„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Sagt jedenfalls Albert Camus am Ende seiner Schrift „Der Mythos des Sisyphos“. Der Bursche hat, nur ganz gerafft dargestellt, mehrfach die Götter, auch Göttervater Zeus, hinters Licht geführt, reingelegt, ausgetrickst und war sogar dem Tod von der Schüppe gesprungen. Zur Strafe musste er einen riesigen Felsbrocken einen Berg hinaufaufrollen. Und immer, wenn er kurz vor dem Gipfel war, glitt ihm der Felsbrocken aus den Händen und rollte nach unten zum Fuß des Berges, so dass Sisyphos mit seiner Arbeit von vorne beginnen musste. Heute nehmen wir die alte Sage aus dem alten Griechenland natürlich eher als Sinnbild für unser menschliches Leben überhaupt, das durch Wiederholung und Scheitern gekennzeichnet ist, durch die Vergeblichkeit unserer Bemühungen. Gleichwohl sollen wir (wenn wir Camus´ These folgen wollen) glücklich sein – dadurch, dass wir uns diesem Leben stellen. Die Vergeblichkeit unseres Tuns erkennen – aber nicht aufgeben, das ist unser Kampf gegen Gipfel!
Also, ganz ehrlich! Bis auf einen Kletterversuch im Sauerland an einer Übungswand, angeseilt und doppelt gesichert, habe ich noch nicht gegen Gipfel gekämpft. Bei mir sind es eher die Niederungen. Niederungen in Gestalt von Terrassenfugen, aus denen immer wieder Grünzeug sprießt. Ich nehme den Kampf auf, auch wenn ich inzwischen weiß, dass er vergeblich ist. Ich kann nicht behaupten, lieber Albert Camus, dass ich das Gefühl bekomme, mein Herz sei jemals durch diese Tätigkeit ausgefüllt worden. Wenn ich was gemerkt habe nach dieser Tätigkeit, dann nicht im Herzen, sondern im Rücken! Auf der Höhe von L4/L5!
Einen schönen Sonntag noch und eine genussvolle Woche!
Zweizeiler der Woche: Ein verlorener Kampf
Seh´ ich das Grünzeug aus den Terrassenfugen sprießen
Kann ich den Kaffee am Nachmittag nicht mehr genießen
Den Kuchen lass ich steh´n, den Kaffee trinke ich nicht aus
Verlasse den bequemen Sessel und geh zum Gartenhaus
Bewaffne mich mit allem, was ich hab an Gartenkampfgerät
Damit zur Abendbrotzeit kein Halm mehr in den Fugen steht
Ich reiße, zupfe, kratze mit Werkzeug und von eigener Hand
Doch dieses Grünzeug leistet mächtig Widerstand
Dann muss ich es halt mit dem Gas- Flammenwerfer flämmen
Aber Obacht, sonst fangen die Terrassenmöbel an zu brennen
Ist durch den Feuerstrahl alles in den Fugen abgebrannt
Folgt erst Chemie, dann frischer Fugensand
Das Werk getan, ich setze mich, schlürf den erkalteten Kaffee
Während ich gedankenschwer das Grünzeug wieder sprießen seh´
Gelsenkirchen Stadtverwaltung und Politik: Das ist der Gipfel!
Und ich empfinde mich als Sisyphos. Wer noch?
Der Vergleich hinkt. Ich glaube nicht, dass Camus’ Sisyphos mit Terassenfugen zu vergleichen sind, die du nicht ausgekratzt bekommst. Lass es einfach wachsen. Der Winter tut seinen Teil. Oder seit wann bist du kleinkarrierter deutscher Kleingärter. Camus meint Größeres. Versuche es in deinem Leben zu finden. Vielleicht im Versuch als Mann auch gleichberechtigt zu sein ohne dir selbst und den Frauen im Weg zu stehen und/oder dich aus Bequemlichkeit zurück zu ziehen? Oder in der Care Diskussion einen wichtigen männlichen Part zu übernehmen und auch in der Öffentlichkeit Geschlechtsgenossen zu kritisieren, die Frauen Gewalt antun. Es gibt vieles und wichtiges, wo oben angekommen dir der Stein wieder runterrollt und du wieder von vorne beginnen musst. Aber es lohnt sich, es ist nachhaltig und wichtig für die Generationen nach uns! Dann wirst du glücklich werden und sein, zumindest
in kurzen Momenten. Mehr gibt’s nicht!
“Heute nehmen wir die alte Sage aus dem alten Griechenland natürlich eher als Sinnbild für unser menschliches Leben überhaupt, das durch Wiederholung und Scheitern gekennzeichnet ist, durch die Vergeblichkeit unserer Bemühungen. Gleichwohl sollen wir (wenn wir Camus´ These folgen wollen) glücklich sein – dadurch, dass wir uns diesem Leben stellen. Die Vergeblichkeit unseres Tuns erkennen – aber nicht aufgeben, das ist unser Kampf gegen Gipfel!”
Soweit oben meine Gedanken zur existenzialistischen Philosophie von Camus und zu deinem Hinweis “Camus meint Größeres”. Das kleine Gedicht ist, wie alle anderen in den vergangenen Wochen auch, eine mehr oder weniger gelungene spaßige Antwort auf die einleitenden Sachtexte, hier das “Größere” und eine gewollte Profanisierung. Wie wäre es also, wenn die Situation nur erfunden wäre, eine Kopfspielerei, um der großen Philosophie oder der Philosophie eines Großen etwas “Kleines” gegenüberzustellen?
Ja, dann unser kleines Leben mit/in dem wir Großes bewirken könnten wie beschrieben!