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Und sie bewegt sich doch!“ Der Legende nach soll Galileo Galilei diesen Satz beim Verlassen des Inquisitionsgerichts gesagt haben, nachdem er – unter Androhung der Folter – bei der Gerichtsverhandlung zunächst der Auffassung des kopernikanischen Weltbildes (die Erde ist nicht Mittelpunkt, sondern dreht sich um sich selbst und um die Sonne) gegen seine Überzeugung abgeschworen hatte. *

Heutzutage werden, jedenfalls in unserer Gesellschaft, niemandem mehr – wie einst Galilei – die „Instrumente“ (also die Folterwerkzeuge) gezeigt, um sich von der eigenen Überzeugung loszusagen und die Wirklichkeit zu leugnen. Heute ist es eher so, dass eine bestimmte Aussage in den „sozialen Medien“ niedergemacht und samt dem Vertreter der Aussage politisch ausgesondert bzw. eingeordnet wird. Statt körperlichem Schmerz also soziale Demontage und Isolation!

Ein schönes Beispiel: Vor rund drei Jahren beschwerten sich Anwohner des Bereichs um den Heinrich-König-Platz, angestoßen durch den Buchhändler Dirk Niewöhner, dessen Buchhandlung am HKP liegt, über Jugendliche, die auf dem Platz lärmten, sich aggressiv aufführten, Bürger belästigten oder sogar bedrohten und Diebstähle begingen. Es dauerte nicht lange, bis die Beschwerden den Stempel „Rassismus“ aufgedrückt bekamen. Die WAZ schrieb damals u.a..: „Da es sich bei der Gruppe auf dem Heinrich-König-Platz (HKP) um Jungs und junge Männer mit Migrationshintergrund handelt, ist in den Sozialen Netzwerken – neben der Diskussion um die Probleme auf dem Platz – längst auch eine Debatte über vermeintlichen Rassismus entbrannt.“ ***

Nachdem zunächst die Geschehnisse als solche heruntergespielt und als Einzelmeinung oder nur „gefühlte Lage“ verharmlost worden waren, sich die Zahl der Beschwerden und die Zahl der Bürger, die sich beschwerten, aber anwuchs und die Situation nicht mehr als „harmlos“ bezeichnet werden konnte, war die politische Einordnung des Protests als „rassistisch“ die nächste Stufe der Realitätsverweigerung und der Diskreditierung des Protests!

Der Film, der hier am HKP vor rund drei Jahren lief, kommt jetzt in großem Stil auf die „gesamtdeutsche Leinwand“. Hatte man jahrelang das Anwachsen von Gewaltkriminalität im Kontext von Zuwanderung überhaupt geleugnet, ist das Faktische nun so stark geworden, dass eine Leugnung unglaubwürdig wird, weswegen die Akzentuierung auf die Deutungsebene verschoben wird. Dies geschieht dadurch, dass alle möglichen Erklärungsansätze auf den Tisch kommen, die keine andere Strategie verfolgen, als vom Kern der Problematik abzulenken, nämlich der ungeregelten und nicht mehr zu bewältigenden Migration und der gescheiterten Integration von hunderttausenden von Zuwanderern aus patriarchalisch oder sogar archaisch bestimmten Kulturkreisen, die unserer Gesellschaftsordnung fern stehen oder diese sogar ablehnen, zumindest aber Strukturen aufweisen, die unserer Gesellschaft diametral gegenüberstehen (etwa im Verhältnis zur Gewalt, zu den Rechten von Männern und Frauen oder zur Rechtsprechung).

Da scheut man vor Banalitäten auch nicht zurück, etwa wenn Michael Mertens von der „Gewerkschaft der Polizei“ sagt, der Anstieg der Zahl von Messerattacken sei „keine Frage der nationalen Herkunft, sondern des Umfelds, in dem man groß wird.“(WAZ, 10.4.24) In welchem sozialen Umfeld, so kann man wohl fragen, leben Jugendliche denn, die in archaischen Strukturen aufwachsen, die durch Gewalt, mittelalterliche religiöse Auffassungen, Stammesdenken, Nationalismus oder Gruppenzwänge geprägt sind? Spielen religiöse Auffassungen, die Strukturen der Gesellschaft der Herkunftsländer, die Beziehungen der Geschlechter, Homophobie und die Stellung der Frau, denn keine Rolle mehr, sobald diese Jugendlichen das Territorium der Bundesrepublik betreten haben oder weil sie hier in einem Krankenhaus geboren worden sind? Wenn das nicht so wäre, wie ließe sich dann erklären, dass sich die Gewalttaten oder auch andere Delikte in großer Mehrheit bestimmten Gruppen von Ausländern zuordnen lassen, wogegen andere Nationen hinsichtlich von Straftaten kaum auffällig sind. Wir haben hier doch so gut wie keine Probleme mit Zugewanderten aus westeuropäischen Ländern, aus dem asiatischen Raum (etwa Japan), aus Skandinavien. Wir haben aber große Probleme mit Zugewanderten aus dem Maghreb, aus Subsahara-Staaten, aus Südosteuropa, aus dem arabischen Raum u.a.

