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Ich bin empört und erschüttert! Erschüttert bin ich über meine (bisherige) Unkenntnis, empört bin ich über den Sachverhalt. Zur Sache: Erst gestern habe ich herausgefunden, dass das Willy-Brandt-Haus, die Parteizentrale der deutschen Sozialdemokratie (SPD), nur rund 1,9 KM vom Gelände des berühmt-berüchtigten „Führerbunkers“ im Garten der damaligen „Neuen Reichskanzlei“, einem Protzbau des Diktators, entfernt liegt. Ob das Zufall ist oder nicht, dass die SPD eine so miese Politik macht und der Kanzler so schlechte Beliebtheitswerte hat, oder ob es doch auch irgendwie an der Nähe zu einem Verbrechensort der NS-Zeit liegt?

Und ist das jetzt ein Zufall, dass die Geschäftsräume der Partei Die GRÜNEN und des Vorstandes am „Platz vor dem Neuen Tor 1“ liegen, also nur rund zweieinhalb Kilometer entfernt von dem Ort, an dem das Zentralkomitee der SED die Diktatur über die Bürger der ehemaligen DDR organisiert hat, mit Bespitzelung, Unterdrückung und Mauertoten (Haus am Werderschen Markt). Kann es also sein, dass der unheilige Geist der DDR-Diktatoren-Partei dafür verantwortlich ist, dass bei den GRÜNEN so ein Hang zur Bevormundung, zur Besserwisserei, zur Abgehobenheit vom Leben der normalen Menschen feststellbar ist und sie gerne, ohne Rücksichtnahme, durchregieren möchten? *

Ich frag nur so, denn die Theatermacher und Stückeschreiber von „Correctiv“ stellen in ihrem „Enthüllungsbericht“ auch solche blöden Spekulationen an: „Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten“.***

Na ja, zunächst ´mal Fakten: das Landhotel Adlon steht am Lehnitzsee in der Nähe von Potsdam, und die „Wannseekonferenz“  fand am 20.1.42 am Wannsee statt – und der liegt in  Berlin Steglitz-Zehlendorf und ist zwar von der Luftlinie her etwa 8 KM vom Wannsee entfernt, wie im Artikel behauptet wird,  aber tatsächlich (je nach Fahrtroute und Abfahrts- bzw. Zielpunkt) zwischen 12 und 15 KM bei einer Fahrtdauer von 21 bis 27 Minuten.

Es geht aber nicht um die Korrektheit von Zahlenangaben und KM- Distanzen, sondern es geht den Machern von „Correktiv“ durch den zwischen den Orten hergestellten Bezug darum, eine Nähe zwischen den Fieberfantasien der im Landhotel Adlon Versammelten und der NS-Diktatur herzustellen. Das ist lächerlich und gefährlich zugleich:

Auf der Konferenz fanden sich 15 hochrangige Vertreter der NS-Reichsregierung und der NS-Behörden ein. Deutschland war seit 1933 eine Diktatur, die deutsche Armee hatte große Teile Europas unter ihrem Stiefel. Die Entscheidung zur Vernichtung der europäischen Juden war im Grunde bereits mit dem Angriff auf die Sowjetunion beschlossene Sache (22.6.41). Die Konferenz am Wannsee hatte die Aufgabe, die Deportation aller Juden Europas in den Osten zu planen, also die systematische Ermordung der Juden vorzubereiten und die Auslöschung in den Konzentrationslagern (und damit die fabrikmäßige Tötung der Juden) auf den Weg zu bringen. Diese ungeheuerlichen Beschlüsse (und die Inangriffnahme ihrer Durchführung) sowie das anwesende hochrangige Personal auf eine Stufe zu stellen mit den Versammelten im Landhotel und ihre Überlegungen, wenn auch assoziativ, ist nicht nur plump, sondern eine Verharmlosung der Shoa und des Nationalsozialismus.

Dies trifft, wie ich finde, auch auf den im „Correctiv“-Artikel und in politischen Alltagsagitation verwendeten Begriff „Nazis“ zu (auf Pappschilder der letzten Demonstrationen „FCK Nazis“ oder „Wir hassen Nazis“ oder „Nazis boxen“). „Nazi“ ist nicht nur eine Verkleinerungsform (Verniedlichungsform), hinter der die politische Strömung und Ideologie verschwindet, sondern die Bezeichnung kappt die beiden Bestandteile „Nation“ und „Sozialismus“ und schränkt damit schon eine inhaltliche Betrachtung der Partei und Bewegung ein.

