Gesinnung an.

Hätten wir ein Königreich
Machten wirs den Schalkern gleich

Alle Mädchen, die so jung und schön

Müssten immer blau und weiß spazieren gehn.

Das kollektive Wir, das hier spricht, träumt von der Wiedererrichtung der Monarchie – allerdings einer Monarchie, deren Überbau deutliche Anleihen bei den Taliban erkennen lässt. Frauen müssten in diesem Königreich spazieren gehen – arbeiten oder studieren dürfen sie nicht. Zudem sind sie zum Tragen ausschließlich blau­ und weißer Kleidung verpflichtet. Was den Taliban als Kleidungsstück für die Frau die Burkha (Burka) ist, ist dem Schalker Kollektiv die blau-weiße Garnitur, Kluft oder Voll-Kutte.

These 4: Das Lied wendet sich an Multikulti-Intellektuelle mit Lust am dadaistischen Sprachspiel.

Mohammed war ein Prophet
Der vom Fußballspielen nichts versteht

Doch aus all der schönen Farbenpracht

Hat er sich das Blau- und Weiße ausgedacht.

Das ist einerseits DADA pur, das ist intellektueller Nonsens auf höchstem Niveau. Hier springt man durch die grammatischen Zeiten: Präsens, Präteritum und Perfekt sind in den vier Zeilen vertreten.
Der vormalige Papst, als Oberhaupt des Katholizismus, war Vereinsmitglied; Mohammed aber wird die Schalker Farbenlehre zugesprochen. Dies muss als eine Verbeugung vor unseren Mitbürgern islamischen Glaubens verstanden werden – ein Zeugnis der Toleranz und des Willens zum friedlichen Miteinander, wie es mir aus keiner anderen Vereinshymne bekannt ist. Sieht man diese Strophe im Zusammenhang mit der ersten (Stichwort: Fußballgarnitur), so wird klar: In diesem Lied werden Mekka und Medima verbunden!

These 5: Das Lied ist Ausdruck der Verbundenheit mit der Heimat und den Stehplatz-Zuschauern.

Wenn es in der letzten Strophe heißt, dass tausend Feuer in der Nacht leuchten, so wird auf die Vergangenheit der Stadt der 1000 Feuer angespielt. Wenn es heißt, dass tausend Freunde zusammen stehen, so sind wir in der Gegenwart, denn es wird klar: Beim Fußball gilt: Sitzen ist was fürn Arsch. Der echte Fan steht. Der echte Fan lümmelt sich nicht in Logen herum, für ihn ist Fußball kein Event, sondern Lebensmittel, Gottesdienst und Mittelpunkt der Existenz. Damit geht „Blau und weiß“ weit über den Rahmen üblicher Vereinslieder hinaus, die zumeist nichts anderes machen, als Lobhudeleien der billigsten Art auszuschütten. Dieses Lied greift grundsätzliche Fragen des menschlichen Daseins auf, es weist uns einen Weg durch die Wirrnisse des Lebens und ist uns Richtschnur für unsere Existenz, es ist Heilmittel, Verheißung und Verpflichtung zu gleich! Deshalb rufe ich Euch zu:

Gehet hin und jubelt, werft die Gegner in den Staub und wandelt weiterhin auf dem blau-weißen Pfad der Wahrhaftigkeit!

*Medima: Wäsche- bzw. Unterwäschemarke aus Naturmaterialien, wärmend

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments