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Jetzt sind sie endlich wieder da, diese aufgeständerten, angekleisterten und aufgehängten Botschaften, die uns sagen wollen, was und wen wir wählen sollen, oder sagen sollen, was und wen wir wählen wollen. Plakate, Plakate, Plakate!
Die wesentliche Eigenschaft von Plakaten ist, dass sie plakativ sind. Müssen sie sein, weil sie sich an viele richten. Und wer sich an viele richtet, kann und muss sich Subtilitäten sparen, sonst wären Plakate, die zumeist eine Komposition aus Farbe, Bild und Text sind, nicht das, was sie sind: Träger einer Wort-Bild-Botschaft. Mit der Besonderheit, dass der Sender (die Partei)übrigens nicht wirklich weiß, ob er den Empfänger überhaupt erreicht.
Aber genug der Theorie! Rein in die Praxis, werfen wir einen Blick auf einige Plakate der Saison!

Heute: SPD oder Was will der Duz-Bruder von mir?

Damit Sie mich und diesen Beitrag besser verstehen: Ich bin alt, uralt und konservativ, stockkonservativ! Altbacken, von gestern, als Tier wäre ich ein Saurier, also ausgestorben! Heutige Jugendliche würden sagen: „Der ist maximal lost!“
Woran man diese Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung (lost) festmachen kann? Daran: Ich mag diese Duzerei nicht! Also nicht, dass ich das Duzen überhaupt nicht mag. Aber eben in etwa so, wie ich es nicht mag, wenn die Bäckereifachverkäuferin hinter der Ladentheke zu mir sagt: „Was kann ich dem jungen Mann denn Gutes tun?“ Das halte ich für Alltags- und Altersdiskriminierung! Ich mag einfach diese Duzerei im Dutzend nicht, die jeder zweite, der mich grüßt, „cool“ oder „locker“ findet! Nein, das sehe ich nicht so!
Nehmen Sie als Beispiel mal den Olaf Scholz, dessen Konterfei im Moment überall, auf Plakate gedruckt, herumhängt. Der ist sechs (in Ziffern: 6!) Jahre jünger als ich, meint aber, mich einfach duzen zu können, wenn er mich, vom Plakat aus, unaufgefordert anschreit: RESPEKT FÜR DICH! Fehlt nur noch, dass er ein „Bruder“ dranhängt (Eh, Reschpeckt für dich, Brudah!). Das ist respektlos, diese Duzerei eines Älteren durch den Jüngeren! Wenn schon, dann hätte ich ihm das Duzen vorschlagen müssen! Scholz ist stillos! Und respektlos!
Wahrscheinlich ahnt er aber, dass nicht alle diese Duzerei gut finden. Sein Name ist nämlich nur klitzeklein oben links auf dem Plakat angegeben. So klein, dass man seinen Namen kaum lesen kann, wenn man mit dem Rad oder gar dem Auto am Plakat vorbeifährt. Und sein Gesicht haben die Plakatmacher von der SPD auch leicht verändert: straff, keine Falten, glatt wie ein Kinderpopo, aber doch irgendwie auch kantig, also „fest gemauert in der Erden“, wie es bei Fritze S. heißt! Er wirkt da so, als sei er nicht der Kanzlerkandidat der SPD, sondern ein Tragwerkselement für die die neue achtstreifige Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp.
Ich glaube übrigens, dass Olaf Scholz gerne so rüberkäme wie Helmut Schmidt 2.0. Scholz, der Macher! Und er hat ja auch schon viel gemacht: vor allem viel Falsches (Stichworte: G-20-Gipfel in Hamburg, Cum-EX-Steuerbetrug, Wirecard-Betrug). Und im Gegensatz zu Helmut Schmidt ist er nicht nur ziemlich vergesslich, vor allem in Bezug auf seine Verantwortung für Fehler, und auch kein echter Hamburger, sondern in Osnabrück geboren. Und er raucht auch keine Menthol-Zigaretten wie Helmut Schmidt!!
Aber immerhin: Scholz ist, im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, auf unendlich vielen Plakaten zu sehen. Er ist präsent! Er ist wichtig, die Partei eher nebensächlich, kommt nur am Rande vor, so dass die Plakate uns sagen: Wenn ihr den Scholz wollt, müsst ihr die SPD halt in Kauf nehmen! Bei den anderen „Kanzlerkandidatenparteien“ ist es umgekehrt: Wenn ihr die Partei wollt, müsst ihr den Kandidaten/die Kandidatin in Kauf nehmen!
Scholz, so vermitteln die Plakate, ist die unumstrittene Nummer 1! Und das ist, werbepsychologisch gesehen, für die Stimmabgabe ein Vorteil! Die SPD knüpft mit der Scholz-Kampagne im Grunde an die Wahl von 1972 an, bei der die Hauptparole „Willy wählen!“ lautete – nur eben so, dass der Name von Scholz ganz kleingeschrieben ist auf den Plakaten! Die SPD machte damals die Wahl zu einem Personalplebiszit – und fuhr das beste Ergebnis ein, dass sie bisher bei einer Bundestagswahl erreicht hat. Nun war Brandt damals auf dem Höhepunkt seiner Popularität, und Scholz wird nicht so ein Ergebnis einfahren wie Brandt. Aber: Scholz und seine Omnipräsenz auf den Plakaten scheinen die SPD aus ihrem Stimmenloch holen zu können! Gerade weil die Botschaften eher dürftig, inhaltsleer und austauschbar sind. Denn Scholz profitiert von den Fehlern der Mitbewerber und vor allem der Sedierung der Stimmbürger durch sechzehn Jahre Merkelscher Entpolitisierungshypnose!
Aber mich duzen? Das hat Merkel auf keinem einzigen Wahlplakat jemals gemacht!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Mar.Kolb.

Sehr gut und spannend geschrieben. Mir fehlen Politiker wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder Herr Genscher. Überlege vielleicht doch Horst Schlämmer zu wählen, wenn er sich noch eben mal an die frische Luft wagt.

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