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Man schläft sehr gut und träumt auch gut
In unseren Federbetten.
Hier fühlt die deutsche Seele sich frei
Von allen Erdenketten.
(…)
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Briten,
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier üben wir die Hegemonie,
Hier sind wir unzerstückelt;
Die andern Völker haben sich
Auf platter Erde entwickelt. – –

(Heinrich Heine, Deutschland – ein Wintermärchen, Caput VII, gekürzt)

Die Welt hat sich seit Heines Tagen verändert. Neue Akteure sind auf der Bühne der Weltgeschichte erschienen (USA, China, Indien), alte Rivalitäten haben sich aufgelöst, neue sind entstanden. Selbst die bipolare Welt des Kalten Krieges ist Vergangenheit, neue Kämpfe um Macht und Einfluss bestimmen das Geschehen.

Aber eines ist geblieben: Die politische Kaste der Deutschen und hier wiederum die gegenwärtig Regierenden sind Federbetten-Imperatoren. Sie glauben, der Welt vorschreiben zu können, wie sie funktionieren soll. Das geschieht nicht durch das Drohen mit Kanonen und dem Rasseln von Panzerketten, sondern mit einer Hypermoral, die alle anderen zum „richtigen Handeln“ nach deutscher Art motivieren soll. Und in ihren Träumen oder (vielleicht besser) in ihren Köpfen, in denen sie ihre Phantasmagorien für die Realität halten und die Realität für die bösartigen Interpretationen durch andere Menschen, glauben sie, die Welt warte auf die Erlösung durch sie.

Mit der (Nicht-) Anerkennung der Wirklichkeit ist es in etwa so wie mit dem durch das Fernrohr und mathematische Berechnungen erbrachten Beweis Galileis, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Sonnensystems ist, was aber der kirchlichen Lehre seiner Zeit widersprach, weswegen man ihn unter Androhung der Folter dazu zwang, seine Erkenntnisse zu widerrufen. Die katholische Kirche hat mehr als 350 Jahre gebraucht, bis sie eingestanden hat, dass Galileis Auffassungen richtig waren.

Unsere gegenwärtigen Heilsbringer scheinen mir allerdings verstockter zu sein als die Kirchenoberhäupter zur Zeit Galileis. Es gibt nämlich einen weiteren Aspekt. Die heutigen Heilsbringer weigern sich nicht nur, den engen Gedankenraum ihrer eigenen Lehre zu verlassen, sondern sie verleugnen auch den Widerspruch zwischen ihren Verheißungen und den Ergebnissen ihres Handelns. Den wohlfeilen Sprüchen zu den „erneuerbaren Energien“ (Sonne und Wind bekommen wir geschenkt) stehen die wachsenden Energiepreise gegenüber! Der Propaganda vom Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl stehen wachsende Importe dieser Energieträger gegenüber. Den schaumschlägerischen Ankündigungen (im Regierungsprogramm) von 400000 neuen Wohnungen jährlich stehen Wohnungsbauzahlen gegenüber, die weit davon entfernt sind (2023 rund 245000 Wohnungen, 2024 vor. nur noch 210000 und 2025 vor. max. 175 000 Wohnungen, laut ifo-Institut). Dem Einläuten des Endes der Atomkraft steht der weltweite Ausbau dieser Energie gegenüber.

Ausdruck dieser Geisteshaltung und zugleich ihr Transportmittel ist die Sprache, die sich dadurch auszeichnet, dass Fragen grundsätzlich inhaltlich nicht beantwortet, aber mit einem Schwall von Worten zugeschüttet werden, die dem Empfänger der Botschaft suggerieren sollen, man würde ihm antworten. Relativ schlichte Fragen, die mit einem JA oder NEIN beantwortet werden könnten, werden mit einer ellenlangen Texttapete zugekleistert, die eine konkrete Antwort auf die simple Frage vermeidet, aber nach gehaltvoller Beantwortung klingen soll.

Als aktuelles Beispiel können die Beschlüsse der Ampel zum Haushalt dienen. Eine Einnahmeneerhöhung ergibt sich für den Bundeshaushalt durch die beschlossene Erhöhung der CO2-Bepreisung.Die CO2-Abgabe auf Benzin, Gas und Heizöl beträgt zurzeit 30 EURO pro Tonne, ab 2024 soll sie auf 45 EURO pro Tonne steigen (statt, wie bisher geplant, auf 40 EURO). Diese Entscheidung wird Benzin um etwa 4,5 Cent pro Liter teurer machen und die Staatseinnahmen um 1 Milliarde EURO erhöhen. Ein relativ simpler Zusammenhang! Nun möchte man aber dem Wahlvolk nicht eine Verteuerung des Spritpreises verkaufen! Die Begriffe Preiserhöhung, Verteuerung von Gas, Öl und Benzin müssen auf jeden Fall vermieden werden und dürfen nicht der gegenwärtigen Regierung angelastet werden, sondern, wenn überhaupt, einer vorherigen (der letzten GroKo). Es geht nicht um eine Preissteigerung für die Endverbraucher, so soll es lauten, sondern um eine Einnahmesteigerung des Staates. Deshalb sagt Habeck in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner:

Wir werden die Einnahmen des KTF steigern, indem wir auf den CO2-Pfad der GroKo zurückkehren.“

Das reicht aber wohl noch nicht zur Verschleierung einer kommenden Preiserhöhung, weswegen Lindner zum selben Thema noch einen Schwall an Worten hinzufügt:

