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Vor nun elf Monaten, genau am 7.12.22, führten unter Begleitung von Fernseh- und Filmkameras martialisch ausstaffierte und vermummte Sicherheitskräfte eine Razzia gegen Teile der sog. „Reichsbürgerszene“ durch und verhafteten „Führungspersönlichkeiten“, die, so wurde berichtet, Umsturzpläne vorbereitet hatten. Zu den „Führungspersönlichkeiten“, die vor den aufgestellten Kameras medienwirksam abgeführte wurden, gehörte u.a. der über siebzigjährige Heinrich XIII. Prinz Reuß, von dem zu vermuten steht, dass er schon allein wegen seines geschmacklosen Sakkos eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Ordnung dargestellt hat. Über 20 Personen wurden bei der koordinierten Aktion in elf Bundesländern verhaftet. Seit den Novembertagen des vergangenen Jahres konnte man nichts Weltbewegendes oder Substanzielles mehr über die Gruppe und ihre Pläne hören oder lesen – wenn überhaupt, dann billige Umsturzphantasien auf der einen Seite und läppische Vorwürfe auf der anderen Seite, die nicht viel über die Gefährdung der Bundesrepublik aussagen, aber umso mehr über den Geisteszustand der vermeintlichen „Putschisten“: die sollen laut BGH Pläne für einen „Sturm auf den Reichstag“ gehabt haben, ein „Kommando“ sollte „Regierungsmitglieder und Politiker“ in Handschellen abführen, eine kleine Gruppe sollte bewaffnet in den Bundestag eindringen. Zur Vorbereitung seien u.a. Fotos gemacht worden:  von „Absperrgittern am Paul-Löbe-Haus, vom Eingang der U-Bahn-Station Bundestag und vom Schloss Bellevue“. ***

Am 13.12.22 schrieb ich im HerrKules über den „Putsch“ und die Berichterstattung im Artikel „Peinlicher als peinlich“ einleitend: „Was ist noch peinlicher als der inszenierte Trottel-Putsch? Die Berichterstattung darüber! Jedenfalls in Teilen. Das Thema selbst ist, wie vorausgesagt, nach ein paar Stunden schon von nur noch geringem Interesse, gut für eine Art medialer Resteverwertung.“

An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Die letzten „relevanten“ Hinweise über den Fortgang der Ermittlungen und die Vorbereitung des Putsches (siehe oben) stammen vom April 2023. Bisher hat es weder Prozesse gegeben, die Aufsehen erregt und die Bedrohungslage deutlich gemacht haben, noch sind neue Erkenntnisse besonderer Art aufgetaucht oder öffentlich gemacht worden. Die Erkenntnislage bringt aber Bedrohliches wie diese Information: „Einer der in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten hatte demnach in Berlin schon die Örtlichkeiten ausgekundschaftet, Fotos gemacht und eine Namensliste von Politikern, Journalisten und anderen Personen des öffentlichen Lebens erstellt.“

Unmittelbar nach dem Verhaftungsmarathon, am 9.12.22, schrieb ich im HerrKules: „Der ganze „Putsch“ war nichts anderes als eine staatlich inszenierte und orchestrierte Schmierenkomödie, in die auch große Teile der Medien eingespannt waren und bei der man uns einige Trottel, degenerierte Kleinadelige, größenwahnsinnige Richter-Darstellerinnen und Liebhaber abstruser Gedankengänge und defekter Vorderlader als Gefahr für die Republik servierte. (…)  Erschreckend sind nicht die „Rädelsführer“ dieses angeblich geplanten Putsches, sondern ist der Umstand, dass eine Regierung, in Absprache mit den „Diensten“ und unter Instrumentalisierung großer Teile der Medien, eine Schmierenkomödie inszenieren konnte, für die tausende Polizeibeamte und andere Sicherheitskräfte in Anspruch genommen wurden, die an anderer Stelle sinnvoller hätten eingesetzt werden können

Und damit bin ich im HIER und JETZT angekommen! Was wir vor einem Jahr erlebt haben, war Kasperle-Theater. Und heute? Wo mitten unter uns Tausende ihren Judenhass auf die Straße tragen und in Essen Tausende den Ruf nach einem Kalifat erschallen lassen und damit deutlich machen, dass sie die Werte der Demokratie und der Bundesrepublik als Staat ablehnen. Wo eine reale Bedrohung unserer Gesellschaft deutlich wird, weil Tausende diesen Staat, dessen Wohltaten und Daseinsfürsorge sie gerne in Anspruch nehmen,  verachten, seine Organe verhöhnen und angreifen, wo Wohnungen von jüdischen Mitbürgern durch den Davidstern gekennzeichnet werden, wie es einst die braunen Horden der NSDAP und ihrer SA gemacht haben, wo Gedenkstätten geschändet und mitten unter uns Juden und Jüdinnen bedroht und drangsaliert werden – da erweist sich der bundesrepublikanische Staat als Popanz, als kraftloser Schwadroneur, der die Eroberung des öffentlichen Raums durch radikale Anhänger des Islam nicht eindämmen kann.

