5
(1)

Geh doch einfach mal wieder in die Bank zum Vermögensberater deines Vertrauens, hatte ich mir gedacht. Der hat nämlich so leckeren Espresso, den er in einer schicken Maschine zubereitet. Gedacht, gesagt, getan! Ich sprach also nicht nur einen Termin ab, sondern auch bei dem Mann vor, der mich seit Jahren berät. Er ist freundlich und wahrscheinlich sogar kompetent. Gut, mein Vermögen ist nicht angewachsen, seitdem er mich berät. Im Grunde ist es noch das von früher, also aus der Zeit ohne Berater. Eher bescheiden, aber auch nicht kleiner geworden. Was ohne den Berater bestimmt der Fall gewesen wäre. Man kann das vielleicht mit dem Impfen vergleichen. Es schützt zwar nicht vor einer Ansteckung, aber, wie man gesagt bekommt, zumindest vor einem schweren Verlauf, also quasi einem gesundheitlichen Kursverlust.
Ich nahm Platz, bekam einen Espresso serviert, und auf die Frage, wobei er mir helfen könne, sagte ich: „Ich hätte gerne einige von diesen wirtschaftlich verselbstständigten, aber rechtlich unselbständigen Vermögensteilen, die aus dem Bundesvermögen getrennt und mit einem eigenen Haushaltversehen sind, um Aufgaben zu erfüllen, die sonst das Budget hätte übernehmen müssen.“
Er lächelte mir die Antwort zu: „Das geht leider nicht!“ „Ach“, antwortete ich, setzte die Espressotasse ab und fuhr fort: „Warum denn nicht?“ „Das ergibt sich aus der Natur der Sache!“ Im Zusammenhang mit Geld von der „Natur der Sache“ zu reden, das machte ihn etwas verdächtig. Vielleicht war seine Espresso-Freundlichkeit nur geheuchelt und die Kompetenz nur gespielt! Er fuhr fort: „Sie haben korrekt vom Bundesvermögen und der Einrichtung eines Sondervermögens gesprochen. Sie bewegen sich also im Bereich des Haushalts der Bundesrepublik Deutschland.“ „Und das heißt?“ Ich blickte auf die leere Espressotasse. „Sehen Sie, es ist so: Der Bundeshaushalt ist beschlossen, es gibt eine Schuldenbremse, die verhindern soll, dass der Bund sich immer höher verschuldet. Sie wollen aber jetzt etwas machen, also sagen wir mal für 100 Milliarden EURO – noch einen Espresso?“ Ich nickte! Während er den Espresso zubereitete (der Vollautomat arbeitete angenehm leise), fuhr er fort: „Also sagen wir mal 100 Milliarden Euro für neue Kaffeevollautomaten in sämtlichen Bundesbehörden ausgeben, aber das Geld nicht aus den Budgets der Ministerien durch Kürzungen nehmen, dann schaffen Sie außerhalb des Haushalts ein wirtschaftlich selbstständiges Sondervermögen. Kurz: Sie nehmen als Bund einen Kredit auf, den sie als Sondervermögen bezeichnen!“
Auch die zweite Tasse mit dem Espresso war lecker. Ich stellte die Tasse so hin, dass er nicht übersehen konnte, dass sie geleert worden war. Ich fragte:„Könnte man nicht auch sagen, ein Sondervermögen ist so etwas wie ein neuer Berg Schulden, eingebettet in einen Schattenhaushalt?“ „Könnte man sagen, sagt man aber nicht, denn das klingt doch irgendwie bitter!“antwortete er auf meine Frage. „Der Espresso nicht, überhaupt nicht bitter, vollmundig und abgerundet, geradezu samtig im Abgang, aber doch von robustem Körper.“ Er verstand mich richtig und bereitete eine dritte Tasse vor. Ich wartete! Und auch die dritte Tasse war tatsächlich gut. Ich stand auf, bedankte mich für den Kaffee. Als ich schon die Türklinke in der Hand hielt, drehte ich mich zu ihm um und sagte: „Dann komme ich die Tage nochmal vorbei und wir sprechen über Sondervermögen bei offenen Investmentfonds und dem Schutz vor dem Gläubigerzugriff im Insolvenzfall. Vielleicht wäre das etwas für mich“ Er nickt mir zu. „Danke für den Espresso. Wirklich vorzüglich. Bis die Tage dann. Und : Tschüss!“
Der Espresso war wirklich lecker! Aber dass der Bank-Mann nicht auf die Idee gekommen war, mir zum Espresso ein kleines Stückchen dunkle, sehr dunkle Schokolade oder ein holländisches Butter-Cookie zu servieren, fand ich dann doch irgendwie nachlässig!

Siehe zum „Sondervermögen“ etwa:
http://www.economia48.com/deu/d/sondervermoegen-des-bundes/sondervermoegen-des-bundes.htm

https://www.focus.de/finanzen/boerse/lexikon/boersenlexikon-sondervermoegen_id_10282711.html

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments