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„Deutsche Kunst gegen den imperialistischen Krieg 1916-1976. Bildauswahl und Kommentar von Jürgen Kramer“ (Beiheft zur „Sozialistischen Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft“) (1976)Materialien zur Analyse von OppositionVon Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 1.10.2020

In „Zu diesem Heft“ wird von der Redaktion ausgeführt: „Immer wieder sahen und sehen es Künstler in diesem Jahrhundert als vordringliche Aufgabe, Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Kräfte frühzeitig zu erkennen und dieser Erkenntnis durch ihre Arbeiten eine breite Wirkung zu verschaffen. Der erste und der zweite Weltkrieg wurden um die Neuaufteilung der Welt geführt, waren ‚Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln‘, Ergebnis einer raubgierigen, unterdrückerischen und unfriedlichen Politik, gegen die eine Fülle engagierter Kunstwerke entstand. Heute, wie in den Jahren vor dem ersten und insbesondere in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg, sehen viele Künstler wieder die Aufgabe, einen Beitrag zur Sicherung des Friedens zu leisten. Das Interesse an der Entwicklung der Antikriegskunst in diesem Jahrhundert ist gewachsen. Die Aufgabe stellt sich erneut, einem drohenden Krieg entgegenzutreten, damit er verhindert werden kann.

Problematisch geworden ist die Einstellung, sich allgemein für Abrüstung einzusetzen in der Hoffnung, wenn in jedem Land durch den aktiven Einsatz großer Mehrheiten der jeweilige Rüstungshaushalt begrenzt und eine mörderische Kriegsmaschinerie entschärft werde, rücke die Friedenssicherung näher. Das abstrahiert vom gegenwärtigen politischen und militärischen Kräfteverhältnis, in dem sich auch unser Land befindet. Allen Ost-West-Entspannungskonferenzen zum Trotz, entgegen feierlichen Regierungserklärungen aus Washington und Moskau und ungerührt von einer beschwichtigenden offiziösen Pressepolitik in vielen europäischen Ländern läßt sich die täglich beschleunigte Aufrüstung der UdSSR und der USA nicht verdecken. Von ‚Sicherheit‘ kann angesichts des größten Wettrüstens, das die Menschheit je erlebt hat, nicht länger die Rede sein.



Die Theorie des ‚Gleichgewichts des Schreckens‘ kann keine Grundlage des Weltfriedens sein. In Deutschland stehen sich die Konkurrenten des Wettrüstens unmittelbar gegenüber und angesichts der wirtschaftlichen Potenz Mitteleuropas ist diese Region der Welt vom Ringen um den beherrschenden Einfluß nicht ausgenommen. Gerade auch hier wächst die Kriegsgefahr. In der Anwesenheit amerikanischer und russischer Truppen in Deutschland sehen wir keine Garantie für den Frieden, denn einem denkbaren Vorstoß russischer Panzerdivisionen nach Westen droht der Gegenschlag der US-Strategen mit Atomwaffen: die unvorstellbaren Opfer des näherrückenden Krieges hätten die Völker zu tragen, gelingt es nicht einer breiten Einheitsfront, den Kriegsplänen der Supermächte Einhalt zu gebieten. Deshalb sollte die Forderung nicht ungehört bleiben, das alle, die heute für Frieden und Abrüstung eintreten, zuallererst die Abrüstung von USA und UdSSR verlangen müssen.

Eine ganze Reihe von Künstlern stellt sich heute wieder in die Tradition fortschrittlicher Kunst und sieht die Aufgabe, frühzeitig vor den wirklichen Ursachen eines drohenden Krieges zu warnen und diesen Mahnungen mit den Mitteln der Kunst ein offenes Ohr zu verschaffen. Es müssen, es werden noch mehr werden, die sich deshalb mit der gegenwärtigen politischen Lage und der Tradition der Antikriegskunst genauer beschäftigen. Dazu möchte diese kleine Sammlung bekannterer und unbekannterer künstlerischer Dokumente gegen den imperialistischen Krieg eine Anregung geben.“
Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

November 1976:
Vermutlich zum Herbst oder einige Zeit später erscheint von der „Sozialistischen Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft“, hrsg. vom „Zentralvorstand der Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender“, ein „Beiheft zu ‚Künstler gegen den imperialistischen Krieg'“: „Deutsche Kunst gegen den imperialistischen Krieg 1916-1976. Bildauswahl und Kommentar von Jürgen Kramer“.

