Die Ratsversammlung beinahe eine Boxbude mit Ratsherren als Kirmesboxern. Luft im Ratssaal testosterongeschwängert. Kurz vor knapp mit Kloppe!
Was war da los?
Nein, es war nicht die jetzt bekannt gewordene Tatsache, dass das einstige It-Girl der Gelsenkirchener Polizei, die Prinzessin im Präsidiums-Party-Keller, schon wieder zum nächsten Arbeitsplatz weiterzieht, ohne allerdings, dass der Begriff „Wanderhure“ hier, selbst als Metapher gemeint, angemessen wäre, der Anlass dafür war , dass Männer, die an Pulten sitzen, kurz davor standen, den Kampf zwischen George Forman und Muhammad Ali in Kinshasa (30.10. 1974, bekannt als Rumble in the Jungle) nachzuspielen.
Dafür hätte man noch Verständnis haben können, denn wegen schöner Frauen sollen schon ganze Kriege angezettelt worden sein (Helena-Mythos!).
Doch mitnichten: Der Rat war weder Swinger-Club noch Schwinger-Klub!
Nein, viel profaner!
Eine überflüssige Resolution sorgte für die aggressive Verpuffung samt dem Abhusten von Drohungen, dem Abladen emotionalen Sondermülls und dem Entäußern intellektueller Notdurft. Eine „Trierer Resolution“ – nicht zu Ehren von Karl Marx, dem bekanntesten Sohn der Stadt! Sondern eine Resolution des „Deutschen Städtetages“, die so beginnt:
„ Das jüngst bekannt gewordene Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland hat uns alle schockiert. Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren.“ **
Sehen wir einmal darüber hinweg, dass die Resolution auf den (vermeintlichen) Rechercheergebnissen der Redaktion von „Correctiv“ beruht, die mittlerweile selbst Begriffe/Behauptungen zurückgenommen hat (Deportation von Millionen), sich in etliche Widersprüche verstrickt hat und sich Klagen bzw. Unterlassungserklärungen von Teilnehmern der (angeblichen) Geheimkonferenz ausgesetzt sieht, ist die Resolution an sich von dem Stellenwert, den andere Entschließungen der Stadt aus der Vergangenheit auch hatten und haben (Gelsenkirchen – atomwaffenfreie Zone, Gelsenkirchen – Stadt ohne Gewalt). Aber dennoch war sie Anlass genug, dass der Lautsprecher der Gruppe WIN Klage erheben konnte über die (von ihm behauptete) bundesrepublikanische Islamfeindlichkeit und eine nachfolgend erklärte Nähe von AfD und FDP, was den Auftakt zu einem Potpourri der guten Laune mit eindeutigen Kopulations-Untertönen („Komm doch!“) machte.
Letztere Töne vernachlässigte der für Wokeness, Erziehungsprobleme und Gartenparty-Wochenend-Berichterstattung zuständige WAZ-Lokalredakteur allerdings und zitiert stattdessen den politischen Höhenflug der GRÜNEN Frontfrau*** nicht nur im Fließtext, sondern auch noch extra dick hervorgehoben als Eyecatcher mitten im Bericht: „Die aktuelle Demokratiebewegung ist weder ein gehypter Trend noch eine Inszenierung der Regierung.“****
Recht hat die Richtkanonierin der Grünen hier: Der „Hype“ war keiner, sondern ein kurzes Aufflackern, das letzte Gefecht einer sich selbst als Kern der Demokratie verstehenden „Mitte“, für die alles „rechts“ ist, was nicht auf Regierungslinie liegt. Der „Hype“ hat nicht dafür gesorgt, dass die Zustimmungswerte der AfD, um die es ging, gesunken sind, sondern – von Prognosen für die Wahl im Bund abgesehen – teilweise gestiegen sind (Europa, Hamburg 2025, Landtagswahlen 24 und Nachwahlen in Berlin vor ein paar Tagen). Richtig ist auch, dass die Demonstrationen nicht „von der Regierung inszeniert“ waren (wie einst die Demos für die und von der SED in der DDR), aber überwiegend organisiert für die Regierung von regierungstreuen oder der Regierung nahestehenden Kräften und Vorfeldorganisationen, was sich schon an den Rednern auf den Kundgebungen und den Transparenten festmachen ließ (von Transparenten mit Mordaufrufen wie „Tötet Afdler“ oder sexuellen Obsessionen wie „Fick AfD“ oder wie in Gelsenkirchen „Fickt eure Mütter, die AfD gewählt haben“ natürlich abgesehen). Schon gar nicht haben die Demonstrationen, und das ist das Entscheidende, die Ursachen für den Aufschwung der AfD beseitigt. Noch nicht einmal angesprochen wurden die Ursachen. Die Demonstrationen dienten der Selbstvergewisserung, auf der richtigen Seite zu sein.
