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Folge 15

In Reiseführern für das Ruhrgebiet wird man, falls sie sich mit dem Thema „Essen und Trinken“ beschäftigen, auf recht eigentümliche Gerichte stoßen: Asi-Schale (Manta-Schale), Taxi-Teller und Pommes-Schranke. Bei den ersten beiden Gerichten handelt es sich um Kombinationen, die neben Pommes (frites) auch Fleisch in Form von Currywurst und/oder Gyros (mit Tzaziki) auf den Teller bringen.

Pommes-Schranke sind Pommes ohne Fleischbeilage, aber mit Mayonnaise (kurz: Mayo) und Ketchup. Häufig findet man für dieses 5-Sterne-Gericht auch die Bezeichnung Pommes rot-weiß, wobei die gängige Erklärung die ist, dass ein Streifen Mayonnaise (weiß) und ein Streifen Ketchup (rot) an die typische Markierung von (Bahn-)Schranken erinnern.

Eine weniger verbreitete, gleichwohl aber interessante Erklärung für die Bezeichnung Pommes-Schranke lautet, dass sich in den 50er Jahren, als noch die Dampflokomotiven fuhren, die Wartezeit an Bahnübergängen schon mal etwas in die Länge ziehen konnte. Um die Zeit des Wartens sinnvoll zu nutzen, bestellten die Wartenden, so die Erklärung, an der nahe der Schranke gelegenen Imbissbude eine Portion Pommes, die verspeist war, bis die Schranke wieder hoch ging. Pommes Schranke eben!

Sollte die Erklärung zutreffen, was ich allerdings stark bezweifle, kann der Begriff nur an einer bestimmten Schranke entstanden sein – nämlich an der Glückauf-Schranke an der heutigen Kurt-Schumacher-Straße, die 1966 nach dem ehemaligen Parteivorsitzenden der SPD benannt wurde und von der Florastraße (Kennedyplatz) bis nach Buer (Rathaus) führt.

Im Bereich Florastraße (Kennedyplatz) bis zum Schalker Markt hieß die Kurt-Schumacher Straße früher Kaiserstraße, benannt nach Kaiser Wilhelm II., vom Schalker Markt bis zum Bahnhof Schalke Nord hieß sie König-Wilhelm-Straße (Wilhelm I, 1797-1888).

Und hier, zwischen Schalker Markt und der Glückauf-Kampfbahn (eigentlich : Kampfbahn Glückauf) gab es die Glückauf-Schranke, die den Verkehr stoppte, wenn eine Betriebsbahn von der Zeche Consolidation zur Emschertalbahn fuhr (oder in umgekehrter Richtung). Der Name der Schranke ist nicht etwa eine Reminiszenz an den bekannten Gruß der Bergleute im Ruhrgebiet, sondern verdankt sich der Tatsache, dass die Schranke wegen des nahezu unablässigen Werksverkehrs zur Blütezeit des Bergbaus und der Schwerindustrie in den 50er und den Anfängen der 60er Jahre Jahren rund 16 von 24 Stunden am Tag geschlossen war. Man hatte also Glück, wenn man die Schranke geöffnet vorfand oder sie nach kurzer Wartezeit „auf ging“.

Man hätte an dieser Schranke also reichlich Zeit gehabt, sich eine Portion Pommes Schranke zu bestellen, wenn es an der Schranke denn einen Imbiss gegeben hätte.

Auch damals schon waren Kaiserstraße und König-Wilhelm-Straße wie die heutige Kurt-Schumacher-Straße eine Hauptverbindungsachse zwischen den südlichen und nördlichen Stadtteilen. Und regelmäßig stauten sich Fahrzeuge und Fußgänger an der Schranke – erst recht, wenn Schalke spielte und die Menschen in die Glückauf-Kampfbahn strömten.

Deshalb entschloss sich die Stadt, dieses Verkehrsproblem durch den Bau einer Brücke zu lösen, die diesen neuralgischen Punkt des Stadtverkehrs überspannte. In den Jahren 1963/64 wurde das Bauwerk errichtet, im Oktober 1964 wurde es für den Verkehr frei gegeben und ab Mai 1965 hieß die Brücke „Berliner Brücke“. Zur feierlichen Namensgebung reiste Willy Brandt an, damals regierender Bürgermeister von Berlin.

Die Glückauf-Schranke verschwand unter diesem Bauwerk und wurde schließlich mit dem Niedergang des Bergbaus völlig überflüssig. Mit der Schranke verschwand aber auch das alte, vom Bergbau geprägte Gesicht des Stadtteils Schalke.

Daran kann man und sollte man sich erinnern, wenn man mal wieder eine Portion „Pommes Schranke“ ordert.

Guten Appetit!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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