Einleitend führt Jürgen Kramer dazu aus: „Die Kunst war und ist dem Menschen ein Mittel, gesellschaftliche Zustände aktiv widerzuspiegeln. Im Kampf gegen das katastrophale Wesen der modernen bürgerlichen Gesellschaft, gegen imperialistischen Völkermord und kriegerische Aggressionen, gegen die gewaltsame Niederhaltung und Knechtung eines Teils der Menschen durch einen anderen, gegen die Zerstörung und Vermarktung elementarer menschlicher Beziehungen, gegen die profitgesteuerte Unbewohnbarmachung unseres Planeten, sehen bildende Künstler der Gegenwart ihre humane und soziale Aufgabe. Sie begreifen die Kunst nicht nur als formale Spielerei, sondern als ein elementares Vermögen des Menschen, sich seine Welt nach seinen Zwecken und Bedürfnissen, Vorstellungen und Wünschen zu verändern und neu zu gestalten.

Immer gab es in der Kunst gesellschaftsverändernde, revolutionäre Strömungen und seit jeher stehen die fortschrittlichsten Kunstschaffenden im Kampf mit der jeweils bestehenden reaktionären Ordnung und ihrer regressiven Klasse. Die besten dieser Künstler waren und sind sich auch bewußt, dass ein Gemälde, eine Plastik nichts bewirken kann, manifestiert sich im kritischen oder utopischen Anspruch dieser Werke nicht zugleich der Wille der progressivsten gesellschaftlichen Grundkräfte. Darum kann revolutionär humanistische Kunst die ihr zugedachte Aufgabe nur sinnvoll erfüllen in der engen Verbundenheit mit den sich der notwendigen Veränderung der gesellschaftlichen Basis bewußten Teilen des Volkes. Hier liegt die Wurzel der kunstkritischen Parteilichkeit.

Dass die Kulturschaffenden hier und jetzt über diese humanistische, gesellschaftsverändernde und für die Unterdrückten Partei ergreifende Dimension der Kunst klar werden, ist gerade heute notwendiger denn je. Nicht nur, dass die bürgerlichen Gesellschaften im Stadium des Imperialismus auf allen Ebenen in einen äußerst bedrohlichen Zustand für die Bevölkerungsmehrheiten geraten sind. Nicht nur, dass sich zum Kampf um ausreichende und gesicherte Lebensbedingungen verstärkt der Kampf um physische und psychische Unversehrtheit innerhalb einer vom Imperialismus zerstörten Umwelt gesellt. Am Horizont sind heute wieder Panzer aufgefahren. Erneut steht die Frage Krieg oder Frieden für alle Völker, Staaten und Nationen auf der Tagesordnung, mit besonderer Eindringlichkeit ist sie aber wieder zu einer deutschen Frage geworden. (…) Die Auswahl der Beispiele aus einem Zeitraum von 60 Jahren kann dabei kaum repräsentativ sein. Hieraus erklärt sich das Fehlen von Kunstwerken von Dix, Schlichter und Vogeler zu diesem Thema. Andererseits sollen aber auch gerade solche engagierten Künstler vorgestellt werden, die-mit Ausnahme-weniger bekannt geworden sind, deren Arbeiten aber heute unter aktuellen politischen und künstlerischen Fragestellungen neu zu entdecken sind“.

Inhalt des Beiheftes:
„1916 – 1919
Davringhausen – Der General
Zille – Das eiserne Kreuz
Grosz – Wintermärchen

1920 – 1932
Platz dem Arbeiter!
Hubbuch – Aufmarsch
Heartfield – Gegen die Henker Chinas
Arntz – Krieg
Keil – Weltabrüstungskonferenz
Rossig – Polizeiterror“

„1933 – 1945
Grundig – Vision
Schulze – Illegale Versammlung
Hoffmann – Partisanin
Heartfield – Madrid 1936
Kralik – Hitler stürzen!“

„1946 – 1960
Holtz – Mao Tsetung
Heinke – Bereit, für den Frieden zu kämpfen
Griebel – Frieden“

„1967 – 1976
Neumann – Sieg im Volkskrieg
Soz. Agitgrafik Koop – Teach-in
Plakat – Es lebe die Einheitsfront der Völker Indochinas
Droese – Gretschko
Immendorf/Droese – Gegen politische Unterdrückung in der BRD und der DDR“

Geworben wird für die „Sozialistische Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft“, für die „Kämpfende Kunst“, für Literatur aus dem „Oberbaumverlag“, u. a. Richard Lohmann: „Südafrika. Reportagen eines Arztes“, Ernest J. Sternglass: „Radioaktive Niedrigstrahlung“.
Quelle: Sozialistische Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft (Beiheft zu ‚Künstler gegen den imperialistischen Krieg‘): Jürgen Kramer: Deutsche Kunst gegen den imperialistischen Krieg. Bildauswahl und Kommentar, Köln o. J. (November 1976)

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