„Hänsel und Gretel“ ist eines der bekanntesten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm. Recht eigentlich eine Geschichte mit Horrorgestalten. Eltern, die ihre Kinder im Wald aussetzen, weil sie nicht genug zu essen haben. Eine alte Frau, als Hexe bezeichnet, die Kinder anlockt, um sie zu mästen und dann zu verspeisen. Ein Mädchen, Gretel, das die „steinalte“ Frau in den Backofen stößt, wo sie jämmerlich verbrennen muss. Ein Geschwisterpaar, das lügt. Denn als die alte Frau die Frage stellt „Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen!“, antworten Hänsel und Gretel bekanntlich „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“
Dieses himmlische Kind ist aber außerhalb der Märchenwelt ein recht wankelmütiger Geselle – und unberechenbar dazu! Was mit seinem Entstehungsprozess zu tun hat, der eben nicht göttlicher Natur (also nicht himmlisch) ist, sondern physikalischen Gegebenheiten folgt: „Wind entsteht in der Atmosphäre beim Ausgleich von Druckunterschieden, welche durch unterschiedlich starke Erwärmungen durch die Sonneneinstrahlung entstehen“ (Quelle: schuelerlexikon/physik/windenergie). Und hinzukommt, dass der Wind, wie wir alle aus dem Alltag wissen, nicht rund um die Uhr gleichmäßig weht, sondern mal stärker und mal schwächer ist, zwischen Flaute und Orkan pendelnd.
Und das ist auch das Problem, vor dem die Windenergieenthusiasten stehen, die meinen, unsere Energieprobleme ließen sich lösen, wenn wir die Bundesrepublik nur recht fleißig mit den Windverwertern verspargelten. Das Grundproblem lässt sich am vergangenen Jahr deutlich aufzeigen. 2021 ging nämlich die Energiegewinnung aus Windkraft zurück und Gas- und Kohlekraftwerke mussten “einspringen” und die Lücke füllen. „Bei Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen schwankt der Nutzungsgrad angesichts der wechselnden Wetterverhältnisse stärker als bei anderen Technologien. So sorgte das Orkantief „Sabine“ im Februar 2020 mit seinen starken Sturmböen dafür, dass Windkraft-Anlagen in Deutschland in diesem Monat knapp zur Hälfte (47,0 %) ausgelastet waren. Im Vergleich dazu lag im windarmen Juni 2021 der Nutzungsgrad bei 9,7 % –¬ das war der schwächste Wert seit Beginn der Erhebung im Januar 2018.“***
Wobei im Zeitraum 2018 bis 2021 der Nutzungsgrad der Windkraft insgesamt zwischen 10% und 47% schwankte. Windkraftanlagen produzieren bei einer Flaute eben keinen Strom, wogegen sie bei zu starkem Wind abgeschaltet werden müssen, da sonst die Anlagen technisch gefährdet sind und bei Abschaltung natürlich auch keinen Strom produzieren, sondern nur noch Strom verbrauchen (so werden u.a. die Rotorblätter mit Hilfe von Elektromotoren in die zum Wind günstigste Position gebracht). Die Gewinnung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist ähnlichen Schwankungen unterworfen und ebenfalls nicht steuerbar. Diese beiden Energiequellen haben dazu geführt, dass 2021 die Gewinnung von Strom aus „regenerativen Quellen“ gegenüber dem Vorjahr um 6% von 240TWh auf 225TWh gesunken ist und ihr Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung auf 45,7% sank (2020:50%). ****
Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Ausbau von Windkraftanlagen kräftig vorangetrieben werden. Im Programm der „Ampel“ findet sich dazu folgende Passage:
„Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Die nähere Ausgestaltung des Flächenziels erfolgt im Baugesetzbuch. Wir stärken den Bund-Länder-Kooperationsausschuss. Wir werden noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen alle notwendigen Maßnahmen anstoßen, um das gemeinsame Ziel eines beschleunigten Erneuerbaren- Ausbaus und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen zu organisieren. Wir werden sicherstellen, dass auch in weniger windhöffigen Regionen der Windenergieausbau deutlich vorankommt, damit in ganz Deutschland auch verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung steht (und Netzengpässe vermieden werden).“ (S.57)
Hier trieft der ideologisierte Wind-Wille nahezu aus den Zeilen, wenn verkündet wird, dass sogar Regionen, die weniger „windhöffig“ sind, also in denen das ganze Jahr über eher laue Lüfte wehen, mit „Windrädern“ vollgestellt werden sollen („deutlich vorankommt“), so als ob 20 Windräder, die sich nicht drehen, mehr Windenergie erzeugen als zehn Räder, die stillstehen. Wobei die „Ampel“ das Geheimnis für sich behält, wie sie „sicherstellen“ wird, dass der Wind immer gerade so weht, dass die Anlagen überhaupt ertragreich zum Einsatz kommen können, um das eigentliche Grundproblem der Windenergie (und auch der Photovoltaik) zu lösen, nämlich die „Grundlastfähigkeit“, die sich wohl hinter dem Begriff „Netzengpässe“ verbirgt. Die Stabilität des Stromnetzes kann durch Wind und Sonne eben nicht gewährleistet werden, was ganz profan die Leistungsschwankungen zeigen, die aus den Zahlen von 2021 und 2020 hervorgehen.
Im Grimm-Märchen ist der Wind ein „himmlisches Kind“, in der Wirklichkeit ist er ein unzuverlässiger Geselle, weswegen wir auch die Redewendung kennen, sein „Mäntelchen in den Wind hängen“. Und der „Windbeutel“ ist nicht nur ein leichtes Gebäck, das mit Sahne gefüllt, also fettig und wenig nahrhaft ist und wegen der Sahne schwer im Magen liegt, obwohl es Leichtigkeit vortäuscht, sondern auch eine etwas aus der Mode gekommene Bezeichnung für einen unzuverlässigen und leichtlebigen Menschen. Ein Mensch kann „windig“ sein, ebenso ein Angebot, das wir dann doch lieber in den Wind schlagen sollten. Und der Wind ist eben kein zuverlässiger Partner und kein Garant der „Grundlastfähigkeit“. Und weil der Wind so ist, können wir schon in der Bibel (Johannes 3/8) lesen: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht.“
Ganz egal, wie viele Windräder aufgestellt werden!
***www.destatis
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