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„Unheiliger Totenvogel. Der Uhu war in früheren Zeiten nicht sehr beliebt. Gern gesehen wurde die größte bei uns vorkommende Eule früher nicht. Wegen seiner nächtlichen Lebensweise galt der Uhu als Vogel der Unterwelt, als Trauer- und Totenvogel. Sein Erscheinen bedeutete Krieg, Hungersnot, Krankheit und Tod.“***

Ganz so übel ist es mit unserem Bundesuhu aus dem Palais Schaumschlag nicht, als dass man ihn gleich in die Kategorie „Totenvogel“ einordnen müsste. Obwohl seine Reden totlangweilig sind und er sie auch so vorträgt, als wolle er damit gleichzeitig an der Zuhörerschaft und sich selbst Buße durch öffentliches verbales Flagellantentum tun. Ich kenne Zeitgenossen, die behaupten, Steinmeiers Reden seien etwa so lebendig wie eingeschlafene Füße. Ich halte das für ungerecht – vor allem gegenüber eingeschlafenen Füßen. Eingeschlafene Füße kribbeln immerhin intensiv, regen einen an, etwas zu tun (zu fluchen oder sich zu kratzen oder die Füße zu massieren). Bei Steinmeier tut sich doch nichts dergleichen, man verfällt in eine Art geistigen Scheintod, also in einen Zustand der Vita minima oder Vita reducta, den man im Englischen „apparent death“ nennt.

Übrigens soll es erste Studien geben, die bei Menschen mit einer chronischen arteriellen Hypertonie eine Senkung des Blutdrucks bei täglichem Hören von Steinmeier-Reden (mindestens drei pro Tag) nachgewiesen haben. Ein Beispiel für seine Kunst der salbungsvollen sprachlichen Ödnis war seine Weihnachtsansprache, wobei es lediglich ein bösartiges Gerücht ist, dass Steinmeiers Rede von ChatGPT geschrieben worden sei und Josef und Maria vor gut 2000 Jahren bereits vor einer im damaligen Radio übertragenen Rede von Steinmeier geflüchtet seien.

Nicht alle Abschnitte der Rede sollen und können hier behandelt werden. Aber wir können uns – immerhin ist es eine Weihnachtsansprache – zunächst einmal die Passage zum gegenwärtigen Konflikt im Heimatland von Jesus, Maria und Josef anschauen. Steinmeier sagt:

„In diesem Jahr hat sich die Welt in der Tat von ihrer dunklen Seite gezeigt. Wir haben Bilder von Leid und Zerstörung gesehen, Bilder von Hass und Gewalt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht nun schon in den zweiten Winter. Und seit Herbst sehen wir mit Entsetzen die Gräueltaten der Hamas und die Opfer des Krieges im Nahen Osten.“

 Den Begriff „dunkle Seite“, den Steinmeiers Redenschreiber aus dem Star-Wars-Universum (dunkle Seite der Macht) oder bei Pink Floyd entlehnt haben (DARK SIDE OF THE MOON), erklärt nichts, aber versteinmeiert alles. Die Welt hat keine dunkle Seite! Was wir erlebt haben in 2023 und noch erleben, sind die Auswirkungen von Konflikten, nicht aber das Wirken dunkler Mächte. Es sind regionale Konflikte, Stellvertreterkriege, Konflikte um die Vorherrschaft in einer Region oder auf einem Kontinent oder sogar Konflikte um die weltweite Vormachtstellung. Es sind Konflikte, die religiös verkleidet sind oder bei denen eine Seite behauptet, für eine bestimmtes übergeordnetes Ziel einzutreten (Putins Lüge, die Ukraine entnazifizieren zu wollen), bei denen es aber letztlich immer um Einfluss, um Macht, um Geschäfte (Rohstoffe, Handel etc.), um geostrategische Vorteile geht. Es geht nicht um finstere Mächte oder gar Teufelswerk, sondern um Interessen und Absichten, die man klar benennen kann, auch wenn sie von den Beteiligten gerne propagandistisch verschleiert und zugleich überhöht werden.

Bezeichnend für Steinmeiers Ausweichen ins Ungefähre sind seine Ausführung zu Israel bzw. dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Steinmeier nennt in Bezug auf den Ukraine-Krieg einen Aggressor, in Bezug auf Israel spricht er zwar von Gräueltaten der Hamas, dann aber – recht allgemein – vom „Krieg im Nahen Osten“. Es geht aber nicht allgemein um einen „Krieg im Nahen Osten“, sondern um einen Verteidigungskrieg Israels, das von der Hamas militärisch (Raketenangriffe) attackiert wurde und um seine Existenz kämpfen muss gegen einen Gegner, der Israel das Existenzrecht abspricht und die Kriegshandlung mit Mordtaten an Zivilisten, mit Schändungen und Geiselnahmen begonnen hat. Steinmeiert „verdunkelt“ hier, was klar zu benennen ist. Ja, er nennt nicht einmal Israel als Staat, geschweige denn, dass er hier von der Auslöschung von Juden spricht.

