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Sehr geehrte Damen und Herren,
ein Engagement gegen Rassismus und Ausgrenzung ist sicherlich aller Ehren wert und von hohem gesellschaftlichem Rang. Dabei können die Formen und Methoden der Auseinandersetzung mit den genannten Strömungen sicherlich unterschiedlich sein, ebenso auch die Blickrichtungen und Definitionen dessen, was „Ausgrenzung“ und was „Rassismus“ ist (ein Begriff, der, so meinen mittlerweile manche Aktivisten, abgeschafft werden soll).

Ob ein Aufruf wie der vorliegende, der in apodiktischem Ton eine „rote Linie nach Rechts“ (Überschrift) einfordert, allerdings ein geeignetes Mittel ist, wird bezweifelt werden dürfen. Politisch umfasst, allgemeinsprachlich formuliert, das demokratische Spektrum Kräfte von LINKS bis RECHTS. Man könnte „rechts“ auch mit Begriffen wie „bürgerlich-konservativ“, „marktwirtschaftlich orientiert“, einem „traditionellen Wertekanon verpflichtet“ auffüllen und befände sich damit durchaus im demokratischen Spektrum, wie es das Grundgesetz sieht. Dieser Teil des demokratischen Spektrums wird aber in Ihrem Papier schon in der Überschrift AUSGEGRENZT.

Zu kurz greift unserer Meinung nach auch der Hinweis auf eine „rechte Hetzkampagne“. Dass diverse Gruppen, einige nennen Sie, die Debatte über den Muezzin-Ruf zum Anlass nehmen, ihre Wertvorstellungen, Vorurteile, rassistischen Weltbilder und ihre politische Programmatik medial zu verbreiten, ob als Einzelne oder Teil von Kampagnen, darf doch nicht verwundern. Wir sind uns allerdings sicher, dass die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung dies durchaus zu erkennen in der Lage sind – auch ohne „Mahnung“ Ihrerseits.
Sprachlich wird im Text die „rote Linie nach RECHTS“ dann noch etwas verschoben, denn aus ihr wird unter der Hand eine „klare rote Linie nach rechts AUSSEN“, wobei jetzt offen bleibt, wo RECHTS aufhört und RECHTS AUSSEN beginnt und ob RECHTS AUSSEN noch Teil des demokratischen Spektrums sein kann oder schon außerhalb der Grenzen des Grundgesetzes steht.

Im Zusammenhang mit der von Ihnen „recherchierten“ Hetzkampagne taucht der Hinweis auf, durch die Muezzin-Debatte solle der „Eindruck erweckt werden, dass dieses Thema große Debatten auslöst (…).“
Genau Ihr Beitrag zeigt ja, dass das Thema „Debatten auslöst“. Wenn das nicht so wäre, müssten Sie im zweiten Teil Ihres Schreibens überhaupt nicht in die Debatte einsteigen und die Stadtverordneten „mahnen“.
Dass sich an dieser Debatte RECHTE beteiligen, liegt auf der Hand, ist das Thema „Muezzin-Ruf“ doch letztlich nur ein Teil der Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland und verstärkt aufgekommen nach 2015/2016.