Was von denjenigen, die die Resolution auf die Tagesordnung gesetzt hatten, also der großen Koalition aus SPD, CDU, FDP und GRÜNEN, erhofft worden war, nämlich die gemeinsame Geißelung der AfD auf Grundlage der wohlfeilen „Trierer Erklärung“, führte in ein Desaster, in einen „historischen Tiefpunkt in Gelsenkirchen“, in ein „Schmierentheater“, wie es WAZ-Chefredakteur Sinan Sat nennt. Und auch wenn es dem blau-weißen Herzen wehtut, dass ich zustimmen muss, zitiere ich trotzdem den letzten Satz des Sat-Kommentars: „Die Ratssitzungen haben zunehmend Ähnlichkeit mit dem Spielen des FC Schalke 04 – immer, wenn man denkt, schlimmer geht es nicht, wird man eines Schlechteren belehrt.“****
**Quelle/kompletter Text der “Trierer Erklärung” https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/2024/demokratie-und-menschenwuerde-trierer-erklaerung-des-deutschen-staedtetages
***Frontfrau siehe hier zum Gendern: https://www.genderator.app/wb/frontmann/
**** https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/im-gelsenkirchener-stadtrat-kommt-es-fast-zur-schlaegerei-id241686222.html auch:Eklat im Parlament- historischer Tiefpunkt in Gelsenkirchen
Die Jobbezeichnung klaue ich mir. By the way, welche Zitate im Print-Text hervorgehoben sind, entscheiden die Menschen in der Autorenzeile mittlerweile gar nicht mehr.
Na ja…klauen? Als Mitglied bei VG Wort achte ich natürlich auch auf meine Rechte. Aber: in Ordnung, ich freue mich, wenn Ihnen die Formulierung gefällt und gestatte die Verwendung (ohne Gebühren). Dass nun in den WAZ-Print-Texten die Hervorhebungen (Zitate) von anderen bestimmt werden, ist mir neu, kenne ich aus meiner Zeit am Regio-Desk in Essen nicht. Da durfte ich übrigens nur Rechtschreibung und Grammatik korrigieren, Ausdruck nicht- das war dann zu persönlich. Wenn ich Sie also für etwas in Haftung genommen haben, was nicht auf Ihre Kappe geht, bitte ich um Entschuldigung und Nachsicht. Die Herausgeber des HerrKules greifen nicht in meine Texte ein- aber dafür arbeite ich unentgeltlich und muss die SUVs der beiden Chefs zweimal im Monat durch die Waschanlage fahren! Auch ich werde also geknechtet!
Wie die WAZ meldet, haben sich schon vor der gestrigen Eskalation während der Ratssitzung SPD, CDU, FDP und GRÜNE zusammengetan, um durch Veränderungen in der Geschäftsordnung der zeitlichen Überdehnung von Ratssitzungen und den teilweise chaotischen Zuständen entgegenzuwirken. Im Kern liegen die Vorschläge im Bereich der Redezeitverkürzung, betreffen die Geschäftsordnungsdebatte, die Diskussion im Rat selbst und den TOP Anfragen und Mitteilungen sowie die Gesamtdauer der Ratssitzungen.
