5
(1)

Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen.“ Albert Camus

Wie wahr die These von Albert Camus ist, habe ich erst an diesem Wochenende erfahren. Aber der Reihe nach.

In Hamburg sprang mich an einer Straßenecke ein Plakat der Hamburger Grünen-Fraktion an: „Mehrsprachigkeit als Chance für Hamburgs Schulen“. Ein Hinweis lautete: „Diskussion mit Expertinnen aus Wissenschaft, Schule und Politik“. Hauptrednerin (Keynote Speech) war eine Schriftstellerin namens Olga Grjasnowa. Olga Grasjnowa (geboren 1984 in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan) ist seit September 2023 Professorin am „Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst“ in Wien. Leiterin der Veranstaltung laut Plakat: Sina Aylin Koriath, ihres Zeichens Bügerschaftsabgeordnete und Sprecherin der dortigen Fraktion der Grünen für „Außerschulische Bildung und Strategien gegen Rechts“.

Über zwei Aspekte stolperte ich gleich: Mehrsprachigkeit wurde als Chance für Hamburgs Schulen bezeichnet, was immer das heißen mag, nicht aber als Chance für Hamburgs Schülerinnen und Schüler. Und warum als Hauptrednerin nicht eine Schulleiterin einer Hamburger Schule angekündigt wurde, sondern eine „Professorin für Sprachkunst“ eines Instituts für „angewandte Kunst“, erschloss sich mir auch nicht sofort. Da ist es dann auch schon nicht mehr verwunderlich, wenn eine GRÜNE einlädt, deren Schwerpunkte „außerschulische Bildung“ und der Kampf „gegen Rechts“ sind, nicht aber „schulische Bildung“. Nun kann Sprache unzweifelhaft zum Kunstwerk werden, und der Erwerb vieler Sprachen öffnet einem Menschen die Tore zu vielen Kulturen der Welt. Aber am Anfang steht doch wohl der Erwerb einer Sprache, nämlich der, die wir nicht ganz zu Unrecht Muttersprache nennen. Und wir wissen auch, dass Kinder, die bilingual aufwachsen, durchaus schon die Sprache beider Elternteile erlernen können, wobei dies am besten gelingt, wenn die beiden Elternteile konsequent ihre jeweils eigenen „Muttersprache“ praktizieren und diese auch beherrschen, also keine größeren sprachlichen Defizite transportieren. ***

Nun kenne ich die Hamburger Schullandschaft nicht – und es mag ja sein, dass dort in den Schulen Kinder aus 20 oder 30 unterschiedlichen Sprachgemeinschaften, die in einer Lerngruppe sitzen,  durchweg voneinander profitieren, wenn ich, angesichts der letzten PISA-Ergebnisse zum Spracherwerb und zur Sprachfähigkeit, da auch meine Zweifel habe. In der Einladung zur Veranstaltung heißt es aber ganz optimistisch: „An Hamburger Schulen und auch im außerschulischen Bereich kommen Kinder mit vielen Sprachen zusammen. Obwohl Mehrsprachigkeit viele Vorteile und Chancen mit sich bringt, wird sie häufig eher als Herausforderung gesehen. Die Vorurteile in der gesellschaftlichen Debatte, dass Mehrsprachigkeit der Entwicklung, der Bildung und der sozialen Integration schade, halten sich hartnäckig. Obwohl dies wissenschaftlich längst überholt ist und herkunftssprachlicher Unterricht für Schülerinnen und Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die ethnische, kulturelle und sprachliche Identität fördert, tut sich die deutsche Gesellschaft mit dem richtigen Umgang mit Mehrsprachigkeit schwer.“***a

Da bekommen wir schon den richtigen Ton zu hören (Hervorhebung in fett durch mich, BM). Die deutsche Gesellschaft hat Vorurteile und  tut sich schwer mit dem „richtigen Umgang“ mit der Mehrsprachigkeit. Wenn wir bei den GRÜNEN erst einmal den richtigen Umgang gelernt haben, dann klappt es schon mit der Mehrsprachigkeit und wir alle werden bereichert!

Nimmt man aber einmal die Gelsenkirchener Situation, dann kehrt sich das blumenbunte Bild der Hamburger Grünen von der „Chance“ doch eher ins dunkle Gegenteil um. Es ist erst einige Wochen her, dass die Lokalausgabe der WAZ die Schülerin „Lisa“ vorstellte, die in ihrer Grundschulklasse das einzige Kind mit „Deutsch“ als Muttersprache war, wogegen die anderen Kinder zum größten Teil überhaupt kein Deutsch konnten und auch ihre eigenen Muttersprachen teilweise  nur rudimentär beherrschten. Als „Lisa“ nach zwei Jahren an eine andere Grundschule wechseln konnte, hatte sie nicht nur zwei Jahre der Isolation ohne Kontakt mit anderen Kindern hinter sich, sondern brachte auch große schulische Defizite in allen Bereichen (auch in Mathematik) mit in die neue Schule, weil das Lernen in der Klasse – trotz großer eigener Anstrengungen – nicht gelingen konnte.