Jetzt steht man auch nicht einem siebzigjährigen „Putschisten“ in Cordhose gegenüber, sondern tatsächlich gewaltbereiten tausenden von jungen Männern, die hier bei uns leben, aber unsere Art zu leben ablehnen und sogar hassen, die ihre mittelalterlichen Vorstellungen über den Umgang der Geschlechter miteinander als gesellschaftliches Leitbild auf der Straße vorführen, indem die Männer und die Frauen nach Geschlechtern getrennt ihren Hass auf Israel zum Ausdruck bringen.

Darauf waren die Staatsorgane offensichtlich nicht vorbereitet, weil man seit Jahren die Augen und Ohren in diese Richtung ganz fest verschlossen hat, weil man sich nicht den Vorwurf der Islamfeindlichkeit einhandeln wollte und weil man einen zum Popanz aufgeblasenen Feind hatte, die Reichsbürger – als Teil der „rechten“ Szene. Die „Bundeszentrale für politische Bildung“ dazu: „Die Reichsbürger sind keine homogene Gruppe und teilweise untereinander zerstritten. Einige sind überzeugte Neonazis, die sich den Nationalsozialismus zurückwünschen. Andere sind Esoterik-Anhänger, die eine diffuse Abgrenzung zur demokratischen Gesellschaft propagieren und einen König für das „deutsche Reich“ einsetzen wollen. Wieder andere glauben, dass Adolf Hitler mit engen Vertrauten nach dem Ende des Nationalsozialismus mit „Reichsflugscheiben“ (UFOs) in die Antarktis geflohen sei und dort bis heute lebt.“****

Was die Anhänger des Islam angeht, zeigen und zeigten sich die deutschen Behörden weniger „wetterfest“. Da schaute man gerne mal weg, um Konflikten aus dem Weg zu gehen – etwa in der Auseinandersetzung um das Kopftuch oder die Voll-Verschleierung, die Rechte der Frauen überhaupt und die Praxis der Zwangs- und Viel-Ehe. Da zeigte man sich Vertretern rückwärtsgewandter Auffassungen des Islam gegenüber als verständnisvoll, hofierte sie bei Islamkonferenzen und akzeptiert seit Jahren die Entsendung von DITIB-Predigern aus der Türkei nach Deutschland, ohne zu wissen, was diese in den Moscheen predigen bzw. verkünden. Demgegenüber zeigt(e) man  aufgeklärten, liberalen Moslems regierungsseitig gerne mal die kalte Schulter, also Persönlichkeiten wie Seyram Ates (Ibn-Rushd-Goethe Moschee Berlin), dem Publizisten Hamed Abdel-Samad oder auch Ahmad Mansour oder Necla Kelek. Das Grundproblem, nämlich dass es zwar aufgeklärte Anhänger des Islam gibt, aber eben keinen aufgeklärten Islam, mochte man regierungsseitig nicht zur Kenntnis nehmen.

Nun wird man es zur Kenntnis nehmen müssen, weil die “Straße“ es zeigt. Was bisher in Teestuben, in Moscheen, in Kultur- und Sportvereinen oder anderen Einrichtungen gepredigt, gedacht und geglaubt wurde, ist nun in aller Heftigkeit zu Tage getreten und lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Denn trotz inner-islamischer Streitigkeiten zwischen Glaubensgruppen oder auch politischen Feindseligkeiten versammeln sich Anhänger des Islam unter der Fahne Allahs und dem Ruf „Gott ist groß“ – und die Radikalen drängen an die Spitze. Der Antisemitismus, der sich auf der Straße zeigt, ist Teil eines Anti-Okzidentalismus, der sich gegen die westliche Kultur und Lebensweise richtet. Er ist von aggressiver Dynamik und grenzüberschreitend – in ganz konkreter, länderübergreifender Weise, aber auch in moralischer Hinsicht, wie die Grausamkeiten der Hamas gezeigt haben und zeigen.

Das hat mit Kasperle – wie bei den „Reichsbürgern – nichts (mehr) zu tun!

Wir haben hier am Wochenende eine Kriegserklärung erhalten!

***Quelle der Zitate: ZDF heute (verschiedene Seiten/Daten)

****https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500825/reichsbuergerbewegung/

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Ro.Bien.

