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Essen. Ein trüber Januarmorgen.

Lorant Göbler blickte aus dem Fenster seines Büros. Er konnte sehen, wie die Lichterkette der sich auf der A 40 langsam aufstauenden Fahrzeuge einer Schlange gleich Richtung Innenstadt kroch.  Ein tägliches Schauspiel am Morgen, das am späten Nachmittag noch einmal aufgeführt wurde – in die Gegenrichtung. Göbler wartete auf den Anruf, der für heute angekündigt war. In den letzten Tagen war die Spannung in der Redaktion und im gesamten Haus immer mehr angewachsen. Der Zeitpunkt war gekommen. Das Urteil des Verfassungsgerichts zum Haushalt, die Bauern auf den Straßen und am Fähranleger, das Gezerre um die Sparmaßnahme, die Umfragewerte, die Häme und Verachtung, die über das Land schwappten gleich einer trüben Brühe. Ja, es war Zeit. Und das Material war schon lange vorbereitet. Das Telefon klingelte. Göbler nahm den Hörer ab. Eine Stimme sagte. „Der Adler ist gelandet.“ Am anderen Ende der Leitung wurde aufgelegt. Göbler atmete durch und legte ebenfalls auf. Dann rief er in der online-Redaktion an. „Gordon Schwitzer, online-Redaktion.“ Göbler sagte nur „Go!“ und beendete das Gespräch. Er blickte aus dem Fenster. Die Schlange auf der A 40 war weiter angewachsen und lag still da. Wie eine riesige Anakonda, die auf Beute aus war.

Potsdam im November. Ein Rückblick.

Eigentlich war es völlig überflüssig, selbst vor Ort zu sein. Man wusste ja, wer teilnehmen würde. Man wusste, was besprochen werden sollte. Der Dienst würde sowieso alles aufzeichnen. Und die österreichischen Behörden hatten rechtzeitig Bescheid gegeben, dass Köllner sich auf den Weg gemacht hatte. Aber „ Mecki Pausbäckchen“, so wurde er redaktionsintern genannt, hatte bei den Gesprächen darauf bestanden, dass auch Redakteure und Fotografen vor Ort sein sollten, wenn auch diskret. Das war Teil seines Camouflage-Plans. Es sollte eben nicht der Dienst sein, der alles den Medien zuspielte, denn dann wäre eine Diskussion über illegale Abhörmaßnahmen losgetreten worden. Es sollte von Anfang an eine Recherche sein. Gute journalistische Arbeit – mit ein wenig James-Bond-Feeling. Story-Telling eben! Eine Brötchentüte – aufgepustet mit Luft, die, wenn man draufschlägt, mit einem lauten Knall zerplatzt.

Was nervte, war dieses usselige Wetter. Ein schmieriges, feucht-kaltes Gebräu! Aber das Zimmer, das er ohne Probleme gebucht hatte, war ganz hübsch. Landhausstil – aber hochwertig. Gediegen. Solide. Wenn es zu langweilig werden sollte, war ein Abstecher nach Schloss Sanssouci möglich, das nur 5 KM entfernt war. Die beiden Kollegen von Greenpeace, die vor Ort waren, hatten jedenfalls eine weitaus schlichtere Unterkunft, einige Kilometer vom Tagungsort entfernt, hatten aber schon herausgefunden, dass ein Saunafloß zu mieten war, mit dem man auf die rückwärtige Seite des Hotels schippern konnte, um von dort aus Fotos mit Blick in die Innenräume zu machen.

Die Gäste trudelten ein. Nicht wirklich Hochkaräter – außer Köllner natürlich! Aber darauf kam es nicht an. Man hatte sein Handwerk schließlich gelernt. Und es war mit dem „Hochschreiben“ von Personen wie mit dem alten Werbespruch der Betonbranche: „Beton- es kommt drauf an, was man draus macht!“ Was etwas verwunderlich war: Es gab keine Einlasskontrollen, kein Sicherheitspersonal, keine Räume, die gesperrt waren, man konnte sich, außer wenn ein Vortrag begonnen hatte oder eine Diskussion, unbehelligt im Haus bewegen und die Räume betreten. Und wer nicht völlig schlaftrunken war, sondern einen halbwegs wachen Blick hatte, konnte die Kameras vor dem Haus und die Fotografen auf dem Saunafloß eigentlich nicht übersehen.

Köllner referierte Altbekanntes. Man konnte den Eindruck bekommen, man sei Teil einer Promo-Veranstaltung für sein neues Buch. Eine insgesamt entspannte Veranstaltung, wobei nicht alle Gäste die ganze Zeit über im Haus waren und allen Vorträgen lauschten. Manchmal kamen die Diskussionen nur etwas mühsam in Gang.

Aber das Essen war gut. Und wie gesagt: das preußische Versailles ist nur 5 KM entfernt.

Essen. Im Februar.

 Natürlich war es ein Riesenerfolg. Die Geschichte hatte ein Eigenleben entwickelt, war fortgesponnen worden von Zeitungen, Nachrichtenredaktionen, den großen Prime-Time-Nachrichtensendungen, hatte Tausende und Abertausende auf die Straßen der Republik gebracht. Was ein wenig ärgerlich war: Mecki Pausbäckchen hatte sich bei einem Gespräch mit Journalisten verplappert: man habe alles schon gewusst, hätte alle Namen gekannt und dergleichen mehr. Auch dass es Gespräche im Vorfeld mit Regierungsstellen gegeben hatte, war nach außen gedrungen. Die Redaktion hatte sich gezwungen gesehen, auf ihrer eigenen Seite Fragen zu beantworten: War das Treffen geheim? Waren die Erkenntnisse überhaupt neu? Warum kam die Veröffentlichung erst im Januar, wo doch das Treffen schon im November war? Bekommt die Redaktion Finanzmittel aus staatlichen oder staatsnahen Quellen? Hat es im Vorfeld Gespräche mit Regierungsvertretern gegeben?

Aber was Göbler wirklich ärgerte: Jetzt schossen die Vorbestellungszahlen für das Buch von Köllner auch noch durch die Decke, so als hätte die Redaktion mit dem Artikel und der Theaterinszenierung tatsächlich kostenlose Promo für ihn gemacht! Vertrackter Mist!

Und Pausbäckchen ließ sich neuerdings bei Anrufen in der Behörde verleugnen!

Undank ist der Welt Lohn!

Und er selbst? Er hatte die ganze Zeit im Hotel verbracht. Hatte noch nicht einmal einen Abstecher nach Sanssouci gemacht an jenem Wochenende.

Sans souci: ohne Sorge! Der Name des Schlosses hatte jetzt einen zynischen Beigeschmack bekommen!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Ich habe mal diesen Plagiatsjäger auf den Text aufmerksam gemacht. Der kommt mir so bekannt vor. Habe ich schon mal irgendwo gelesen… auf einer Correctiv Seite????

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