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Heute laufen die Sportreporter und Kommentatoren der Gazetten und der Fernsehsender schon wieder heiß. Man hatte allseits orakelt, ob in dieser Bundesligasaison den Bayern die Meisterschaft streitig gemacht werden könne. Erste Zweifel, ob das gelingen kann, kamen auf, als die Bayern RB Leipzig im „Supercup“ mal eben souverän abbürsteten. Dortmund und Leverkusen haftet seit geraumer Zeit sowieso das Etikett der fußballerischen Inkontinenz an: nach ein paar guten Spielen, spätestens in der Rückrunde, wenn es auf die Meisterschaftsendstrecke zugeht, verflüssigten sich die beiden Vereine bisher zumeist bis zur Belanglosigkeit. Dann kam Frankfurt mit einer tollen UEFA-CUP-Meisterschaft, mit begeisternden Spielen und erstklassigen Stadionchoreografien der Fans. Und nun das: Die Bayern überrollen Frankfurt zum Auftakt der Saison mit 6 zu 1. Und das auch nur 6 zu 1, weil sie in der zweiten Halbzeit einen oder zwei Gänge runter schalteten und Manuel Neuer durch einen arroganten Dribbelversuch mit einhergehendem Ballverlust den Frankfurtern ein Tor nahezu schenkte. Die letzten zehn Meisterschaften (seit der Saison 2012/2013) hat Bayern München geholt – unabhängig davon, welcher Übungsleiter die Truppe im Training anführte. Ob einem das nun passt oder nicht:  Die Bayern bleiben in fußballerischer und finanzieller Hinsicht das Maß aller Dinge (in der Bundesliga): Geld schießt eben doch Tore (und verhindert Gegentore)!
Zumindest in Sachen Meisterschaft kommt also ein gewisser Gähn- und Gewöhnungseffekt auf: Besonders spannend wird das Meisterschaftsrennen auch in dieser Saison aller Voraussicht nach also nicht. Weswegen man der sportlichen Seite dieses Ballspiels auch keine große Aufmerksamkeit mehr schenken muss. Daher finde ich einen anderen Aspekt interessant, nämlich, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dieser Phase der bayerischen Dominanz auf der einen und der Schwachmatisierung der Sprache im Fußball auf der anderen Seite – und damit meine ich die Sprache der Fußballverantwortlichen und der Fußballer selbst und die Sprache der Reporter – egal ob männlich, weiblich oder divers. Also: Schau´n mer mal! (Franz Beckenbauer)

Fußballer und Infantilisierung
Fußballer (in der Bundesliga) sind zumeist erwachsene Menschen, die die Phase der Pubertät – landläufig auch gerne mal Pupertät (von Pupsen) oder Puppentät (nach dem Spielzeug) genannt – zumeist hinter sich gelassen haben. Sie stehen also an der Schwelle zum Erwachsensein oder haben diese bereits überschritten, können als fortpflanzungsfähig und körperlich ausgewachsen gelten und sollten (!!!) sozial und intellektuell weitgehend gereift sein. Wie weit die intellektuelle Reife fortgeschritten ist, tut hier nichts zur Sache: Es gibt Fußballer mit Abitur, sogar mit abgeschlossenem oder begleitendem Studium. Ob dies der Leistung auf dem Platz entgegensteht (Weisheit: Dumm kickt gut!) oder ob dies nur ein Klischee ist, soll hier nicht erörtert werden. Während bei Bundesliga-Spielern also generell von erwachsenen Personen gesprochen werden kann, zeigt sich seit geraumer Zeit in der Sprache, vor allem in der Namensgebung ein erschreckender Zug zur Infantilisierung, wenn Spieler über einen anderen Spieler sprechen. Beispiele der Schalker Mannschaft: Aus Dominick (Drexler) wird DOME, aus Rodrigo Salazar wird RODRI, aus Marius Bülter wird BÜLTI. Besonders das dritte Beispiel muss uns erschrecken: Hier wird sogar der Nachname infantilisiert, aus einem erwachsenen Bülter wird ein kindlicher Bülti. Nicht nur Fußballer adressieren sich so, sondern auch bei Äußerungen von Trainern und fußballerischen Verantwortlichen (Sportdirektoren) hat sich diese Verkindlichung der millionenschweren Fußballer mittlerweile durchgesetzt. Aus Männern werden Mäuse, aus dem Spielfeld ein Spielplatz, aus dem Spielgerät ein Bällchen!
Kurz und gut: Von einem Herrn Bülter kann man erwarten, dass er 90 Minuten bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus geht, von einem Bülti nicht! Ein Dominick Drexler, ein richtiger Kerl, der kann auch einem Bayernstar mal mit einer Blutgrätsche zeigen, wo der Hammer hängt! Von einem Dome erwartet man das nicht! Und ein Salazar, dessen Namen  nach einem geschliffenen Sarazenen-Säbel klingt, hat bestenfalls die Absicht, einen Bayern mit einem Räppelchen zu erschrecken, wenn man ihn Rodri nennt! Leute, die so genannt werden, sollten kein Gehalt bekommen, sondern ein Taschengeld!

