Heute fiel mir der Roman „Roter Drache“ von Thomas Harris ein, den ich vor langer Zeit gelesen habe. Der aufgrund des Missbrauchs in der Kinderzeit zum Mörder gewordene Francis Dolarhyde verschafft sich in einem Kapitel des Romans Zugang zu einem Museumsarchiv und vernichtet das eingelagerte Aquarell „Der große Rote Drache und die Frau, mit der Sonne bekleidet“ von William Blake, indem er das Aquarell in sich hineinstopft und auffrisst. Es ist ein verzweifelter Versuch Dolarhydes, sich von dem Dämon zu lösen, dem roten Drachen, der von ihm, so glaubt er, Besitz ergriffen und ihn zum Mörder gemacht hat. Dolarhyde hofft, er könne den Dämon beseitigen, wenn er dessen bildliche Darstellung vernichtet. Zwischen dem Zerstörer des Kunstwerks und dem Werk selbst gibt es für den Leser des Romans also einen nachvollziehbaren persönlichen Zusammenhang.
Dieser Zusammenhang erschließt sich bei den von in der Presse gerne euphemistisch „Klimaaktivisten“ genannten Kriminellen, die Attacken auf Kunstwerke ausführen, allerdings nicht, auch wenn sie teilweise versuchen, den Gemälden eine Deutung zu geben, die ihre Aktionen rechtfertigt. Weder bei den Sujets noch bei den Malern und Epochen ist eine Linie erkennbar – ebenso nicht bei den eingesetzten Mitteln der Zerstörung (Kleber, Tomatensuppe, Kartoffelbrei). Im Grunde steht diese Form des Kulturvandalismus in einer Tradition, die vom Ikonoklasmus unterschiedlicher Religionen (Christentum, Islam) bis hin zur Bücherverbrennung und zum Malverbot („entartete Kunst“) der NS-Zeit reicht und auch in kommunistischen Staaten nicht unbekannt ist!
Die jüngste Attacke (Sonntag, Potsdam) traf das Kunstwerk „Getreideschober“ von Claude Monet (1890). Zum Einsatz kam eine gelbliche Flüssigkeit, bei der es sich nach Angaben der kriminellen Kulturbanausen um Kartoffelbrei handelte. Zuvor waren Ziele die „Sixtinische Madonna“ (Raffael, 1512) in Dresden, das Gemälde „Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe“ (1651, Nicolas Poussin) in Frankfurt und in der Berliner Gemäldegalerie das Bild „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ (Lucas Cranach der Ältere, 1472-1553).
Die Rechtfertigung für ihre Taten ziehen die Kunstzerstörer aus ihrer Selbstüberhöhung als Retter der Menschheit und ihren Weltuntergangsszenarien – also aus Gedankenfiguren, die sich bei allen möglichen Sektierern und ihrem (religiösen) Wahn finden lassen und mit denen sich fast alles rechtfertigen lässt und gerechtfertigt wird, bis hin zum Mord und kollektiven Selbstmord der Sektenangehörigen.
Da sind doch Frau Luisa Neubauer und Greta Thunberg schlauer: Die pinseln ihre wertvollen Gedanken auf Papier, lassen die geistigen Ergüsse dann zwischen Buchdeckel pappen und gehen auf Lesetour, um ihre Werke zu vermarkten. Klimaschutz als Geschäftsidee! Unsere Kunstzerstörer, die angeblich gegen die Klimakatastrophe ankämpfen, sind in diesem Zusammenhang nichts als Reklamefiguren oder, um es mit Lenin zu sagen, nur „nützliche Idioten“.
*hollow (Adj.): hohl, leer, dumpf, bedeutungslos