Nur nebenbei: dass sich, wie Sie – wahrscheinlich richtig – schreiben, an der Kampagne RECHTE aus der ganzen Bundesrepublik beteiligen, ist ja auch nicht verwunderlich. Man kennt derlei Vorgehen auch aus Kampagnen anderer politischer Strömungen, und es ist politisch als Mittel erst einmal nicht verwerflich!
Etwas anderes ist uns aber wichtig: Indem Sie ausführlich den (tatsächlichen oder vermeintlichen) Charakter einer Kampagne betonen, werden Sie all denen nicht gerecht, die – aus welchen Gründen auch immer – gegen den Muezzin-Ruf sind, ohne in der „rechten Szene verwurzelt“ zu sein. Die Gleichung „Gegen Muezzin-Ruf gleich RECHTS oder RECHTS AUSSEN und RASSISTISCH“ geht nämlich nicht auf, sie ist vielmehr verkürzt, letztlich herabwürdigend und ausgrenzend. Man kann z.B. gegen den Muezzin-Ruf sein aus grundsätzlich atheistischen Erwägungen, weil man für eine Trennung von Kirche und Staat ist und gegen jeglichen (!) Einfluss der Religionen und Kirchen (gleich welcher) im öffentlichen Raum ist oder weil man der Meinung ist, dass der Muezzin-Ruf über Lautsprecher im öffentlichen Raum kein Bestandteil der Ausübung des Islam sein muss und wahrscheinlich im Koran auch nicht vorgesehen ist.
Im Grunde suggerieren Sie ja, dass alle Bürger dieser Stadt, die gegen den Muezzin-Ruf sind, Teil einer rechten HETZKAMPAGNE (geworden) sind und sich haben beeinflussen lassen. Sie unterstellen damit zugleich, dass Teile der Stadtverordnetenversammlung nur „unter dem Druck“ rechter Hetze gegen den Muezzin-Ruf votieren würden.
Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Sie die tatsächlich vorhandenen Sorgen und Bedenken von Bürgerinnen und Bürger der Stadt überhaupt nicht ernst nehmen, sondern sie lediglich als „rechts“ labeln und dadurch eine Vermeidungsstrategie betreiben, die Ihnen eine vermeintliche Rechtfertigung gibt, sich mit Problemen des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen und den Wertvorstellungen der hier leben Gruppen von Menschen nicht auseinandersetzen zu müssen. Anders: wer den sexuellen Missbrauch von Kindern in den christlichen Kirchen geißelt, was absolut richtig und notwendig ist, sollte aber auch gegen nicht akzeptable Praktiken in anderen Religionen, die hier vertreten sind, seine Stimme erheben, egal ob es um geschlechtliche Benachteiligung oder rassistische Vorurteile geht. Ob „Juden ins Gas“ von deutschen Nazis oder Anhängern des Islam gerufen wird, macht nämlich keinen Unterschied und muss gleichermaßen bekämpft werden.
Zu den von Ihnen genannten drei Punkten wollen wir an dieser Stelle keine Argumentation beginnen. Aus unserer Sicht ist vieles hier oberflächlich oder nahezu selbstverständlich oder zu kurz gegriffen und nicht genügend argumentativ unterfüttert.
Aber das war und ist auch nicht Thema dieses Schreibens, sondern der Tonfall des Belehrens und die deutlich herauszulesende Unterstellung, wer sich gegen den Muezzin-Ruf ausspricht, sei kein Demokrat. Dies ist eine ideologisch gelenkte Form der Ausgrenzung, gegen die Sie doch anzutreten behaupten. Eine Bettelsuppe mit antirassistischen Ingredienzen macht politisch auch nicht satt!

