Mit dem Begriff „Dichter“ waren lange Verfasser von Lyrik gemeint, Autoren also, die Gedichte schrieben. Das hat, vom Begriff her, durchaus etwas für sich, denn ein Gedicht zeichnet sich sprachlich dadurch aus, dass es „dicht“ gemacht worden ist, was meint, dass ein intensiver Gedanke oder die Schilderung eines Erlebnisses oder Vorgangs, eines Gefühls, einer Landschaft oder einer Stimmung mit möglichst wenig Sprachmaterial auskommt, wogegen das Gefühl, die Landschaft, die Stimmung usw. in einem Roman vor dem Leser oder der Leserin sprachlich weit ausgeführt wird oder ausgebreitet werden kann.
Heute wird man sich mit dieser Sichtweise nicht begnügen – der Begriff wird jenseits von Gattungsbestimmungen – eher mit der Bezeichnung „Schöpfer von sprachlichen Kunstwerken“ verbunden, wobei man nun wiederum vor dem Problem steht zu entscheiden, wann ein sprachliches Werk denn die Grenze zum Kunstwerk überschreitet und als solches gelten kann. Neben den Begriff des Dichters sind andere getreten: Autor, Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker. Und: es gibt selbstverständlich auch Autorinnen, Schriftstellerinnen, Lyrikerinnen! Und hat es schon immer gegeben! In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts tauchte der alle Kunst- und Kultursparten umfassende Begriff „Kulturschaffender“ auf, der im Nationalsozialismus als Bezeichnung verwendet wurde und ebenso in der DDR und auch heute gelegentlich wieder auftaucht.
Zum Abschluss der Einleitung zwei Zitate von Dichtern(?), Autoren(?), Schriftstellern(?):
„Wenn meine Dichtung auf irgendetwas abzielt, dann darauf, die Menschen aus den Zwängen zu befreien, innerhalb derer sie sehen und fühlen.“ — Jim Morrison (Sänger The Doors)
„Dichtung ist Verdichtung, eine Essenz. Literatur ist dagegen Auflösung, ein Genußmittel, das das unbewußte Leben erleichtert, ein Narkotikum. […] Dichtung ist das gerade Gegenteil. Dichtung erweckt.“ — Franz Kafka
Einen schönen Sonntag und eine schöne Woche!
Dichter und Dichtungen
Ein Dichter hat das Dichten nicht studiert
Und auch keine Lehrzeit absolviert
Und auch ist hier in unserem Land
Kein Dichter-Praktikum bekannt
Fürs Dichter-Sein gibt´s kein Diplom
Und auch keinen Mindestlohn
Der Dichter bringt Wörter aufs Papier
Bekommt vielleicht ´nen Preis dafür
Doch ob er genug zum Leben hat
Steht auf einem anderen Blatt
Ihr kennt das Bild „Der arme Poet“
Den ihr beim Dichten im Bette seht
Ach – und wenn ´mal tropft euer Wasserhahn
Dann bringt einfach ne neue Dichtung an!