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Jetzt sind sie endlich wieder da, diese aufgeständerten, angekleisterten und aufgehängten Botschaften, die uns sagen wollen, was wir wählen sollen, oder sagen sollen, was wir wählen wollen. Plakate, Plakate, Plakate!
Die wesentliche Eigenschaft von Plakaten ist, dass sie plakativ sind. Müssen sie sein, weil sie sich an viele richten. Und wer sich an viele richtet, kann und muss sich Subtilitäten sparen, sonst wären Plakate, die zumeist eine Komposition aus Farbe, Bild und Text sind, nicht das, was sie sind, Träger einer Wort-Bild-Botschaft. Mit der Besonderheit, dass der Sender (die Partei)übrigens nicht wirklich weiß, ob er den Empfänger überhaupt erreicht.
Aber genug der Theorie! Rein in die Praxis, werfen wir einen Blick auf die Plakate der Saison.

Heute: FDP oder Der Fürst der Dunkelheit

Gut, ich gebe es zu: es ist nur eine Vermutung! Nämlich die, dass Lindner ein großer Fan der Comic-Reihe „Sin City“ von Frank Miller ist, deren 13 Bände von 1991 bis 1992 erschienen sind und Grundlage für die spätere Verfilmung waren. Die Geschichten, im Stile eines Film-noir erzählt bzw. illustriert, werden von Gangstern, Prostituierten und Gesetzlosen bevölkert – der Sprung in die Sphäre der Politik ist also nicht groß! Man sieht dieses FDP-Plakat und denkt, hier habe jemand eine Seite aus den Comics übergroß abgebildet, und man sagt sich: Whow – Sin City mit dem Boss der Bosse, dem dunklen Fürsten an seinem Schreibtisch! Beim zweiten Hinschauen registriert man dann: Huch, es ist ja der Christian Lindner, seit Dezember 2013 Vorsitzender der FDP!
FDP? Für die, die nicht wissen, was das ist: im wesentlich eine Partei, die aus drei Männern besteht: einem Buschmann mit Namen Marco. Wobei – politisch korrekt müsste man heute vielleicht sagen: Bewohner der afrikanischen Savannenlandschaft mit Namen Marco (ja, ich weiß, solche Witze mit Namen sind grundsätzlich blöd, aber ich konnte nicht anders!). Zweitens einem stets tadellos, ach, was, noch tadellöser gekleideten Herrn mit Namen Kubicki. Der jede lahme Talk-Runde mit seinem Alt-Herren-Charme aufwertet und den Eindruck vermittelt, er hätte im Café Moka Efti (bekannt aus „Babylon Berlin“) jeden Abend eine andere fesche Puppe abgeschleppt („Ich bin der Kubicki und total liberal!“). Und dann als Dritter eben der Christian Lindner. Der sitzt im matten Licht einer Energiesparschreibtischlampe an einem Tisch, der vielleicht ein Schreibtisch ist, hat neben sich einen riesigen Stapel Akten, den er in nachtschlafender Dunkelheit wohl abarbeiten will. Vermutlich muss er das, weil er bis zum Abend mit den anderen beiden von der FDP um die Häuser gezogen ist und deshalb tagsüber keine Zeit hatte, die Akten abzuarbeiten! Und er schreibt etwas. Per Hand – mit einem edlen Schreibgerät! Das könnte auch ein Grund dafür sein, dass er so spät noch am Schreibtisch sitzt und schreibt: er hat keinen Computer und schreibt alles selbst und per Hand und mit Füllfederhalter oder Kugelschreiber! Und das dauert natürlich! Digitale Datenverarbeitung? Fehlanzeige! Alles noch Old School! Ich vermute mal, dass der Kubicki sogar noch mit Kreide auf `ner Schiefertafel schreibt!
Genau über dem Aktenstapel schwebt der Slogan der FDP: In roter Schrift auf gelbem Grund heißt es:

„NIE GAB ES MEHR ZU TUN!“

Ich weiß nicht, wie es bei dem Trio von der FDP mit der Arbeits- und Auftragslage so aussieht. Wenn ich – wegen der These vom NIE – meine Mutter fragen könnte, die aber leider nicht mehr lebt, wie es denn 1945, nach Kriegsende, so ausgesehen hat mit der Arbeit, dann hätte sie über den FDP-Satz wohl den Kopf geschüttelt und gesagt: „Noch nie habe ich ein Plakat gesehen mit einem, der so tut, als wenn er arbeitet. Vom richtigen Malochen mal ganz abgesehen!“
Das FDP-Plakat hat aber noch ein Textelement, bestehend aus acht Zeilen, die Linder quer über die Brust verlaufen und in so kleiner Schriftgröße geschrieben sind, dass ein in seinem Auto sitzender Fahrer nicht ein Wort lesen könnte, selbst dann nicht, wenn er wegen Staus unmittelbar neben dem Plakat an der viel befahrenen Straße anhalten müsste. Da hätte die FDP den Text vielleicht von vornherein in Braille, der weltweiten Blindenschrift, auf das Plakat setzen können. Da hätte der eine oder andere Fahrer vielleicht wenigstens ein haptisches Erlebnis gehabt, wenn er, im Stau neben dem Plakat stehend, das Fenster öffnete und die Buchstaben abtastete. Aber vielleicht ist das auch der Sinn vonetjanze: Man wird durch die Schrift, die man nicht lesen kann, getriggert, verlässt irgendwann sein Fahrzeug, tritt nahe an das Plakat und beginnt zu lesen! Den ersten Satz, der da lautet: „Irgendwann kommt der Punkt, an dem du weißt: Wie es ist, darf es nicht bleiben!“ Und der Satz fährt dir in das Herz und deine Seele. Und du fühlst den Schmerz durch die Erkenntnis, dass du bisher dein Leben weggeworfen hast – denn es gibt doch noch so viel zu tun! Und du weißt: Du wirst noch heute den Kubicki anrufen und ihm sagen, dass du etwas tun möchtest. Und in sein Schweigen hinein wirst du sagen: „Nehmt mich mit, wenn ihr drei heute Abend wieder ins Moka Efti geht!“

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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2 Kommentare
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Knut

Bei der FDP fällt mir immer wieder das Wort „Anschlussverwendung“ ein, kälter kann man über arbeitslose Schlecker-Verkäuferinnen (ohne * oder 🙂 wohl kaum sprechen.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fdp-will-sich-mit-schlecker-pleite-profilieren-a-824610.html

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So.Jo.Ti.

Den Satireanteil erledigte Marco Buschmann, Politiker und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion aus Gelsenkirchen, am 02. Sept bei LANZ höchtpersönlich. Die FDP sei der Garant für Klimaschutz…usw. usf. …einfach irre. Muss man gesehen haben. Und als Krönung kommt gegen Ende das verschmitzte Lächeln von Buschmann hervor. Er kann es nicht zurückhalten. Super lustig! Das Niveau einer Polit-Satire schafft keine Satire-Show. Das schafft nur die FDP selbst. Ich schlage hiermit Marco Buschmann für den Laschet-Orden wider den Tierischen Ernst vor. Den hat er sich hiermit redlich (!) verdient.
https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-2-september-2021-100.html

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