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Unser Strafgesetzbuch weist in sprachlicher Hinsicht eine Besonderheit auf. Unter den einzelnen Paragraphen, die einen Straftatbestand aufführen, wird zunächst die Tat definiert und dann die entsprechende Strafe genannt.

Als Beispiel sei der „Diebstahl“ genannt. Da heißt es in § 242:

„ (1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.“

Nun zur Besonderheit: Etwas anders gestaltet es sich beim Straftatbestand „Mord“. Hier wird nämlich zu Beginn  nicht der Vorgang (meint die Straftat) selbst beschrieben, sondern erst einmal die Strafe für den Täter genannt(1) und dann (2) der Täter (nicht die Tat) definiert. Es  heißt nämlich in § 211:

„ (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.“

Mörder ist man also, wenn man dieses und jenes tut, wogegen man nach §242 kein Dieb ist, sondern Diebstahl begeht. In Konsequenz aus § 211 heißt es dann in § 212 (Totschlag):

„ (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.“

Dass hier nicht die Tat beschrieben, sondern der Täter über die Tat definiert wird, signalisiert, dass dieser Paragraph darauf verweist, dass die Fähigkeit und Bereitschaft zu töten (zu morden) sozusagen in uns selbst angelegt ist, gleichsam Teil unserer menschlichen Natur ist. Zugleich aber verweist er auf eine (ältere) Rechtsauffassung, die das Morden ursächlich als Element eines Charakterzuges sieht (der Mörder hat sozusagen das Verlangen zu morden in sich). Gelegenheit, so heißt es ja, macht Diebe – aber ein Mörder ist man!  Und als „Totschläger“ wird man bestraft!

Nun, das Strafgesetzbuch spricht also von einem Mörder. Fragt sich, ob hier das Maskulinum  „Mörder“ Männer und Frauen zugleich einschließt – so wie auch das Wort „Leute“ Männer und Frauen einschließt und nicht differenziert zwischen – im Singular, den es in unserer Sprache für dieses Nomen nicht gibt –  sagen wir mal einer Leutin und einem Leut (die Leutin, der Leut). Wenn dies nicht der Fall ist, müsste man den Paragraphen 2 11 im Sinne der Gendergerechtigkeit so abändern:

1) Der/die Mörder*in wird mit lebenslanger….

2)Mörder*in ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier..

Entsprechend müsste auch § 212 lauten:

Wer einen Menschen tötet, ohne ein/eine Mörder*in zu sein, wird als Totschläger*in mit Freiheitsstrafe …

Ob dies ein sprachlich-stilistischer Fortschritt wäre, mag dahingestellt sein; immerhin wäre es die strafrechtliche Anerkennung, dass auch Frauen aus Mordlust, Habgier, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, heimtückisch, aus niederen Beweggründen, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine Straftat zu verdecken, zu Mörderinnen werden können.

Noch etwas komplizierter als beim „Mörder“ stellt sich die Sachlage bei dem zweiten hier behandelten Begriff dar. Auf Transparenten und Plakaten oder als Ruf bei Demonstration  wird man immer wieder mit der Forderung „Nazis raus!“ konfrontiert. Zu fragen ist zunächst, wohin denn die Nazis sollen, wenn sie  – woraus auch immer – raus sind? Heutzutage kann man schließlich noch nicht einmal mehr sagen: Geht doch nach drüben! Und ob man die Nazis, sozusagen in einem Tauschgeschäft, nach Syrien schicken kann, um dort in den Gefangenenlagern die Plätze der hierhin zurückreisenden IS-Terrorist* innen einzunehmen, die wir im Rahmen der Willkommenskultur samt ihren Familien hier aufnehmen sollen, weil sie deutsche Staatsbürger*innen sind, ist völkerrechtlich sicher zweifelhaft!

Aber noch viel komplizierter wird es auch hier  mit der Geschlechtlichkeit!

Schließt der maskulinische Begriff „Nazi“ (der Nazi, die Nazis) männliche und weibliche Anhänger dieser Ideologie ein? Sind Nazis also zugleich Nazis und Nazinen oder Nazininnen? Oder unterstellt der Begriff „Nazis“, dass es sich hier ausschließlich um Männer handelt, also um sowohl grammatikalische als auch biologische Angehörige des männlichen Geschlechts? Ist das dann aber nicht eine (sprachliche) Diskriminierung der weiblichen Anhänger, also der Anhänger*innen der Ideologie des Nationalsozialismus hitlerscher Prägung?

Und wie ist es vor diesem Hintergrund mit dem § 211, wenn ein weiblicher Nazi mordet? Würde man dann schreiben: „Die Mörder*in war ein Nazi? Oder doch eher „Der Mörder war eine Nazine“ oder „Der Mörder war ein Nazi weiblichen Geschlechts“? Von der Totschläger*in, die ein Nazi war, mal ganz abgesehen!

So viele Fragen, solche Unklarheiten!

In anderen Zeiten hätte der eine oder andere Nazi männlichen oder weiblichen Geschlechts vielleicht gesagt:

Wenn das der oder die Führer*in wüsste!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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