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Wie wir alle wissen, werden in Wahlkampfzeiten gerne Märchen erzählt – von Gut und Böse, von besseren Zeiten, von fiesen Mächten und guten Rittern, von kommenden Katastrophen und Untergängen und von einer goldenen Zukunft. Das Muster ist immer dasselbe, und die Bösen sind immer die Anderen. Und wir wissen auch: Was da glänzt ist Talmi-Glanz!
Zeit also, echte, gute, alte Märchen einmal mehr, aber anders zu erzählen!

Teil 2:
Die Bratwurst, die zu viel wollte
Es waren einmal ein Mäuschen, ein Vögelchen und eine Bratwurst in Gesellschaft geraten, hatten einen Haushalt geführt, lange wohl und köstlich im Frieden gelebt und trefflich an Gütern zugenommen. Des Vögelchens Arbeit war, dass es täglich in den Wald fliegen und Holz beibringen müsste. Die Maus sollte Wasser tragen, Feuer anmachen und den Tisch decken, die Bratwurst aber sollte kochen.
Wem zu wohl ist, den gelüstet immer nach neuen Dingen!“*

Da steckt, so lässt sich vermuten, im letzten Satz der Einleitung des Grimmschen Märchens mit den skurrilen Hauptfiguren schon eine drohende Voraussage. Und in der Tat: alle drei Mitglieder dieser eigentümlichen Wohngemeinschaft kommen ums Leben. Die Bratwurst – nein, sie platzt nicht, sie wird von einem Hund gefressen, der auf Nachfrage des Vogels behauptet, „er hätte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen wäre sie ihm des Lebens verfallen gewesen.“
Nennen wir unsere Bratwurst einfach mal Printe, und gehen wir einmal davon aus, dass Printe es geschafft hat, Regent eines nicht allzu kleinen Landes zu werden. Ja, ja, ich weiß, eine Bratwurst, die Printe heißt, kann doch kein Land regieren! Stimmt! Macht er ja auch nicht!
Würde er aber selber nie zugeben! Er würde nie zugeben, dass er nicht wirklich regiert, sondern morgens aus dem Fenster seines Regierungssitzes schaut und dann irgendetwas anordnet. Am besten das Gegenteil von dem, was er gestern angeordnet hat. Also wenn er gestern angeordnet hat, die Bewohner seines Landes sollen gegen Erkältung Windbeutel über den Mund ziehen, um ihre Beine warm zu halten, dann ordnet er heute an, dass die Leute Windhosen anziehen soll, weil die Windbeutel nicht wirklich von Nutzen wären. Vor allem für den Wind! Und wenn er gefragt wird, warum er seine Meinung geändert hat, dann kommt zur Antwort: „Die einen sagen so, die andern sagen so. Und ich bin für so!“
Irgendwann reichte es Printe aber nicht mehr, das nicht allzu kleine Land zu regieren. Er wollte Regent des ganzen Landes sein, von dem das nicht allzu kleine Land ein Teil war. „Wenn ich schon das nicht allzu kleine Land mal so und mal so regieren kann, dann geht es doch auch im großen und ganzen Land.“ Zuletzt stand seinem Ziel vermeintlich nur noch eine andere Wurst entgegen, eine Weißwurst aus einem anderen nicht ganz so kleinen Land. Es gelang ihm aber, die Weißwurst hinter den Weißwurstäquator abzudrängen. Dann konkurrierten mit ihm noch eine Teflonpfanne auf zwei Beinen mit einem hohen Vergesslichkeitsfaktor und eine Plapperpuppe, die sich als kompetente Frau ausgegeben hatte, aber ziemlich schnell als Fake-Nuss entlarvt worden war, die hinter jedem Wald mit Bäumen den Oderbruch zu erkennen meinte. Dann kam aber für Printe, die Bratwurst, ein doppelter Absturz. Als er nach einer schrecklichen Katastrophe eines der betroffenen Gebiete besuchte, wurde er beim Lachen erwischt, vielleicht weil kurz zuvor jemand zu ihm gesagt hatte, er werde das Land bestimmt gut regieren. Das Lachen nahmen Printe viele übel! Vielleicht hatte er aber auch gelacht, weil er das Regieren mit einer Karnevalsgesellschaft verwechselt hatte.
Zudem offenbarte sich Printe als geschichtsvergessen und medialer Naivling, der die Macht der Bilder unterschätzt. Immerhin hatten doch zwei Vorläufer als Regenten des Landes von ihrem Agieren bei Fluten profitiert. Des einen Vorgängers Image als „Macher“, der nicht zaudert und zögert, sondern führt und zupackt, gründete sich auf sein Management als Leiter des Katastrophenstabes während der großen Sturmflut in Hamburg von 1962.Und der andere Vorgänger, ein Poltergeist proletarischer Art, aber in feinem Gewand und gerne mal teure Zigarren rauchend, versenkte seinen Konkurrenten, vom Volksmund gerne Stammel-Eddi aus dem Weißwurst-Land genannt, in den Hochwasserfluten während des Wahlkampfs 2002, weil er sich als den Menschen zugewandt (Hände schüttelnd) präsentierte, der quasi als Theodor Storms „Schimmelreiter“ Hauke Haien in Gummistiefeln den Deichgraf in modernem Gewand spielte. Diesen Eindruck konnte Printe nicht erzeugen – ein vernichtendes Foto zeigt ihn (vermeintlich), wie er, selbst beschirmt von einem Mitarbeiter, einem Flutopfer gegenübersteht. Dabei schien wohl die Sonne!
Und dann kam noch die Sache mit den Briefen dazu, von denen der Hund behauptet hatte, Printe habe sie nicht selber geschrieben, jedenfalls nicht alle oder nur teilweise. Und das hatten die Leute vorher schon der Fake-Nuss übel genommen, die so etwas auch gemacht hatte.
Nun könnte man fast sage, Printe stand da, obwohl beschirmt, wie ein begossener Pudel. Wir haben kein Bild von ihm – kein echtes. Und noch nicht einmal ein inszeniertes, von dem wir glauben könnten und vielleicht auch glauben wollen, dass es echt sei – in dem Sinne, dass er auf diesem Foto echt ist! Auf des Pudels Kern sind wir bei Printe noch nicht gekommen – er bleibt das vermenschlichte „so oder so, aber am besten so“.

*https://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/von_dem_mauschen_vogelchen_und_der_bratwurst (Märchen von dem Mäuschen, dem Vögelchen und der Bratwurst)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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An.Schwen.

You made my day.😂

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