Aus meiner Sicht als langjähriges Mitglied des Rates und seiner Ausschüsse kann ich nachvollziehen, dass man sich auf eine Sitzungszeit von maximal fünf Stunden verständigt hat, wenn das von der Sache her zu rechtfertigen ist und Ausnahmen möglich sind bei Entscheidungsfindungen, die von großer Bedeutung sind (man denke etwa an die Entscheidungen zum Hans-Sachs-Haus zurück). Denn man muss tatsächlich berücksichtigen, dass die Mitglieder des Rates und seiner Ausschüsse ehrenamtlich tätig sind und noch andere Verpflichtungen haben (Beruf, Familie, Ausbildung, Studium etc.).
Wenn das Vorhaben zu einer Versachlichung des Geschehens im Rat führen soll, dann ist das Kind, so glaube ich, schon jetzt in den Brunnen gefallen. Denn die kleineren Fraktionen, die Gruppen und die Einzelmandatsträger werden die Redezeitbegrenzungen bei einer Halbierung der Redezeit natürlich als Einschränkung empfinden. Wichtiger aber ist das Verfahren: Die vier genannten Fraktionen haben sich untereinander verständigt, haben selbst bei der Halbierung der Redezeit immer noch ausreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen. Aber zu meinen, man könne einen unproblematischen Konsens herstellen, wenn man sich in kleiner Runde trifft und einen Beschluss dann über die Presse „von oben herab“ mitteilt, ist blauäugig. Warum man Vertreter der „Kleinen“ nicht mit an den Tisch geholt und bereits im Vorfeld den Konsens gesucht hat, bleibt dass Geheimnis der „Viererbande“. Besonders nach den Vorfällen der letzten Ratssitzung ist das, aus der Sicht der „Kleinen“, ein Hantieren mit der Giftspritze. Ein richtiges Anliegen wird ohne Not geschreddert. Und jetzt wird eine Vorlage in den Rat eingebracht werden, die vom Hauch der politischen Verderbtheit umweht ist.
Das Ehrenamt lässt bei Sport und Politik durchaus Variablen der Ehrenvergütungen zu, worüber sich alle anderen Selbslosen ohne irgendeinen Heller verwundert die Augen reiben. Die ganze Aufregung wird am Schluss immer nur aufs Selbe heraus laufen. Man wird nicht drumrum kommen, es kläglich praktisch vor aller Augen scheitern zu lassen.
Grundsätzlich stimme ich dir zu, was die “Aufwandsentschädigungen” angeht:wenn du in vielen Ausschüssen bist und dem einen oder anderen Gremien (Aufsichtsräte), kann sich das zu einem guten Nebeneinkommen auswachsen. Das ändert nichts daran, dass Ratssitzungen (inclusive. Vorbereitungen etc.) zeitintensiv und aufreibend sein können, wenn man die Sache ernsthaft betreibt und nicht nur, um nebenbei Geld einzuheimsen. Aber hier geht es um a) den Umgang miteinander und b) Auswüchse in die Richtung, dass sich Ratsherren und Ratsdamen gerne mal so fühlen, als drehten sie am Rad der Weltgeschichte (siehe den Beitrag unten von F.P.)
Ich bin jedenfalls froh, dass ich da nicht mehr hocke!
Kann ich nachvollziehen. Aber sowas macht man ja als Hobby. Freiwillig. Wenn dann noch ein paar Aufsichtratsitzungen…aber lassen wir das.
Gegen Brüllereien im Rat wenns zu was führte, hätte ich nicht mal was. Dafür lohnte sich dann wenigstens das Rats-TV.
Wir wissen aber doch alle, dass es im Grunde egal ist, worum es geht: Um Trier, Lösungen für Faeser oder Bananen: Wenn die Volksvertreter sich untereinander nicht grün sind oder härter: nicht mal miteinander mehr reden können, um was es in der eigenen Stadt wirklich geht, muss die Mannschaft oder Frauschaft ausgewechselt werden. Und zwar schnell bis zur nächsten Kommunalwahl. Alles Andere ist Zeitverschwendung.
