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Die Westfälische Hochschule (WH) aus der nördlichen Stadtrandlage ins südliche Stadtzentrum zu verlegen, ist eine Idee, die immer wieder aus der Schublade geholt, aber nie ernsthaft verfolgt wurde.

Gleich zwei Alt-Oberbürgermeister, Frank Baranowski (SPD) und Oliver Wittke (CDU), äußerten sich letztens sehr positiv zu diesem Vorschlag. Anlass war der zum Trauma gewordene Traum einer von 1000 Studierenden der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPVNRW) belebten Innenstadt. An Stelle der Hochschule soll nun das Zentralbad genau dort wieder auferstehen, wo es voreilig abgerissen wurde. – Traumaverarbeitung à la Gelsenkirchen.

Foto: Privat, „Luftschloss“

Die WAZ titelt zur Reaktion des verantwortlichen Wahlbeamten der Stadt Gelsenkirchen auf den Vorschlag der ehemaligen Verwaltungschefs: „Stadt redet Klartext“.

„Uns sind keine Argumente eingefallen, wie wir das Land davon überzeugen könnten.“
Einfallsloser Wirtschaftsförderer der Stadt Gelsenkirchen

Ablehnung auf ganzer Linie also bei der Stadtverwaltung, denn ein kompletter Umzug erzeuge Kosten in Richtung einer halben Milliarde notwendiger Landesmittel und hinterlasse eine Investitionsruine in der Landschaft der Heege. Die Stadt habe eine Vereinbarung mit der Westfälischen Hochschule. Man arbeite bereits zusammen, z. B. beim digitalen Lernen, bei der Ausgründung von Start-Ups und man mische sich in die Zusammenarbeit von Hochschule und örtlichen Unternehmen ein. Noch Fragen?

Auch der aus Bochum stammende und in Bochum lebende Präsident der Westfälischen Hochschule zeigt keinerlei Ambitionen, den Umzug von einigen Fachbereichen oder der ganzen WH in den Gelsenkirchener Süden zu unterstützen. Ihm fallen keine Argumente ein, um die „Pendlerhochschule am Standort Gelsenkirchen“ zu etwas anderem zu machen. Allein die bessere Anbindung an den Hauptbahnhof hob er – wohl nicht ohne Eigennutz – als Vorteil gegenüber dem Status Quo hervor. Das studentische Leben in der Stadt hält der Hochschulleiter für existent: „In Buer gibt es durchaus, gemessen an der geringen Studierendenzahl, studentisches Leben.“ Von den immerhin gut 4500 Eingeschriebenen am Standort Gelsenkirchen scheinen sich also einige dorthin zu verirren. Ja, richtig, es gibt einen Dauerstreit zwischen Senioren und Gastronomen rund um den Dom. Die Alten wollen ab 21.00 Uhr ihre Ruhe haben, also genau dann, wenn die Jungen langsam eintrudeln und in die Nacht starten. – Ausgehwüste Gelsenkirchen.

Auf der Homepage der WH spiegelt sich die Ambitionslosigkeit des Präsidenten für den Campus Gelsenkirchen zu 100% wider. Dort finden unter dem Stichwort „Studentisches Leben“ die jeweils nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen „Extraschicht“, „Sommer Sound“ und „Rock Hard Festival“ eine Erwähnung. Für die Entfaltung studentischen Lebens an den übrigen 362 Tagen des Jahres wird der Nordsternpark empfohlen. Der AStA „organisiert zum Beispiel Reisen per Bus oder Flieger in europäische Metropolen wie Barcelona, Prag oder Amsterdam.“ Also blos weg hier? – Wo genau die ebenfalls erwähnten Kneipentouren die Studierenden zu Feiernden werden lassen, bleibt unbeantwortet. Vielleicht an den Standorten Recklinghausen, wo tatsächlich eine rege Kneipenszene existiert, oder gar in Bocholt?

Ausschnitt aus https://www.w-hs.de/gelsenkirchen/

Wer nun die Idee verfolgt, dass angehende Journalisten, Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftspsychologen, Informatiker diverser Ausprägungen oder Studierende im Masterstudiengang Management in umgebauten WH-Gebäuden des „Kaufhof“ oder des „Sinn“ auf der Bahnhofstraße in der Altstadt studieren könnten (all diese Studiengänge benötigen im Gegensatz zu den Ingenieurwissenschaften keine aufwändigen Labore), der muss sich sagen lassen: Das geht nicht in der Altstadt Gelsenkirchens. Genauso wenig wie Studenten-WGs, Studentenkneipen oder gar Szene-Treffpunkte. Die Tage der Freien Internationalen Universität Gelsenkirchen sind lange vorbei.

„Wir sollten uns auch nicht weiter mit solchen Luftschlössern beschäftigen, sondern schauen, was machbar ist.“
Luftschlossskeptischer Wirtschaftsförderer der Stadt Gelsenkirchen

Aufgabe der Wirtschaftsförderung ist es, Entfaltungsräume für eine prosperierende Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, in denen das öffentliche Leben in der Stadt – ohne Belastung des städtischen Haushalts – aus eigener Kraft heraus aufblühen kann. Die Verlegung einer Hochschule ins Zentrum der Stadt wäre ein Impuls in die richtige Richtung. So oder so ähnlich war die Argumentation bei der Bewerbung zum Verwaltungsdesaster rund um den Neubau der HSPVNRW. All das ist nun vorbei. Jetzt ist wieder ein klarer Verwaltungskopf gefragt. Bleibt die Frage, was denn jetzt machbar ist?

