VRIENDJESPOLITIEK

Lucius Leuchtentrager (Gastbeitrag)

Es ist nicht so, dass wir Holländer (Nord- und Süd-Holland sind übrigens Provinzen eines Landes, das nicht Holland, sondern Niederlande heißt) tagtäglich nichts anderes machen, als am Nordseestrand zu sitzen, Kibbeling zu essen, zu kiffen und uns über die Deutschen zu amüsieren, die wir übrigens ethnophaulistisch auch gerne mal „moffen“ nennen. Nein, so ist es nicht! Zugegeben: Ein gewisses Amüsement bereitet der große Nachbar uns zurzeit schon. Die korrekten Deutschen: die Weltmeister im Verfassen von Vorschriften, Regeln, Verordnungen, Verfertigen von Listen und Allbewahrer von Primär- und Sekundärtugenden, über die Oskar Lafontaine in einer Kontroverse mit Helmut Schmidt einst sagte, man könne mit diesen auch ein KZ leiten!

Nun schaut ihr Deutschen in einen Sumpf von Immoralität, Korruption, Vorteilsnahme und Begünstigung und habt dafür noch ein neues Verb geschaffen: graichen. Und am schlimmsten ist: Es sind ausgerechnet die Obertugendbolde von den GRÜNEN, die Hypermoralisten, die die negativen Schlagzeilen bestimmen. Es ist nun nicht so, dass in anderen Parteien – von CDU/CSU über SPD und FDP bis zu den Linken und der AfD – keine Fälle dieser Art vorkommen oder vorgekommen wären. Aber die GRÜNEN sind die selbst ernannten Tugendwächter, die Partei mit dem neuen Politikstil, mit Transparenz und Compliance.

Jetzt ist das Geschrei groß über eine Trauzeugen-Affäre und eine Beauftragung für irgendein Gutachten-Geschreibsel zum Spottpreis von 600000 EURO! Dabei ist doch eigentlich viel interessanter, dass mittlerweile das gesamte Habeck-Ministerium von Mitarbeitern durchzogen ist, die entweder unmittelbar aus dem grünen Umfeld kommen oder aus Instituten, „Denkfabriken“ und Umweltgruppierungen, die seit Jahren aus öffentlichen Kassen Gelder bekommen und in den Diensten der „guten Sache“, also der grünen Ideologie, tätig sind und der Partei zuarbeiten, indem sie passende Stellungnahmen zu allen möglichen „Umweltthemen“ abliefern. Das ganze Habeck-Ministerium ist eine einzige grüne Hydra – was nachwachsende Köpfe angeht!

Aber was ich persönlich viel unterhaltsamer finde als die Graichen-Nummer ist der vor Gericht verhandelte Fall des früheren Hamburger Grünen-Bezirkspolitikers Michael Osterburg, der am vergangenen Mittwoch vom Landgericht Hamburg wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden ist. Der Mann hat sich, laut Gericht, in 113 Fällen der Untreue, teils in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung, schuldig gemacht. So etwa dadurch, dass er Privatausgaben (Reisen, Restaurantbesuche u.a.) in Höhe von 26000 EURO über die Fraktionskasse, also Steuergelder, abgerechnet hat. Während seiner Betrügereien war er zeitweilig mit Anna Gesche Lydia Gallina (das ist eine Person!), der jetzigen Hamburger Senatorin für „Justiz und Verbraucherschutz“ (wie passend!) liiert, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Dass Frau Gallina bei den GRÜNEN ist und von 2015 bis 2021 Vorsitzende der GRÜNEN in Hamburg und von 2015-2020 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft war, sei nur der Vollständigkeit wegen erwähnt!

Und so eine schöne Geschichte aus Tugend und Verrat, Politik und Liebe, Sex and Crime schafft es bei euch „moffen“ noch nicht einmal auf die erste Seite der großen Zeitungen oder in die Hauptnachrichten-Sendungen. Warum? Weil ihr euch schämt, dass ihr doch nicht moralischer seid als Italiener oder Griechen oder eure kiffenden Nachbarn am Nordseestrand? Oder weil in den Redaktionsstuben überwiegend Sympathisanten der grünen Tugendbolde sitzen, die sich mehr und mehr als falsche Kobolde erweisen?

Also, liebe Nachbarn! Entspannt euch! Kommt zu uns auf ein Wochenende an der Nordsee, zieht euch eine Tüte rein oder eine Portion Kibbeling oder beides! Schaut aufs Meer und lächelt! Weil ihr jetzt wisst, dass ihr nicht besser seid als die holländischen Nachbarn, die aber ein schöneres Wort für „Vetternwirtschaft“ haben: VRIENDJESPOLITIEK!

TOT ZIENS!

Lucius Leuchtentrager ist Dozent an der INholland University of Applied Sciences Alkmaar im Studiengang „Environmental Engineering“ und ist regelmäßiger Besucher der Heimspiele des FC S04 und des Musiktheaters im Revier