Ich häte übrigens gern den Brief von Frau Welge an Frau Faeser eins zu eins gelesen. Was für die WAZ bestimmt ist, kann auch den Bürgern original zugemutet werden.
Ja, die vielen Resolotionen mit Bezug zum Geschehen in der gesamten Bundesrepublik und Kriegen in Europa und Nahost, vielleicht demnächst auch in Taiwan, sind im Gelsenkirchener Rat stets von hoher Priorität. Man hat ja nur wenige lokale Probleme zu lösen. Führt die stete Beschäftigung mit allerlei Resolotionen doch die, von der städtischen Trostlosigkeit Gelsenkirchens, gebeutelten Ratenden in eine große Flughöhe gefühlter Wichtigkeit. Man fliegt dann, um singend bei Reinhard Mey einzusteigen, über den Wolken, wo die Freiheit (…vom Geschehen unten z.B. in Rotthausen) wohl grenzenlos sein muss. Also her mit der nächsten Reso! Dass man sich nun während derart weltbewegender Thematik (Trierer Resolotion) in die Fressen hauen will, ist für mich ein erheiternder Neb enaspekt. Endlich mal eine Freak-Show im Rat im Stile des amerikanischen Circus Barnum & Bailey. Dort haben sich die Zwerge aus der Clown-Gruppe auch dauernd zum Vergnügen des Publikums mit Latten aufs Maul gehauen. Hat zwar nicht das künstlerische Niveau eines Cirque de Soleil, aber wir sind ja auch Gelsenkirchen.
So böse, so giftig. Bist wohl autochthoner alter gelernter GEler?
Zutreffender Kommentar von Sinan Sat.
Als interessiertes Bürgix eine Ratssitzung anzusehen und anzuhören, ist die ultimative Abschreckung vor Bürgixbeteiligung.
Zudem stellt sich die Frage, wie lang machen das die Mikrofone noch mit, wenn Frau Welge sie stãndig zurechtbiegt, zu sich hinführt, fast hineinbeißt, dann wieder von sich wegschiebt, während dieser Querulant am Rednerpult eine Pille nach der anderen dreht und im hintersten Absatz eines Verwaltungsdokuments noch eine persönliche Provokation entdeckt, die er der Welt mitteilen muss. Was hat der Mann?
Resolutionen und Exkursionen in Randbereiche der Kommunalpolitik, ohne den geringsten Bezug zu Gelsenkirchen, sowie emotional vorgetragene Lippenbekentnisse und sprachpolizeiliche Vorschläge mit Absolutheitsanspruch sind dagegen echte Highlights. Dafür würde ich den Stadtverordnet(t)en persönlich Feldbetten vorbeibringen, damit diese Gute-Nacht-Geschichten weiterhin in epischer Breite vorgetragen werden können. Zuhören, so wichtig!
Was macht eigentlich der ausgerufene Klimanotstand? Guter Beschluss damals. Das gesamte Klima in Gelsenkirchen hat sich offensichtlich weiter verschlechtert. Läuft.
Du solltest deinen Humor diversifizieren, bunter machen, auf breitere Beine stellen. Der Sketch von Ali Akyol, in dem er Krokodilstränen weint über die Behauptung Dritter, dass die türkische Gesellschaft gewaltaffin sei, um 5 Minuten später selber anderen Gewalt anzudrohen, hatte einen überraschenden Twist, eine klug kalkulierte Dramaturgie. Das sollte man, bei aller Kritik an vorhandenen Schwächen der Gesamtshow, nicht unterschlagen. So ein Livestream gibt ungewollt Einblicke in die politischen und persönlichen Dunkelkammern der lokalen Helden, die ja alle ein bisschen etwas messianisches haben. Immerhin gab es nur eine Schluckauf Rede, oder habe ich etwas überhört?