Machbar ist die Schaffung einer neuen unbefristeten Planstelle für 2024 im Vorstandsbereich 1 (Wirtschaftsförderung), mit der ein „kontinuierlicher Dialog zwischen Hochschule, Wirtschaftsförderung und der gesamten Verwaltung etabliert werden soll“. Dabei gehe es auch darum, in Bezug auf studentisches Wohnen und Leben „die Fäden zusammenzubringen“.

Resumee des  Wirtschaftsförderer der Stadt Gelsenkirchen

Man könnte diese Antwort für Satire halten, möge sich aber nicht zu sicher darin sein.

So eine neue Planstelle zum Fäden zusammenbringen wird alles ändern für die Stadt und ihre pendelnden Studierenden auf der grünen Wiese am Rande des Münsterlandes.

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Von Ali-Emilia Podstawa

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Heinz Niski

Manchmal drängt sich mir der Eindruck auf, dass Herr/Frau/DivX Ali-Emilia besessen davon ist, seine/ihre/XX Heimatstadt vom sicheren Listenplatz #401 in die konkurrierenden Sphären urbaner Metropolen zu hieven. Schade. Es ist doch so gemütlich hier unten .. hinter den roten Laternen.

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Ro.Bien.

Da sieht man, dass du keine Ahnung hast. Jeder Nebenverdienst über 520 Euro wird erstmal über die schlechteste Steuerklasse 6 für jede/n zwingend versteuert und sozialversichert. Man kann natürlich soviel arbeiten, bis man umfällt: Was unterem Strich dann noch übrig bleibt, weiss nur der Tod, das Finanzamt und die Krankenkasse.

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Heinz Niski

Korrekt. Zunächst strich ich Flanieren in Saint-Tropez, Helikopter Diving in Sydney, meinen Nachmittags Kopi Luwak Kaffee in Jarkarta. Wurde mir eh zu fad. Dass ich das nun nicht mehr von der Mehrwertsteuer absetzen kann, schmerzt mich schon. Andererseits…. hatte ich in der Steuerklasse 1, keine, Single, umgelegt auf die Lebenshaltungskosten ohne Steuertricksereien, auch knapp 50 % Abzüge. Mit Rentenbeginn gab es dann noch einmal einen dramatischen Einbruch. Kaputte Weißware oder ein Pauschalurlaub sind eine große Herausforderung. Deshalb bin ich von Tutankhamun Ale Pülleken, auf Oettinger umgestiegen. So bleibt noch Luft für Reparaturen und Benzin für meinen rumänischen Dacia und ab und an eine neue Hose bei TKMax.

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Ro.Bien.

 Kleidung wird überschätzt. Da sammelt sich über die Jahrzehnte soviel an und hat Mühe das Zeugs bis zum Exitus aufzutragen. Und wenn wegen der akuten Lebensmittelpreise Schmalhans Küchenmeister ist, passt man sogar noch in die Klamotten von vor 30 Jahren…

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Chri.Hac.

Wie hoch wird die Planstelle vergütet?

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Ro.Bien.

Eine leistungsgerechte Vergütung nach den Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) unter Eingruppierung in die EGr. 13 TVöD.
Keine Ahnung, was das in Zahlen bedeutet.

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Chri.Hac.

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Ro.Bien.

Es ist zum aus der Haut fahren. Wer braucht so eine Leitung? Ich meine, wer profitiert in der Verwaltung von so einer teuren Verwaltung? Für irgendwas muss der oder die doch gut sein, wenn schon nicht für die Stadt. Muss irgendein Parteigenosse oder Cousine untergebracht werden? Mit Verstand ist das ja nicht mehr zu erklären!

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Fra.Baran.

Wenn schon die Schaffung einer unbefristeten Stelle in der städtischen Wirtschaftsförderung als Erfolg gefeiert wird…na da fällt mir dann auch nichts mehr ein.

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Fra.Prez.

Ein offenes Wort mit Gewicht. Ich danke dafür!

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Fra.Prez.

Ein weiteres Puzzlestück für mein Narrativ zur langjährigen Entwicklung Gelsenkirchens. Mit bestenfalls mittelmäßigem Führungspersonal ohne Fantasie und einer mutlosen Grinsekatze an der Spitze ist der Abstiegskampf nicht zu gewinnen. Schlimmer noch; wer auf der operativen Verwaltungsebene Initiative und Mut beweist, bekommt zwangsläufig tiefen Berufsfrust. Auch hier gibt es in der Folge eine Darwinsche Evolution. Die wirklich guten Kräfte hauen ab oder meiden die Stadt. Was kommt? Nowack für Schmidt, oje? Schmidt war wenigstens noch gut angezogen.

p.s. Bei den kommunalen Parteien sehe ich das selbe Bild.

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