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Die Überlegungen zur (wissenschaftlichen) Klärung des Zusammenhangs von Fußball und gesellschaftlicher Entwicklung sind Legion, finden sich in tausenden von Aufsätzen, Artikeln, Facharbeiten und Studien. Der allerdings bisher wohl bekannteste und am häufigsten diskutierte Ansatz ist immer noch dem argentinischen Fußballer und Trainer Cesar Luis Menotti zu verdanken, der die argentinische Mannschaft 1978 zur Weltmeisterschaft führte. Menotti hat, grob vereinfacht, von „linkem“ und „rechtem“ Fußball gesprochen.  Der „rechte Fußball“ war demnach gleichzusetzen mit Rumpelfußball, einem engen spielerischen Korsett, Kampf, Kraft, Disziplin, körperlicher Härte, kurz: Unansehnlichkeit. Dieser Fußball galt als Widerspiegelung eingefrorener und starrer, letztlich reaktionärer gesellschaftlicher Verhältnisse. Der „linke“ Fußball war gekennzeichnet durch Leichtigkeit, Kreativität, spielerische Freiräume, Unberechenbarkeit, Spontanität, kurz:  dieser Fußballstil war ein „ästhetischer Genuss“. Er stand für eine offene, demokratische und an den Interessen des Volkes ausgerichtete Gesellschaft.

Diese sympathische Theorie wurde übrigens genau durch Menotti selbst widerlegt, denn seine Mannschaft besiegte bei der Weltmeisterschaft 1978 die weitaus spielfreudigere und ansehnlicher spielenden Mannschaft der Niederlande und brachte den Pokal in ein Land, in dem eine Militärjunta diktatorisch und brutal regierte!

Eine überraschend frische Theorie kommt nun aus Gelsenkirchen, der Stadt des FC Schalke 04. Der mittlerweile als „OB-Theorie“ oder auch „AD- PERSONAM-Theorie“ bekannte Ansatz wurde von Karin Welge entwickelt, die einen Zusammenhang hergestellt hat zwischen der Person des Oberbürgermeisters und dem sportlichen Erfolg eines Vereins sowie der gesamtstädtischen Entwicklung. In einer Würdigung eines ihrer Vorläufer im Amt, verfasst anlässlich seines Ablebens, schreibt Welge auf ihrer facebook-Seite:

Seine Amtszeit war eine Zeit des Umbruches, der Strukturwandel hatte massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, aber es gelang auch, wichtige Weichen zu stellen. In Rauers Amtszeit fällt die Bundesgartenschau 1997, die Umgestaltung des Zechengeländes zum Nordsternpark: Dieses Musterbeispiel für erfolgreichen Strukturwandel ist eng mit seinem Namen verbunden. Und auch der sportliche Erfolg des FC Schalke mit dem Sieg des UEFA-Cups fiel in seine Zeit als Gelsenkirchener Oberbürgermeister.“

Gleich Menotti sucht auch Welge einen gesellschaftlichen Ansatz, personifiziert ihn aber stärker, indem sie eine Beziehung zwischen gesellschaftlichem Umbruch (hier Strukturwandel, Bundesgartenschau, Nordsternpark) und dem größten sportlichen Erfolg von Schalke 04 herstellt und diese Faktoren mit der Person des Oberbürgermeisters verknüpft („in seine Zeit fiel“).

Verfolgt man diesen Gedankengang konsequent, zeitigt er ein verblüffendes Ergebnis: Der Niedergang der Stadt, die Ansammlung negativer Parameter (Arbeitslosigkeit, Bildung, Leerstände in der Innenstadt, soziale Konflikte) und der Niedergang des S04 sind – der ad-personam-Theorie Welges folgend – eng verknüpft mit der OB-Zeit von Karin Welge selbst.

Dieser mutige Ansatz bedarf unseres Respekts, denn immerhin bedeutet er, konsequent zu Ende gedacht, dass ein Aufstieg und ein Wiedererstarken des FC Schalke 04 erst erfolgen, wenn Welges Amtszeit beendet ist und eine andere Persönlichkeit die Stadt führt und repräsentiert!

Die nächste OB-Wahl findet im Herbst 2025 statt!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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