Die WAZ kommentierte im Januar u.a..: „Längst ist die Rede von der „Bildungskatastrophe“ in unserem Land, weil das deutsche Schulsystem keine durchschlagenden Antworten zu haben scheint, auf die Herausforderungen unserer Zeit, in der Studien immer wieder dokumentieren, dass das Lernniveau sinkt, nicht wenige Schülerinnen und Schüler eher schlecht als recht Deutsch können, wenn sie zur Schule gehen und auf lange Sicht vom System zerrieben werden, während gleichzeitig leistungsfähigere Kinder ebenfalls auf der Strecke zu bleiben drohen, weil die ohnehin schon zu wenigen Lehrkräfte einen nicht zu bewältigenden Spagat leisten müssen.“****

In Klassen, in denen zwischen 60 bis über 90 Prozent Kinder sitzen, die aus Dutzenden unterschiedlicher Nationen stammen, teilweise Analphabeten in ihrer Muttersprache sind oder aus Kulturen kommen, in denen ein regelmäßiger Schulbesuch die Ausnahme ist, ist Vielsprachigkeit keine Chance, weder für die Schule noch für die Kinder, sondern nur noch die absurde, die Wirklichkeit leugnende politische Losung einer Ideologie der Realitätsverweigerung, die fernab der Wirklichkeit der normalen Lebenswelt als Rauch von Propagandisten am Lagerfeuer multikultureller Träumereien aufsteigt.

Und so mögen auch die wahrscheinlich artifiziell aneinandergefügten sprachlichen Perlen der Referentin in Hamburg den Lauschenden eine Welt ins Ohr ziseliert haben, die so voller Pracht und Glanz war, dass die Zuhörenden vor lauter Ergriffenheit mit ihren batistenen Taschentüchern ihre silbernen Tränen trockenen mussten und sie nach der Veranstaltung nicht anders konnten als mit einem tiefen Seufzer zu sagen: Ach, wie ist die Welt der Sprache doch so schön!

Ja, aber nur dann, wenn man nicht an einer Gelsenkirchener Schule mit hohem Sozialindex unterrichten muss.

Aber kommen wir zum zweiten Beispiel, das nicht zu erleben, aber zu erlesen war, wobei die Auswahl der Schlagzeilen schwerfällt. Deswegen ist die aus dem „Focus“ nur ein Beispiel von vielen:„Grünen-Machtkampf bahnt sich an: Robert findet, dass er an der Reihe ist“ ****** Aber Baerbock will es auch (wieder) werden!

Hier geht es (also) nicht um die Frage, wer die grüne Pappnase des Jahres ist, sondern, man höre und staune, darum, wer „Kanzlerkandidat“ der GRÜNEN bei der Wahl 2025 werden soll. Beide trauen sich, so ist zu lesen, das Amt des Kanzlers bzw. der Kanzlerin zu. Nun gut, mit der Plapperpuppe gibt es immer was zu lachen (besonders im Ausland), und da der Ruf Deutschlands international sowieso ruiniert ist, kann Baerbock auch als Kanzlerin durchaus noch neue Stufen der Diskreditierung Deutschlands erklimmen. Und der Brabbelbär, der als Wirtschaftsminister sowieso schon unten durch ist, kann dann als „eiserner Wortschatzkanzler“ („Der Staat macht keine Fehler“, „Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht“) noch eine Schüppe Versagenskunst drauflegen!

Absurd wird das Gerangel, wer denn „grüner“ Kanzler werden soll, erst recht durch die aktuellen Umfrageergebnisse. Die sehen die Grünen zwischen 13% (INSA/6.4.24) und 15% (Infratest/4.4.24) und damit immer noch deutlich hinter der AfD (19%/18%). Aber geradezu lächerlich wird das innerparteiliche Gekeife dadurch, dass es die Funktion „Kanzlerkandidat“ als rechtlich verankerten politischen Begriff überhaupt nicht gibt – folgt man jedenfalls unserem Grundgesetz. Der Begriff meint traditionell den „Spitzenkandidaten“ der Parteien, die die größte Aussicht darauf haben, nach der Wahl den Kanzler zu stellen. Aber gut: Die Grünen haben auch bei der letzten Wahl eine „Kanzlerkandidatin“ gestellt – und da waren ihre Umfrageergebnisse nicht so schlecht wie jetzt, wo sie eine treibende Kraft in einer Regierung sind, die schon nach gut zwei Jahren allen Kredit verspielt hat.