„In der ganzen Finanzplanperiode werden wir aber unsere Ziele erreichen. Dazu ist es notwendig, dass wir zum 1. Januar des kommenden Jahres auf den Preispfad der Großen Koalition zurückkehren. Wir hatten uns ursprünglich vorgenommen, den CO2-Preis nur um fünf Euro zu erhöhen und wären damit unterhalb des Preispfades der Großen Koalition geblieben. Weil uns diese transformativen Vorhaben aber so wichtig sind, haben wir gesagt: Nein, wir machen jetzt den Preispfad der GroKo, damit wir unsere auch für das Land wichtigen Vorhaben finanzieren können, ohne die Bürgerinnen und Bürger zu überlasten. Denn es ist ja der alte Preispfad, auf den sich unser Land vormals schon hat einstellen können.“

Kurz gesagt: Statt höherer Bepreisung von CO2, was zu einer Erhöhung der Preise für Benzin, Gas und Öl führen wird, geht es lediglich darum, auf den CO2-Pfad der GroKo zurückzukehren, also auf die alten höheren Preise, auf die sich „unser Land“ schon früher hat einstellen können! ***

Ein Schwall von Worten, verbale Ablenkungsmanöver, Beschwichtigungsfloskeln, Verschleierung negativer Tatbestände (Benzin, Öl und Gas werden teurer), letztlich auch redundantes Sprechen, weil Habeck und Lindner sich zum gleichen Thema äußern. Im Grunde eine Verhunzung der Sprache zum Zwecke ihres Missbrauchs, um das „Wahlvolk“ für dumm zu verkaufen.

Als Heinrich Heine aus dem französischen Exil nach Deutschland zurückkehrt, um seine kranke Mutter zu besuchen, schreibt er im Caput I seines „Wintermärchens“ die folgenden wunderbaren Zeilen über die deutsche Sprache:

Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.“

Für den heutigen „Politikersprech“, wie ihn beispielhaft Scholz, Habeck und Linder auf der Pressekonferenz, aus der oben zitiert wurde, praktiziert haben, hätte Heine wohl nur Spott übrig.

Und Verachtung!

***https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressestatements-von-bundeskanzler-scholz-bundesminister-habeck-und-bundesminister-linder-am-13-dezember-2023-in-berlin-2249174

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Auf der einen Seite sedieren und infantilisieren diese Sprachartisten die Gesellschaft (Wumms, Doppelwumms, sehr gute Dies&Das Gesetze, wir lassen keinen zurück & you never walk alone) auf der anderen Seite sind sie diejenigen, die Arm in Arm mit den Medien, die Wegbereiter für Phänomene wie den argentinischen Kettensäge „El Loco La Peluca“ Javier Milei sind, der eine sehr andere Sprache spricht.
Ich verstehe nach wie vor nicht, wie in einer Zeit so großer Umbrüche, keine gesellschaftliche Debatte über unsere Ziele stattfindet. In den Anfängen der BRD wurde debattiert: Westbindung, Montanunion, Wiederbewaffnung, Atomwaffen, Ostpolitik, Friedenspolitik, Atomkraft, Emanzipation usw.)

Wir werden einen Quantensprung im Energiebedarf durch die künstliche Intelligenz erleben, – die deutsche Antwort: Windräder und dreckiger Strom aus dem Ausland.

Wir erweitern ohne Debatte über die sozialen, politischen, ökonomischen, ökologischen, kulturellen Folgen die EU um „failed States“ wie die Ukraine, um Länder, die sich im Krieg befinden, andere, in denen jederzeit Bürgerkriege aufflammen können und holen uns Konflikte ins Land, die wir nicht lösen können.

Wir hocken im Elfenbeinturm beim Glasperlenspiel über fluide Geschlechter und mikro-aggressive Wörter, während sich wenige Kilometer von uns entfernt, Menschen gegenseitig abschlachten und hier ein Prekariat ohne Perspektive wächst, Parallelgesellschaften ohne Bildung, Erziehung, Raum greifen, antidemokratische Denkmuster mehr und mehr die Gesellschaft durchdringen und die Gewaltbereitschaft zur Lösung von Konflikten immer selbstverständlicher wird.

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Last edited 4 Monate zuvor by Heinz Niski
Fra.Bara.

Zu dem Beitrag fällt mir nur ein Doppel-Wums von Beifall ein. Oder schreibt man/frau Wums mit Doppel-M?

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Heinz Niski

Bitte nicht DiversX vergessen! Ich tippe auf ein „M“, da dieses „Wums“ verdächtig wie „Bums“ klingt, dieses Boris Becker Doppel Bum Bum (Bum-Bum-Boris). Damit soll wohl unterschwellig suggeriert werden, dass ein Wums Sieg und Erfolg bedeutet, ein Doppel-Wums wie ein Wimbeldon Sieg ist, mehr kann nicht kommen. In diesem Sinne: wumsen Sie gut durch den Tag.(hmm.. klingt anzüglich, na ja, jetzt steht es da schon…)

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Mi.Rob.

Vielen Dank fürcdie Zusammenfassung.
Nach: dem Wort „erwirtschaften“ im Zitat des Bundeskanzlers: „Im Kernhaushalt für das Jahr 2024 werden wir rund 17 Milliarden Euro erwirtschaften.“ hatte ich ausgeschaltet.

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