Aufgeblasene Reportersprache
Fast alle gegenwärtigen TV-Reporter und ihre weiblichen, diversen und sonstigen Pendants haben offensichtlich nicht verstanden, dass die meisten Menschen, wenn sie ein Fernsehgerät für ein Bundesligaübertragung einschalten, das tun, um ein Spiel zu sehen – also mit den Augen zu verfolgen (wer nur hören will, stellt das Radio an). Da das so ist (ich kenne jedenfalls niemanden, der das Fernsehgerät einschaltet, um dann nur den Ton zu hören), ist das penetrante Geschwätz, das sich in der „Vorberichterstattung“, den „Halbzeitanalysen“ und den „Nachbesprechungen“ , vor allem aber während des Spiels wie sprachlicher Durchfall über uns Zuschauer (wir sehen nicht nur, wir schauen also genau hin!) ergießt, nicht nur überflüssig, sondern eine Geschmacks- und Intelligenzverletzung. Eine Steigerung, genauer Verdoppelung des Geschwätzes, das die Grenze zur akustischen Körperverletzung nicht nur streift, sondern zumeist überschreitet, ergibt sich dadurch, dass den Kommentatoren neuerdings gerne sog. Experten an die Seite gestellt werden, die mit ihren verbalen Flatulenzen über uns herfallen wie Attilas Hunnen im 5. Jahrhundert über Ost- und Westrom. Diese Mikrofon-Plapperboys und -girls schaffen es mühelos, eine Übertragung mit Plattitüden zu ersticken, die eindeutig die Qualität der Folterwerkzeuge der Heiligen Inquisition an Schmerzhaftigkeit übertreffen. Die beliebtesten „Werkzeuge“ dieses sprachlichen Schwachmatengemetzels sind seit geraumer Zeit die Vokabeln „Pressing“ und „Momentum“. Zeitweilig glaubt man, sich auf einer Geburtshilfestation zu befinden, wo mehrere Frauen gleichzeitig damit beschäftig sind zu pressen und gegenzupressen. Wobei sie nicht immer das Momentum auf ihrer Seite haben, weil die Hebamme vielleicht noch nach der Schnittstelle sucht, um hinter die Viererkette und dann in die Box zu kommen, wo sich Räume öffnen. Manchmal ist auf so einer fußballerisch-gynäkologischen Station richtig was los: defensive Achter treffen auf falsche Neuner, die sich auch schon mal fallen lassen und die Rolle eines Sechsers übernehmen, während die Oberärzte vom Rand aus coachen!
Kurz und gut: Anstelle der verbalen Diarrhö, die uns anmistet, brauche ich nur ein Minimum an Informationen. Die Namen der Spieler auf dem Platz und der eventuell im Laufe des Spiels eingewechselten Ersatzleute reichen mir. Selbst die Namen der Schiedsrichtertruppe und der Schlafmützen im „Kölner Keller“ brauche ich für mein Wohlbefinden nicht. Auf das Spiel selbst mache ich mir meinen eigenen Reim. Und ob jemand Fußball spielen kann, sage ich dir nach 5 Minuten. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Der hat mir einmal nach einem Spiel, als ich noch Schüler war und in einer Schalker Jugendmannschaft spielte, auf meine Frage, ob ich gut gespielt hätte, geantwortet: Mach lieber Abitur!

Recht hat er gehabt!

So einfach ist Fußball!

***vgl. https://www.wortbedeutung.info/Schwachmat/
Schwachmat: Wortart: Substantiv, (männlich); Bedeutung/Definition: umgangssprachlich: feiger, verschüchterter, unfähiger oder dummer Mensch; Begriffsursprung: kurz für Schwachmatikus; ursprünglich Studentensprache: Das Wort ist wohl um das Jahr 1700 herum im akademischen Umfeld entstanden. Als Vorbild für die Wortbildung dürften Ausdrücke wie mathematicus, rheumaticus oder phlegmaticus gedient haben.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Wortschwall, vor allem wallend, soll mit seiner Soundkulisse Gemeinschaft, soziale Verbundenheit, Familie simulieren. Unabhängig davon, ob es Nachrichten oder Fußball Begleiterzählungen sind. Serienjunkies haben das noch verfeinert, ihre Wahlverwandtschaft lässt sich über die Fernbedienung an- und ausknipsen, ohne die sonst lästigen Nebenwirkungen echter, im richtigen Leben stattfindender Begegnungen.
Zu den Verniedlichungsformen bei den Fussballern fällt mir Zlatan Ibrahimović ein, der gesichert von Bosnien Herzegowina nach Schweden wechselte, weil die dort keine Diminutive kennen und er dort unbeschwert seine Taekwondo Tore treten konnte.

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