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Heute mit: KI, natürlicher Dummheit und echter Demokratie

 Die These „Künstliche Intelligenz ist immer noch besser als natürliche Dummheit“ ist ein schönes Wortspiel, ein Gag – mehr nicht. Oder vielleicht doch, wenn man die beiden Begrifflichkeiten als zwei Eckpunkte der Bildungssituation sieht. Dann ergibt sich auf der einen Seite eine Debatte über Chancen und Gefahren der KI, auf der anderen Seite kommt man in das trübe Gewässer einer ehemaligen Bildungsnation, die den Anschluss an die Länder, die in internationalen Untersuchungen zum Bildungsstand führend sind, längst verloren hat. Was die Seite der Misere angeht, ist nun ein Bund-Länder-Programm aufgelegt worden, das für 4000 “Brennpunktschulen“ im nächsten Jahrzehnt 20 Milliarden Euro bereitstellen soll, um die Situation an diesen Schulen zu verbessern. Man kann dieses „Startchancen-Programm“ durchaus loben, auch wenn man sagen muss, dass der Betrag – auf zehn Jahre gerechnet und auf 4000 Schulen verteilt – bestenfalls die größte Not lindern wird. Zumal davon auszugehen ist, dass die Zahl der „Brennpunktschulen“ zunehmen wird, was der demographischen Entwicklung und speziell der Zusammensetzung der Schülerschaft geschuldet ist.

„Brennpunktschulen“ sind durchweg Schulen, in denen Armut (in all ihren Erscheinungsformen) und ein hoher bis sehr Anteil von Migrantenkindern in eins fallen. Wenn, wie jetzt gemeldet, davon auszugehen ist, dass in Gelsenkirchen 400 Grundschulkinder des laufenden Jahrgangs bereits das erste Schuljahr wiederholen müssen, bekommt man in etwa eine Ahnung davon, was das für den Übergang in die weiterführenden Schulen bedeutet. Im Grunde müsste man einen ebenso hohen Betrag (oder mehr) wie den für die „Brennpunktschulen“   in die Kindertagestätten und die Vorschulerziehung investieren, damit die Kinder fit gemacht werden können für den Eintritt in die Grundschule, so dass zumindest ein halbwegs sicheres Fundament in der Beherrschung der deutschen Sprache (im mündlichen Sprachgebrauch) besteht, wenn die Kinder eine Grundschule betreten.

Auf der anderen Seite der Ruf aus Schulen (und teilweise auch Hochschulen), die KI versetze Schülerinnen und Schüler (und auch Studierende) in die Lage, mit Hilfe der entsprechenden Programme Referate und Hausarbeiten ohne jegliche eigene Kenntnis zusammenzustoppeln. Jürgen Kaube schreibt zu dieser Problematik in der FAZ u.a.: „Also muss stärker mündlich geprüft werden. Schon in der Vergangenheit wurden manche verlegen, sobald im Gespräch nach dem gefragt wurde, was sie in ihrer Seminararbeit oder Dissertation von sich gegeben hatten.“  („Der Algorithmus und die Bildung, 3.2.2024) Kaube kommt zu dem Ergebnis, dass ein Dialog über die in schulischer oder universitärer Hausarbeit entwickelten Ergebnisse fruchtbarer sei als die Reduzierung auf ein Referat oder eine rein schriftliche Ausarbeitung. Ohne dass diese Thematik von Kaube angesprochen wird, müsste aus seinen Überlegungen (die ich teile!) aber auch eine Konsequenz für das Unterrichten selbst gezogen werden: eine Hausarbeit im Dialog zu „verteidigen“, kann man nur erwarten, wenn Dialoge vorher eingeübt worden sind, was bedeuten könnte, dass das verpönte fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch eine Renaissance erlebt. Das ist nicht gleichzusetzen mit rigidem „Frontalunterricht“, sondern meint die im Gespräch zwischen Lehrenden und Lernenden dialogische Entwicklung von Antworten auf gefundene Fragestellungen. Dies würde auch bedeuten, dass der Lehrende wieder mehr ist als ein Lernbegleiter, der Material zur Verfügung stellt, das die „Selbstlernenden“ dann bearbeiten (polemisch: Unterstreiche im Text das Wort Kartoffel und diskutiere mit deinem Nachbarn darüber!). Millionenbeträge für „Brennpunktschulen“ sind gut, aber die Bekämpfung des Flächenbrandes einer immer geringer werdenden allgemeinen Bildung wäre mindestens ebenso wichtig – wenn nicht wichtiger!

In den oft feurigen Debatten der letzten Woche(n) und auf den vielen Demonstrationen ging es immer wieder um die Verteidigung der „Demokratie“ gegen RECHTS. Was demokratisch, autoritär, rechts oder links ist, ist jedoch nicht immer ganz einfach festzustellen. Die Gründung der Wagenknecht-Gruppe und der damit einhergehende Verlust des Fraktionsstatus für die LINKE hat dazu geführt, dass statt einer Fraktion (DIE LINKE) nun zwei anerkannte „Gruppen“ (Status) im Bundestag sitzen: die Gruppe der ehemaligen Fraktion „Die Linke“ und die „Wagenknecht-Gruppe“. Das führte zur Fragestellung, welche Rechte diese Gruppen im Bundestag haben sollen, die ansonsten nur Fraktionen zugestanden werden. Das bezieht sich auf Fragestunden, Redezeiten, das Recht „Große“ und „Kleine“ Anfragen zu stellen u.a. Mit der Mehrheit der Ampelfraktionen sind nun in diesem Bereich, der nicht gesetzlich oder geschäftsordnungsmäßig eindeutig festgezurrt ist (anders als etwa die Regelungen für Geldzuwendungen für Abgeordnete), die Möglichkeiten und Rechte der beiden Gruppen eingeschränkt worden. Die beiden Gruppen dürfen – anders als Gruppen mit Fraktionsstatus – jetzt nur noch (pro Gruppe) zehn solcher Anfragen pro Monat stellen, was von der LINKEN als Einschränkung ihrer demokratischen Rechte kritisiert worden ist. Irene Mihalic (GRÜNE) verteidigte das Vorgehen der drei Ampelfraktionen hinsichtlich der Einschränkung der Fragerechte für die beiden „neuen“ Gruppen mit dem eher herablassenden Rat: „Werden Sie kreativ, dann bekommen Sie jede Information, die sie benötigen und in der Vergangenheit bekommen haben.“

Nun ist Kreativität sicherlich eine gute Eigenschaft oder Vorgehensweise beim Stricken von Pullovern oder beim Malen nach Zahlen, hier geht es aber um parlamentarische Kontrollrechte der Opposition, wobei anzumerken ist, dass man den GRÜNEN, als sie nur einen Gruppenstatus hatten, diese Rechte nicht beschnitten hat. Den LINKEN nehme ich die Krokodilstränen allerdings nicht ab. Die haben mit Petra Pau immerhin eine Vizepräsidentin des Bundestages zugesprochen bekommen, ein Amt, das man der weitaus größeren Fraktion der AfD auch mit der Stimme der Linken entgegen den bisherigen Gepflogenheiten des Parlaments, allen Fraktionen einen Vizepräsidenten zuzugestehen, nicht zugestanden hat. Man kann allerdings auch den Standpunkt von CDU und AfD einnehmen, denen die Einräumung von Rechten für die beiden Gruppen, die eben keinen  Fraktionsstatus haben, schon zu weit ging!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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