Aber das ist das absurde Politikverständnis der GRÜNEN! Sind die Umfrageergebnisse schlecht, hat das Volk die Weisheit der GRÜNEN noch nicht verstanden, und das Problem besteht eigentlich nur darin, dass die Wirklichkeit nicht zu den Auffassungen und Vorschriften der GRÜNEN passt. Kann man das einen grünen Realitätsverlust nennen? „Unter einem Realitätsverlust versteht man einen psychischen Zustand, bei dem der Patient nicht mehr in der Lage ist, die ihn umgebende Situation mit ihren Objekten und Ereignissen zu erkennen, sondern in einer individuellen „Parallelwelt“ lebt“. (DOCCheck Flexikon).

Oder ist das viel einfacher: Vielleicht ist es einfach so wie mit der Mehrsprachigkeit (siehe oben): die deutsche Gesellschaft tut sich eben einfach mit dem richtigen Umgang mit den GRÜNEN noch schwer!

***Das Problem der „doppelten Halbsprachigkeit“ soll hier nicht thematisiert werden( siehe etwa: https://www.observatoireplurilinguisme.eu/ro/fișiere-tematice/cultură-și-industrii-culturale/88889082-bilinguisme/15971-mehrsprachigkeit-„doppelte-halbsprachigkeit-gibt-es-nicht“)

***a: https://www.gruene-hamburg.de/Veranstaltung/podiumsdiskussion-im-rathaus-mehrsprachigkeit-als-chance-fuer-hamburger-schulen/

**** https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/article241511294/einzige-deutsche-in-der-klasse-loesungen-keine-ideologie.html; siehe auch: https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/article241507068/wie-es-ist-die-einzige-deutsche-in-der-klasse-zu-sein.html

****** https://www.focus.de/politik/deutschland/kanzlerfrage-gruenen-machtkampf-bahnt-sich-an-robert-findet-dass-er-an-der-reihe-ist_id_259830725.html

 

 

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
11 Kommentare
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Ro.Bien.

13 Prozent sind noch zu viel. Da muss noch weniger gehen. Auch bei der FDP. Bei dem Gedanken der Alternativlosigkeit, erstmals in meinem Leben CDU wählen zu müssen, wegen Laumann und Abstrichen Reul, nicht wegen des neuen Schnösels in NRW, wird mir übel. Dann vielleicht doch lieber die Partei „DIE PARTEI“.

0
0
Ro.Bien.
Heinz Niski

Sie hat erkennbar eine Sprachstörung. Sie ist kein Sympathieträger, von Ehrgeiz angetrieben, zieht alle Register, um mehr zu scheinen, als zu sein. Dennoch oder gerade deshalb hat sie es in hohe Parteiämter und in ein Regierungsamt geschafft. Ich finde ihre Politik für das Land, für den Weltfrieden gefährlich, unsäglich, eine Beleidigung der Wähler. Sie wird unterschätzt, verkannt.

0
0
Ro.Bien.

Unterschätzt? Inwiefern? glaub ich nicht. In erster Instanz wird sie den Niedlichkeitsjoker in dieser unsäglich politischen Männerwelt gespielt haben – was sie dahin gebracht hat, wo sie gerade ist. Der hat sich aber bald allein wegen des steigenden Alters in diesem dreckigen Geschäft auserzählt. Fehler werden jetzt ernst genommen.

1
0
Ali-Emilia Podstawa

Seit wann können älter werdende Frauen nicht mehr niedlich sein?
Aber: „niedlich“ als Attribut für eine bärenstarke, selbstbewusste, mächtige, sportliche, vom Steuergeld gutfrisierte, visagierte und manikürte Frau zu verwenden, ist Sexismus vom Allerschlimmsten. Wenn ich sowas lese, werde ich richtig baerbockig!

0
0
Ro.Bien.

Du meinst das herrlich deutsche Wort Stutenbissigkeit – ja, auch das traue ich ihr leider zu. Ich wünschte, ich könnte was Anderes berichten. Erinnert mich ein bisschen an den jungen Schröder. Ich eröffne den Wettbewerb: das männliche Pendant zur Stutenbissigkeit heißt? Weiß jemand was zur Kinderstube von Frau Baerboeckin?

0
0
Ali-Emilia Podstawa

Ja, als Veganer*in kaum nachvollziehbar. Ich hätte bei Ehelichung den Doppelnamen bevorzugt, einen klassischen Imperativ: Baerbock-Holefleisch.

0
0
Ro.Bien.

Von mir aus – ich weiss immer wovon ich rede, wenn ich sowas schreibe.

0
0
Ali-Emilia Podstawa

Das war zu befürchten.

0
0