Indem die „Correctiv“-Macher ihrer Agenda folgen, die darin besteht, sich als taffe Vorkämpfer gegen die NS-Diktatur zu gerieren, indem sie die Versammlung im Gasthof nahezu auf die Stufe der Vorbereitung der NS-Verbrechen stellen, geraten die „Macher“ in den trüben Tümpel revisionistischer Geschichtsbetrachtung, die, indem sie die Versammlung im Landgasthaus vergrößert und plump vergröbert, die NS-Herrschaft verkleinert. Der Nationalsozialismus wird als Trigger-Element verwendet – zur Dramatisierung mit hysterisierender Funktion. Die Shoa wird verkleinert und instrumentalisiert, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Eine politische Entgleisung – allerdings nicht neu:

Die französische Sprachwissenschaftlerin Marie-Hélène Pérennec stellte eine Häufung von Nazi-Vergleichen seit Ende der 1990er Jahre fest und meinte, „dass der politische Diskurs sich seit einem Jahrzehnt so radikalisiert hat, dass derartige Entgleisungen beinahe allen Rednern passieren können und dass es schwierig wird, zwischen Provokation und Ungeschicklichkeit zu unterscheiden“.[14] Zur Erklärung der Zunahme verweist sie auf Harald Welzers Aufmerksamkeitsvermutung: „Aufmerksamkeit kriegen Sie immer, wenn Sie die Nazi-Karte spielen.“[15] Doch Pérennec vermutet: „Inzwischen haben sich die Menschen an diese Beschimpfungen gewöhnt und beachten sie kaum noch.“[16] Die wichtigste Folge dieses Prozesses sei jedoch „die Verharmlosung der Verbrechen der Nazis“, die durch die Gewöhnung an NS-Vergleiche verursacht werde.“ ****

Der Zulauf zur AfD ist die Widerspiegelung der Schwäche (der mangelhaften Politik) der gegenwärtigen Regierung und der Verschiebung des politische Spektrums nach links in der Merkel-Ära. Die CDU hat sich in vielen Politikbereichen, in denen die AfD heute punktet, von ihren Werten verabschiedet und sich nach „links“ orientiert. Sie hat die Mitte und den „rechten Rand“ preisgegeben. In diese Lücke ist die AfD gestoßen. Gleichzeitig hat sich die SPD „vergrünt“ und „verakademisiert“ und ihr Kernklientel aus den Augen verloren. In diese Lücke ist die LINKE, teilweise aber auch die AfD und jetzt die Wagenknecht-Gruppe eingerückt.Die Politik der gegenwärtigen Regierung hat dieser Entwicklung   zusätzlichen Schub gegeben. Dazu kommen handwerkliche Fehler in etlichen Politikfeldern und eine „Grundstimmung“, die der AfD in die Hände spielen, so etwa die spürbar herablassende Haltung der Regierung (v.a. Scholz) während der Bauernproteste.

Aber etwa anderes ist viel wichtiger in Bezug auf die AfD und die Hysterie, die verbreitet wird – samt der schiefen NS-Vergleiche. Ja, die AfD liegt bundesweit bei 20% plus, in einigen Bundesländer bei 30%plus. Das heißt aber doch auch: zwischen 65 und 80 % wählen die AfD nicht! Es ist nur nicht mehr so, dass eine der ehemaligen „Volksparteien“ mit 40 oder mehr Prozentpunkten aus der Wahl hervorgeht.

Zudem: anders als in der Weimarer Republik, die seit ihrer Gründung demokratisch instabil war und durch weitaus größere wirtschaftliche Einbrüche und soziale Verwerfungen gekennzeichnet war als es die Bundesrepublik heute ist, sind unsere Institution weitgehend demokratisch gefestigt. Das scheint in den Köpfen vieler aber keine Rollen zu spielen, denn die einen fürchten den Zusammenbruch des Staates und den auf der Tagesordnung stehenden „rechten Putsch“, wogegen die anderen schon (oder vielleicht) von der Machtübernahme träumen.

Beides ist Unsinn!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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