Diese Sehnsucht, ach! – diese brennende Sehnsucht!
Ach, diese Sehnsucht, diese brennende Sehnsucht, die mich immer öfter befällt, die mich besetzt hält, die sich bis in die letzte Faser meines Körpers und den letzten Gedanken meines Geistes eingräbt, die eine sanfte Diktatur errichtet hat, deren Zwang ich mich freiwillig beuge, deren Fesseln zu lösen ich nicht einen Wimpernschlag lang erwäge, deren Herrschaft ich mich freudig hingebe und deren Unnachgiebigkeit mir leicht wie eine Feder erscheint.
Ach, diese Sehnsucht nach einer Zeit, in der es übersichtlich war, geordnet, klar strukturiert, abgezirkelt und exakt vermessen, auf den Tropfen genau abgefüllt und auf das Zehntel eines Gramms gewogen.
Ach, diese Sehnsucht nach einer Zeit, als es hieß: Beatles oder Stones, VW-Käfer oder Opel Kadett , Mann oder Frau – klar, übersichtlich, unzweideutig.
Ach, diese Sehnsucht – als der Feind USA hieß und die Guten Vietcong, als Rechte gegen Linke putschten und Kriege von einer Symmetrie bestimmt waren, so dass man Freund und Feind unterscheiden konnte.
Ach, diese Zeit – als man das Palästinensertuch noch ohne Bedenken schwenken konnte, Guerillas rot lackiert waren, Menschenrechte immer nur im Westen oder im Kapitalismus oder im Imperialismus verletzt wurden, als man die Bild-Zeitung verbrennen konnte, ohne an den 10.Mai 1933 denken zu müssen.
Ach, diese Sehnsucht – als man noch wusste, dass die glutäugigen, dunkelhaarigen Männer aus der Fremde fröhliche Sirtaki-Tänzer (Griechen) und tolle Canzone-Tenöre (Italiener) waren.
Ach, diese Sehnsucht – als man wusste, wo man stand, wohin die Reise ging, welcher Weg zu beschreiten und welche Wendung zu nehmen war.
Aber das Schlimme ist: der Kern der Sehnsucht, ihr Prinzip besteht darin, dass man das, wonach man sich sehnt, nie erreichen wird. Niemals, nie mehr und auch nie wieder!
Diese Sehnsucht, Ach!, diese brennende Sehnsucht —-nach der Sehnsucht!