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Herzlichen Dank für die Übermittlung Ihrer Eindrücke wortreicher – aber inhaltsarmer – Stellungnahmen der gewählten Bürgerinnen-, Bürger- und Hiergelandeten-Vertreter unserer Stadt zu Ihrem Bürgerantrag. Sie können stolz sein auf das von Ihnen Geleistete! Ja, schauen Sie kurz in den Spiegel! „So sehen Sieger aus!“, heißt es auf jeder Wahlparty!


Foto privat – „Legoland“ – Billund (Dänemark)

Sie berichteten uns: In einer entspannten, emotionslosen, dem Schlaf ähnlichen Atmosphäre, hätte sich zu Beginn der Redebeiträge im Ratssaal eine sozialpädagogisch klingende, weibliche Stimme wortreich dahingehend geäußert, die Bemühungen der Petenten ausführlichst loben zu wollen – aber nicht zu können. Zu viele Gründe sprächen dagegen, weil eine Schwalbe noch keinen Sommer mache und Vorschläge außerhalb der eigenen Partei ganz sicher weder sinnvoll noch zielführend sein könnten.

Eine anschließend Sprechende hat es beim Zusammenbau ihrer Satzfragmente schnell die Sprache verschlagen, denn sie beendete ihren Auftritt nach wenigen Sekunden mit dem Hinweis auf die „Corona-Lage“ und reihte sich anschließend wieder in die schweigende Mehrheit ein. Die im Raum sitzend Dösenden hatten vermutlich keine Zeit, sich mit den wirklich wichtigen Dingen des Stadtlebens gestalterisch zu beschäftigen, vielleicht weil alle paar Stunden eine neue Verordnung – oder ein Softwareupdate auf den zu Passierscheinen umgewandelten Endgeräten – den Alltag umschmeißt, so scheint es fast.

Ein weiterer Sprechender sagte daraufhin sinngemäß: „Ist ja alles gut und schön, aber: Nein!“

Fast alle Fraktionen, so war zu hören, fanden einige Vorschläge der Petenten bemerkenswert gut und lehnten darum in beeindruckender Konsequenz einstimmig die Ablehnung des Bürgerantrags durch die Verwaltung nicht ab, sondern stimmten ihr zu – was einer Ablehnung des Bürgerantrags gleichkommt, wenn man den Gesetzen der Logik folgt – das wiederum mag nicht allen gelingen.

Nur die FDP war weder zum einen noch zum anderen Äußersten bereit, lobte aber ausdrücklich die überzeugenden Vorschläge des Bürgerantrags und sah sich selbst auf der Seite der Unterstützer. Sie enthielt sich darum konsequent der Stimme und machte sich dadurch – dies sei am Rande bemerkt – als einzige demokratische Kraft NICHT mit der staatsgefährdenden AfD gemein, die den Bürgerantrag vermutlich ungelesen ablehnte, da in der Überschrift der Bürgerantrags die Parolen „Auto“ und „frei“ entgegen der geltenden Rechtschreibregeln in einem Wort zusammengefasst sind. Im Gegensatz zu SPD, Grünen, CDU und Linken hielt sich damit nur die FDP fern von Kontaktschuld. Das demokratische Spektrum wird immer kleiner.

Wir können für die Nachwelt festhalten, dass der Vorschlag, der den Petenten zuvor als „innovativste Idee der letzten zwanzig Jahre“ bestätigt wurde, zu einer hundertprozentigen Enthaltung bei einer Partei und zu einer Totalablehnung bei den anderen Parteien im Rat der Stadt Gelsenkirchen geführt hat.

Der kommunal eher unerfahrenen FDP sei empfohlen, zu bedenken, dass die Oppositionsparteien traditionell mit der Anzahl der von ihnen unterstützten, aber – von den regierenden Dösenden – abgelehnten Anträge, im Wahlkampf hausieren gehen. Was wollen die Freien Demokraten in ein paar Jahren auf der Haben-Seite vorweisen? Hilfreich wäre es zur Reflexion des eigenen Abstimmungsverhaltens, einen digitalen Strichzettel mit Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetzanschluss im Fraktionsbüro an der Wand anzubringen, auf dem die Rubrik „Enthaltungen“ nicht verfügbar ist.

