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Bestimmte Stadtteile und Straßenzüge üben eine magische Anziehungskraft auf die frei vagabundierenden Einkaufswagen von Netto, Lidl, Rewe, Aldi aus. Ein Anblick, an den wir uns gewöhnt haben und der uns lieb geworden ist.

Man sieht sie häufig in Zweier-, Dreiergruppen die Köpfe zusammenstecken, so als wären sie auf einer wohlverdienten Urlaubskreuzfahrt durchs Stadtgebiet und tauschten gerade die heißesten Geheimtipps über „Must See“ Lokalitäten aus. Mag auch sein, dass Brunftzeit ist und dort Speed-Dating für Supermarkt Caddies stattfindet. Eine wenig anerkannte Theorie behauptet, dass es Orte zum Sterben sind, vergleichbar mit den abgelegenen Elefantenfriedhöfen.

Neu scheint mir die Domestizierung von unter Artenschutz stehenden Einkaufskörben zu sein, die immer häufiger in Kofferräumen von meist hochwertigen Oberklasse-Autos gehalten werden.

Aus einem 100 000 Euro Mercedes-AMG Cabriolet (Weiß, mit weißem Halter und Watzmann Aufkleber) holte heute vor einem Getränkemarkt so ein mutiger Dompteur einen noch halbwilden Rewe Korb aus dem Kofferraum. Ich bin ein sehr ängstlicher Mensch und flüchtete sofort in mein Auto, verriegelte die Türen, denn niemand weiß, wozu solche Konsum Baskets fähig sind.

Heimlich beneide ich solche urwüchsigen, von zivilisatorischen Zwängen freien Jäger- und Sammler-Typen, die ihr Habitat nach Belieben ausweiten und nehmen, was die Gelegenheit ihnen bietet.

 

 

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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Bea.Kru.

Warum bin ich da selbst noch nicht drauf gekommen.comment image

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ich

eat the rich

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Be.Voi.

Noch ziert sich das Weibchen und zeigt dem Männchen die kalte Schulter.

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hochzeit.jpg
Ali-Emilia Podstawa

Übrigens: Auf der Schalker Meile werden diese fahrbaren Konsumtransporter aus vielerlei Gründen gerne zur Sicherung von halb hochgeschobenen Rolläden verwendet.

So kann der nicht ganz barrierefreie Zugang zum Hausinnenraum von (neudeutsch despektierlich „Schrottimmobilien“ genannten) Gebäuden – direkt durch die eingeschlagene Fensterscheibe hindurch – sicher gelingen, falls das Glas zuvor sauber aus dem Fensterrahmen entfernt und auf dem Gehsteig entsorgt wurde. Falls nicht, so könnte der Drahtgeflechtrolli ohne Zeitverzögerung auch zum Krankentransporter umgewidmet werden.

Gleichzeitig ist dieses Gelsenkirchener Schweizer-Taschenmesser in heißen Sommern eine sehr einfach installierbare und unschlagbar kostengünstige Lösung zur permanenten Luftzufuhr und Infiltration der Innenräume mit dem Feinstaub der Kurt-Schumacher-Straße.

Da Feinstaub (riecht nach Lagerfeuer und Abenteuer) von feinen Nasen sehr viel stärker wahrgenommen wird als Schimmelgeruch, ein willkommener Nebeneffekt zur Durchsetzung der nicht marktgerechten Miete bei den nicht des Lesens kundigen Neumietern, direkt am Ende ihrer mehrtägigen Reise in unbelüfteten Kleintransportern.

Da die Grundversorgung unter allen Umständen gewährleistet werden musste, wurde in der Hochzeit der Coronavirenwütung bei allen Supermärkten das Pfandsystem an den Einkaufswagen vorsorglich außer Betrieb gesetzt. Für diese weitsichtige, also vom Ende her gedachte Entscheidung, ist so mancher Bewohner dieser Stadt so dankbar, dass er sich bei jedem Einkauf eine neue Grundversorgung am Supermarkt organisiert.

Wir halten fest: Einkaufswagen sind zur Erschließung, Wohnbarmachung und Vermarktung des untersten Wohnungsmarktsegments durch südosteuropäische Start-Ups (sowie als nachhaltiges ökologisches Transportsystem für Güter und Personen!) ein unverzichtbares und darum schützenswertes Kulturgut Gelsenkirchens.

Wer randomisiert abgestellte Einkaufswagen aus dem Straßenbild verbannen will, der will vermutlich auch, dass Müllablagerungen bekämpft, Fußwege stolperfrei begangen und Fahrradwege gefahrlos befahren werden können; kurz: der ist in seinem Innersten ein Kulturbanause.

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