Der Pass, besser: die Nation als solche, spielt keine Rolle, aber die in bestimmten Nationen ausgeprägten gesellschaftlichen Formungen und Regeln, die mit in unsere Gesellschaft gebracht werden, durchaus. Da helfen dann sprachliche Ausweichmanöver eben nicht weiter. Das gilt auch für den Verweis auf bestimmte soziale Parameter (von Alter über sozialen Status und Bildung), die selbstverständlich eine Rolle spielen, aber allzu gerne nur Exkulpierungsfunktion haben.

Als Galilei das kopernikanische Weltbild, das er durch seine Untersuchungen (Fernrohr!) und Beobachtungen und Berechnungen als richtig erkannt hatte, im Angesicht der Folter leugnete, war das doch durchaus menschlich verständlich. Diejenigen, die hier – um im Bild zu bleiben – leugnen, dass sich die Erde um die Sonne dreht, stellen ihr Seifenblasen-Weltbild der Wirklichkeit gegenüber. Weil Seifenblasen so schön bunt sind! Bis sie zerplatzen!

*Manchmal auch zitiert als: „Und sie dreht sich doch!“

*** https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/article232491061/aerger-mit-jungen-migranten-was-gelsenkirchener-erleben.html?kc=success

(online v. 9.6.2021)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Fra.Prez.

Seifenblasen schimmern aber so wohlig bunt, wenn das Licht darauf gebrochen wird. Das argumentative Strampeln nach der passenden Beleuchtung der Seifenblasen wird uns noch beschäftigen

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Ro.Bien.

Liest man den in dieser Woche erschienenen Artikel über den afghanischen Männerverein, kann mann konstatieren: Es ist gut, dass sich hier lebende Migranten aus einem Steinzeitstaat in deutsche Vereinsstrukturen integrieren – um 1. sich selbst sichtbar zu machen und 2. da draußen sichtbar zu werden. Und als Ansprechpartner der „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ da zu sein.
Das hat bis heute mit Bulgaren und Rumänen nicht geklappt. Es gab um die 2016/17 kurzfristig einen bugarischen Verein unterm Dach der AWO – mit einer bulgarisch stämmigen Leiterin, der von heute auf morgen mitsamt des Vereins sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand. Meines Wissens kam nie wieder was nach. Warum auch immer…
Aber noch mal zum Männerverein: Das wird nix, wenn der Reporter den Vorstand fragt, wo denn die afghanischen Frauen im Verein wären – und ihn mit der Antwort ziehen lässt, die hätten zuviel im Haushalt und der Kinderschar zu tun.
Das sind Verhältnisse, die dürfen sich hier erst gar nicht manifestieren. Geht gar nicht.

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Mi.Lied.

Den Satz: „Der Film, der hier am HKP vor rund drei Jahren lief, kommt jetzt in großem Stil auf die „gesamtdeutsche Leinwand“.“ kann man leider auf ganz viele weitere Bereiche ausweiten: Nicht nur bei der Jugendkriminalität/Ausländerkriminalität, sondern auch in ganz vielen (allen?) Bereichen des Lebens in Deutschland wie Industrieniedergang, Armut etc. zeigt sich zunächst in Gelsenkirchen, was uns in ganz Deutschland bevorstehtcomment image

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Ali-Emilia Podstawa

Vorgestern in den tagesthemen eine Einordnung in 14 Minuten:

  1. Filmbeitrag über gelungene Sozialarbeit unter verrohten Kindern in Duisburg mit Statement eines geläuterten Kinder-Kleinkriminellen, der von seiner weinenden Mutter berichtet.- Vom Vater erfährt man nichts.
  2. Die Innenministerin im Interview: Harter Rechtsstaat sei überall im Einsatz. Europäische Lösung sei da. Die Versäumnisse der Vorgängerregierungen trügen schwer. Mehr Prävention sei nötig, also würden Sozialarbeiter gebraucht.
  3. Der Kommentar eines Redakteurs: Anstieg der Ausländerkriminalität? Ja, aber nur weil mehr Ausländer da seien. Zahlen seien alles andere als dramatisch. Täter seien selbst traumatisierte Opfer. Kriminalität hätte nichts mit der Herkunft zu tun, sondern damit, dass die hochtraumatisierten Opfer-Täter – junge Männer – auf engstem Raum bei uns untergebracht würden. Polizei kontrolliere Nichtdeutsche häufiger und Nichtdeutsche würden häufiger angezeigt. So erzeuge man hohe Zahlen für Tatverdächtige. Angst vor Gewalt hätte mit der Realität nichts tun. Gewalt drohe vor allem im Familien- und Bekanntenkreis, nicht im öffentlichen Raum. Am rechten Rand werde mit messerstechenden Ausländern, die auf Frauen losgingen, Stimmung gemacht. Fazit: Ein Deutscher Pass mache nicht den Unterschied aus [wer hat das behauptet?], sondern „unter welchen Bedingungen WIR hier zusammenleben“. O-Ton: „Für billige Wahlkampfmunition gegen Migranten taugt diese Kriminalitätsstatistik jedenfalls nicht.“

Falls jemand an zu niedrigem Blutdruck leidet, heute Abend wieder einschalten. Es hilft.

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Dir.Niew.

Ermittlungskommision König

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hkp
Dir.Niew.

Aufgelöst

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ermittlung
markenware

Im letzten Herbst waren bei der Staatsanwaltschaft Essen etliche Strafverfahren gegen Jugendliche vom HKP anhängig, zum Teil bereits mit Verurteilungen abgeschlossen.

Evtl. hat die Ermittlungskommission ihren Job erfolgreich erledigt.

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