Wie geht es weiter?

Spätestens dann, wenn das von Expertengremien geplante, extreminnovative Event „Stadtterrassen“ mit einem Großeinsatz der Entsorgungsfachkräfte der Gelsendienste geendet haben wird, könnten erneut Petenten den Rat, die Ausschüsse und die Verwaltung mit einem konstruktiven Bürgerantrag, wie dem gerade abgelehnten, erfreuen.

Petenten könnten die Protagonisten dieser Woche daran erinnern, dass es immer nötig ist, sich mit den Vorschlägen und Anträgen von direkt betroffenen Anwohnern (w/m/d), Gewerbetreibenden (w/m/d) und Besuchern (a) der Altstadt ernsthaft auseinanderzusetzen, anstatt ausgelutschte und bereits anderswo erfolgreich gescheiterte Experimente durchzuführen, wie zum Beispiel temporär Leihmöbel aus Holz im Verkehrsraum aufstellen zu lassen. Petenten haben möglicherweise fundierte Kenntnisse über das Freizeitverhalten der Bevölkernden. Machen wir uns nichts vor: In dieser Stadt existiert nicht nur viel Freizeit, sondern auch ein sehr großer Wille zur nachhaltigen Umgestaltung der vorgefunden Umgebung. Bushaltestellen, Abfallsammelbehälter und „Straßenmöblierung“ im Stadtbild geben ein Zeugnis von dieser unbändigen kreativen Kraft! Die Prognose lautet: Das Leihholz wird am ersten Samstag um 19.04 Uhr in einer konzertierten Aktion mit blauem Sprühlack als besitzanzeigende Duftmarke der UGE farblich angepasst werden. Ein paar Tage später wird durch Einsatz pyrotechnischer Mittel die Funktionsumwidmung ins Nichtzugebrauchen durch lose organisierte Sonstige dezentral vollzogen werden. So wird die AGR in Essen-Karnap wenigstens ein wenig Fernwärme aus Sperrmüll produzieren können, bis die nächsten EU-Fördergelder für nachhaltige, klimaneutrale städtische Umgestaltung eintrudeln.

Fazit:
Auch in Zukunft wird es gewöhnlichen Bürgern Gelsenkirchens schwer gelingen, wortreichen – aber ideologisch verbrämten – Unsinn („Gute Idee, aber wir lehnen das ab!“) vor den Augen der Öffentlichkeit als solchen bloßzustellen. Versuchen kann man es trotzdem immer wieder. Aufmunternd richtete ein Sprechender im Ratssaal ungefähr folgende Worte an die „Herren Petenten“:
„Es ist ein Thema, was bewegt. Man kann sagen, es ist eine Herkules-Aufgabe“.

Mit einem herzlichen „Glück-Auf“,

gezeichnet: Ihre Petentenunterstützenden


siehe auch

Die drei Musketiere

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Fra.Pre.

Dösende #401GE Ratsmitglieder

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So.Jo.T.

§ 26 Absatz 5 Nr. 5 letzter Halbsatz Gemeindeordnung NRW beim nächsten Mal, statt § 24 GO NRW wäre eine Möglichkeit. Ein Bürgerbegehren über die „Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens.“ Könnte aber ebensogut sein, dass das dann in „noch mehr Rauch um gar nichts“ mündet. Aber was HerrKules schafft, schafft Sisyphos allemal. “ Der Mensch fühlt, wie fremd ihm alles ist, er erkennt die Sinnlosigkeit der Welt und stürzt in tiefe existentielle Krisen. Für Camus besteht das Absurde in der Erkenntnis, dass das menschliche Streben nach Sinn in einer sinnleeren Welt vergeblich ist. Statt resigniert aufzugeben fordert Camus dazu auf, das Absurde anzunehmen und dagegen zu revoltieren. So kann der Mensch schließlich zur Freiheit finden.“

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Bernd Matzkowski

Ganz in diesem Sinne grüßen die „Petenten“auch mit Camus:
“ Sisyphos jedoch lehrt uns die höhere Treue, die die Götter leugnet und Felsen hebt.(…) Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Camus, Der Mythos des Sisyphos, Schlusszeilen

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