B. Matzkowski / H. Niski

„Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung warnt vor einer rechten Medienkampagne und mahnt zu einer roten Linie nach Rechts“
Das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung verfolgt sehr intensiv die Debatte um die Vorschläge der Bündnisgrünen und im Integrationsrat zu öffentlichen Muezzinrufen in Gelsenkirchen.
„Schon nach kurzer Zeit wurde in den sozialen Medien dieses Thema von rechten Netzwerken aufgegriffen.“ führt Paul M. Erzkamp Sprecher vom Aktionsbündnis aus. „Rechte Politiker*innen von AfD, NRW stellt sich Quer, „Patrioticpetition“ und Die Rechte versuchen das Thema für sich zu nutzten und mobilisieren ihre Anhänger*innen bundesweit durch Videos, Massen-Emails an den Stadtrat und Petitionen. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass dieses Thema große Debatten auslöst, dabei sind viele der Akteur*innen tief in der rechten Szene verwurzelt und kommen aus dem ganzen Bundesgebiet.“
In der Recherche über die Online-Debatte wurden sowohl die Facebook-, Internet- und Twitter-Seiten sowie die Telegram-Chats besagter Gruppen ausgewertet. Auffällig sind auch die Versuche in den Kommentaren zu Artikeln, z.B. bei der WAZ, eine Hegemonie von Rechts zu erlangen.
„Uns ist wichtig frühzeitig hier klar zustellen, dass versucht wird eine rechte Hetzkampagne los zu treten. Die Politiker*innen im Stadtrat sollten sich dies bewusst machen und sich nicht von diesen Hetzer*innen beeinflußen lassen.“, führt Paul M. Erzkamp, Sprecher des Bündnisses aus „Sicherlich ist dieses Thema kontrovers zu diskutieren, dabei bedarf es aber einer klaren roten Linie nach rechts Außen. Für uns sind dabei 3 Punkte besonders wichtig:
1) Es muss eine klare Trennung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bestehen bleiben. Die Menschenrechte (Religionsfreiheit) und Regeln für alle Religionsgemeinschaften müssen gleich sein, es darf hier keine doppelten Standards geben. Muslimische Menschen sind genauso Bestandteil der Gesellschaft wie christliche, atheistische, jüdische, buddhistische etc.
2) Wie in jeder Religion gibt es Gruppen, die die allgemeinen Menschenrechte ablehnen und zu Gewalt und Terror aufrufen. Hierbei ist es sehr wichtig nicht alle Gläubigen in einen Topf zu werfen, sondern gezielt die problematischen Gruppen zu kritisieren. Die meisten religiösen Menschen halten sich an die Gesetze und sind demokratisch. Hierbei brauchen wir vor allem auch ein Gespräch mit allen Beteiligten und nicht eines übereinander.
3) Religionsfreiheit in Deutschland sagt auch aus, dass Menschen ihren Glauben in der Öffentlichkeit kundtun können, ebenso wie auch öffentlich Religion und Glauben kritisiert und abgelehnt werden darf. In einer pluralistischen Gesellschaft werden sich widersprüchliche Glaubens- und Weltbilder aufzeigen, hier geht es um allgemeinen Respekt und einen Dialog.“
Das Aktionsbündnis ruft alle Politiker*innen auf öffentlich zu machen, wenn rechten Gruppen Druck ausüben. Gerne beraten wir dabei über Vorgehen und klären über Akteur*innen auf.“

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4 Kommentare
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Clint

Alles rechts von Stalin ist Nazi.

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We.Fond

GUTE ARGUMENTATION… (u.a., was die politische Zuordnung „RECHTS“ betrifft)

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Der Konfirmierte

Zitat Aktionsbündnis gegen Ausgrenzung:
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„….. Wie in jeder Religion gibt es Gruppen, die die allgemeinen Menschenrechte ablehnen und zu Gewalt und Terror aufrufen.“
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Merken die Mitglieder dieser Gruppierung nicht, dass die Bürger über die Appeasementpolitik gegenüber Erdogan, Saudi-Arabien, Ditib, nur noch den Kopf schütteln? Wo sind die Ministranten und Konfirmanden, die zum Kopfabschneiden Un- und Andersgläubiger in ferne Länder ziehen, zu Hause Lehrer ermorden, weil sie eine Jesus Karikatur besprochen haben? Juden ins Gas rufen?

Hier verfestigt sich in der Gesellschaft eine ernst zu nehmende reaktionäre, antidemokratische Strömung und merkwürdige (linke?) Aktionsbündnisse verniedlichen dies und rollen denen auch noch rote Teppiche aus.
Zum Glück nimmt die niemand ernst. (lachsmiley)

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So.Jo.Ti.

Anlässlich der gestern im franz. Fernsehen geführten Debatte – „Grand rendez-vous politique de la rédaction de France 2“ – mit Marine Le Pen über das neue Islamismusgesetz in Frankreich – fast 2 Std. hier in TV5Monde zu sehen – empfehle ich den Blick rüber nach Frankreich. Vielleicht lässt sich im Rahmen von Benchmarking daraus etwas lernen. Wo hier in GE schon eh keiner ins Grundgesetz schaut, kann man doch mal nach Frankreich gucken.
https://www.fr.de/politik/frankreich-emmanuel-macron-islam-islamismus-90126574.html

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