Gerade angesichts der „Jubelfeiern“ auf unseren Straßen nach dem Überfall der Hamas auf Israel und die hier aufgekommene Hetze gegen Juden, ist Steinmeiers Redepassage peinlich, ja nahezu demagogisch! Dass Steinmeier in Bezug auf Deutschland Ross und Reiter nicht nennt, nämlich einen Antisemitismus, der sich bei Anhängern des Islam ebenso findet wie im links-intellektuellen, im grünen und im woken Milieu, der dabei dem klassischen „braunen“ Antisemitismus von spätgeborenen Anhängern des NS-Regimes in nichts nachsteht, ist Teil einer politischen „Vermeidungsstrategie “ des Konkreten.

Diese „Strategie“ Steinmeiers begegnet uns auch bei seinem Blick nach „Innen“:

Ja, es ist berechtigt, von den politisch Verantwortlichen zu erwarten, dass sie um den richtigen Weg ringen, aber auch, dass sie Antworten geben, die uns als Land weiterhelfen. Sie als Bürgerinnen und Bürger dürfen erwarten, dass Demokraten zusammenarbeiten, wo es um das gemeinsame Ganze geht.“

Ist das nicht wunderbar, dass Steinmeier uns, also dem im Grundgesetz genannten Souverän (Art. 20/2: Alle Staatsmacht geht vom Volke aus“), zugesteht, dass wir „berechtigt“ sind, von den „politisch Verantwortlichen“ etwas zu „erwarten“? Und dass er in einem weiteren Satz zugesteht, dass wir etwas erwarten „dürfen“! Da hat er ganz vergessen zu betonen, dass wir auch berechtigt sind zu atmen, zu essen, zu verdauen und – nach dem Anhören seiner Rede – uns geistig (oder körperlich) zu übergeben!

Welche Erwartungen sind denn nach Steinmeiers politischen Weisheiten berechtigt? Wir dürfen erwarten, dass die „politisch Verantwortlichen“

a) um den richtigen Weg ringen

b) Antworten geben, die „uns als Land“ weiterhelfen

c)als Demokraten zusammenarbeiten, wo es um das „gemeinsame Ganze“ geht.

Da hat uns der Bundesuhu aber einen ganzen Strauß von Plattitüden ohne jeden konkreten Wirklichkeitsbezug zusammengebunden! Schon allein für die abgestandene und ausgelutschte Wege-Metaphorik hat Steinmeier ein „mangelhaft“ unter seinem Besinnungsaufsatz (oder eher: Gesinnungsaufsatz) verdient. Und: Wohin führt eigentlich dieser „richtige Weg“? Über sieben Brücken und die sieben Berge ins Land der sieben geistigen Zwerge?  Oder ist der Weg das Ziel? Und warum benutzen die „politisch Verantwortlichen“ (also eine völlig anonyme Größe) kein Navigationsgerät, sondern führen stattdessen einen Ringkampf auf? Hilft es „uns als Land“ weiter, wenn wir, wie unsere niederländischen Nachbarn, dem Meer neues Land abringen oder das alte Land durch Deiche schützen? Und was ist schließlich das „gemeinsame Ganze“? Vielleicht ist die Deutsche Bahn das gemeinsame Ganze (Streckennetz) oder die DHL (Deutscher Paket- und Express-Dienst)? Die Deutsche Männer-Nationalmannschaft (Fußball) ist es ja offensichtlich nicht mehr!

Dass sich Steinmeier hinstellt und die größte Vertrauenskrise seit Jahren, die sich in einem dramatischen Niedergang der Zustimmungswerte der gegenwärtigen Regierung ausdrückt und sich auch in Landtagswahlen gezeigt hat, mit einem sprachlichen Brei verklebt, der noch dazu ein recht eigentümliches Bild von Staatsbürgern zeigt, das eher an eine Untertanenmentalität erinnert als an demokratisch bewusste Bürger, ist beschämend – für den Souverän und den obersten Repräsentanten des Landes!