Konnte ich 2014-2017 live im kommunalen Kosmos erleben. Bei unseren Besuchen in der Mulanystraße, türkisches Bethaus, sagte der gerade frisch eingeflogene Imam der Übersetzerin entschuldigend, warum er kein deutsch spreche: er brauche es hier nicht. In einem Multikulti-Frauencafé der AWO zum Austausch der gegenseitigen Kulturen und Sprachvermittlung beim Frühstück, sprachen auch die jungen Frauen kein deutsch- aber an einem seperatem Tisch bedienten sie eine Männerunde mit allerlei Leckereien auf Steuergeldkosten. Als die Roma in GE die Straßen verunsicherten, appellierte ich an die Behörden, es brauche dringend mitten in den Stadtteilen flexible Orte, von mir aus Wohnwagen oder Leerstände, rund um die Uhr besetzt mit allen betroffenen Stellen, vom Sozialarbeiter, über Ordnung, Polizei, Gewerbeausicht, etc – ich wurde für bekloppt erklärt und war Störenfried. die letzte Aktion: eine Roma-Veranstaltung mit über 100 Multiplikatoren mit richtigen Experten und Betroffenen. Und oh wunder: Unterstützt durch die Stadt. Die damalige WAZ sah keinen Anlass, zu kommen. Die Beteiligten waren begeistert und fanden: Darauf kann man aufbauen. Nichts passierte. Mein Projekt war zuende. Die Grünen luden ein Jahr später den EU-Sinti ein, der über Antiziganismus referierte.
Das alles ist jetzt vom Anfang gemessen 10 Jahre her. Fazit: war ne spannede Zeit. Man hätte, hätte, hätte.. was draus machen können.

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Kcö.mark.

Mit ist die Erkenntnis schlicht zu unbequem. Aus dem Grund werde ich diese konsequent ignorieren!

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Oliv.Kru.

Gut, dass der Punsch in letzter Sekunde vereitelt werden konnte!comment image
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Oliv.Bloem.

Ich sprach bereits davon, es macht mir echt Angst! Aufgrund der Unfähigkeit im Handeln! Oder Nichtwollen!

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Rob.Moe.

Das ist die Wahrheit!

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Chri.Hack.

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Ali-Emilia Podstawa

Zwei Headlines aus der WAZ GE:

Angst vor Extremisten in Gelsenkirchen: Friedensweg abgesagtGelsenkirchen kapituliert! Angst statt Zeichen für FriedenDarin zu lesen:

Jüdische Gemeinde zieht ihre Zusage zur Teilnahme am diesjährigen Friedensweg (Juden, Muslime und Christen laufen durch die Stadt, besuchen sich nacheinander in ihren Versammlungshäusern und beten dort gemeinsam) nach Absprache mit der Polizei zurück.Jüdische Gemeinde vermisst öffentliche Solidaritätsbekundung.Städtischer Integrationsbeauftragter Mustafa Cetinkaya sagt, im Arbeitskreis müsse erst einmal entschieden werden, ob man ein Papier abfassen wolle und was darin stehen soll, wegen der unterschiedlichen Perspektiven auf die Ereignisse in Nahost. „Das muss man aushalten“ (Zitat Britta Möhring, Vertreterin der evangelischen Kirche).Serdar Yilmaz von der Hasseler Moschee der Milli Görüs: „Wir konnten nicht sicher sagen, ob das Friedensgebet auch friedlich beendet wird. Ein Schwarzes Schaf reicht dafür ja aus. Auch die Polizei fand die Veranstaltung nicht ratsam. Außerdem haben wir uns gefragt, ob so ein Gebet Sinn macht, wenn die Jüdische Gemeinde fehlt.“Muslime wehren sich dagegen, Gefahren nur auf islamistischer Seite zu wittern. Gewalt gegen solche Veranstaltungen und gegen Muslime könne genauso gut von radikalen Linken und Rechten ausgehen.Moscheegemeinden verwiesen darauf, man habe wegen eines Anschlags (Hakenkreuz und Brandspuren an dortiger Mini-Moschee) in BO-Dahlhausen selber Angst.Der Vorschlag, vor dem Hans-Sachs-Haus nur eine gemeinsame Veranstaltung abzuhalten, wurde „wegen Bedenken der Moscheegemeinden“ abgelehnt. „Personen“ könnten die Veranstaltung nicht nur durch Free Palestine-Rufe stören sondern auch gewalttätig werden.Gemeinsame Erklärung der Moschee-Gemeinden solle die Stadt organisieren, weil der Kontakt unter den Moschee-Gemeinden nicht so eng sei…Ehrliche Bestandsaufnahme der innerstädtischen Situation des Zusammenlebens der Religionsgemeinschaften. Kompliment dafür an die Redaktion der WAZ!

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Last edited 5 Monate zuvor by Ali-Emilia Podstawa
Heinz Niski

Arbeitskreise sind immer gut (.. wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis..), am besten sind Arbeitskreise, die einen Arbeitskreis bilden, der herausarbeitet, ob man ein Papier verfassen will und wenn ja, ob man überhaupt etwas in das Papier hineinschreibt.. wegen der unterschiedlichen Perspektiven und so… das werden wir schon aushalten.

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