Steinmeier ist noch nicht einmal in der Lage, die gegenwärtige Situation auch nur punktuell zu benennen, etwa durch einen Verweis auf die Haushaltsproblematik, die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie und unser Schulsystem, den Fachkräftemangel, den Pflegenotstand, die Gewalt auf den Straßen oder den zunehmenden Antisemitismus. Kein einziges Problem wird KONKRET angesprochen, alles bleibt in einem Netz wabernden Geraunes gefangen.

Ein Höhepunkt – nein, ein geistiger Tiefpunkt der Rede dieses Präsidenten, der die Ehrenbezeichnung „Goldene Labertasche“ 2023 zurecht trägt, ist folgende Passage über das Gelingen des gemeinsamen Zusammenlebens:

„Dazu gehört, alle im Blick zu behalten, egal wo und wie sie leben: ob in der Stadt oder auf dem Land, ob sie jung sind oder alt, ob sie zugewandert sind oder schon immer hier leben. Weiter kommen wir immer nur gemeinsam, und nicht, wenn jeder sich in seine Lebenswelt zurückzieht.“

Mal abgesehen davon, dass Steinmeier auf eine alte Leerformel von Merkel zurückgreift (die Menschen, die schon länger hier leben) und sich zugleich Anklänge an die Glückskeksformeln aus Werbefilmchen mit Jürgen Klopp für die DVAG einstellen, vermeidet es Steinmeier, eines der großen gegenwärtigen Konfliktthemen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft konkret anzusprechen, indem er versucht, es in einem salbadernden Ton auf die Seite zu schieben. Unfreiwillig komisch ist dabei der Einleitungssatz der Passage, von dem man fast meinen könnte, er sei eine Handlungsanweisung für STASI-Mitarbeiter, die ja auch alle „im Blick behalten sollten“.****

Das große gegenwärtige innenpolitische Thema, die Migrations- Problematik,  wird also nicht konkret benannt, geschweige denn abgearbeitet. Wie die Rede insgesamt sind auch diese Ausführungen eine sprachliche Reise in Ungefähre, ins Unkonkrete. Wer eine Sprach-Reise mit Steinmeier antritt, begibt sich auf eine Fahrt durch eine Nebelwand der Unverbindlichkeit.

Dass uns Steinmeier in einer der letzten Passagen seines sprachlichen Kunstwerks mit dem Hinweis ausstattet „Deutschland ist und bleibt ein gutes Land“, mag uns beruhigen. ***** Gut zu wissen, dass das Land so „gut“ ist wie die berühmte „gute deutsche Butter“.

Aber auch hier gilt: Die einen sagen so, die anderen sagen so!

**********

Der Text der Steinmeier-Rede zum Nachlesen (plus Video) findet sich auf der Seite des ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/steinmeier-weihnachtsansprache-2023-100.html

*** https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/2005-uhu/04671.html

****https://www.youtube.com/watch?v=8ad9dhVCgo0

***** siehe dazu von der Bundesregierung zum Thema „gut leben in Deutschland“:  https://www.gut-leben-in-deutschland.de/index.html#:~:text=Sicherheit%2C%20Mobilität%2C%20Wohnen%20und%20sozialer,die%20„Unser%20Land“%20betreffen.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

 Steinmeier.. Steinmeier… ist das nicht der, der sich kürzlich für die Entspannungspolitik Willy Brandts entschuldigt hat? Oder war es einer von den jungen, wilden SPD Strategen?

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Last edited 4 Monate zuvor by Heinz Niski
Ro.Bien.

Soviele Worte für einen Furz im Wind. Der außer einen kurzfristig fauligen Eierdunst nichts hinterlässt. Da war wohl Druck auf dem Kessel.

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Ro.Bien.

Zur Klarstellung: Der Eierdunst war auf die erwähnte Person bezogen – nicht auf den ihr gewidmeten Text.

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Mi.Rob.

„ch schaue mir keine Nachrichten mehr an.
Wohl keinen Satz habe ich in diesem Jahr so oft gehört wie diesen.
Wo immer ich unterwegs war: Immer wieder haben mir die Menschen von diesem Gefühl erzählt und ihrem Bedürfnis, lieber auszuschalten, als die bedrückende Weltlage jeden Tag aufs Neue an sich heranzulassen.
Liebe Landsleute, ich verstehe, dass es manchmal einfach zu viel wird. Dass man am liebsten vor der Wirklichkeit in Deckung gehen möchte.“
Seeehr witziger Move vom TV zur „Wirklichkeit.
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Det.Kort.

 ich kann die menschen verstehen überall wo du gehst und stehst hörste elend verwahrlosung armut unsw die leute haben den kaffee auf auf deutsch GEsagt

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