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Ludger Volmers Versuch, den Diskurs über eine „linke“ Migrationspolitik anzustoßen, ist  wie fast alles von Volmer,  sprachlich eloquent und – in seiner Argumentation – zwingend. Aber eben auch nur in seiner Argumentation und seiner Sichtweise. Der Blick ist verengt, weil er eine (durchaus) vorhandene Dichotomie als Ausgangspunkt nimmt, die aber selbst bereits den Blick kanalisiert. So heißt es im Beitrag u.a.:

„Ein Teil der Linken unterstützt linksliberale Strategien oder will sie noch weiter ausbauen Richtung offener Grenzen. Die Solidarisierungsrichtung geht nach außen, hin zu den Opfern von historischem Kolonialismus, aktuellem Neoliberalismus und seinen fatalen Regionalpolitiken. Ein anderer Teil solidarisiert sich eher nach innen mit den sozialen Gruppen, die objektiv oder nach eigenem Empfinden die Hauptlast der Migration zu tragen haben.“

Als Beschreibung eines Problems innerhalb der Linken ist das wohl zutreffend, aber eben doch verkürzt in der Gesamtaufsicht, ohne jetzt zu problematisieren, was rein definitorisch heute „links“ bedeutet.

Es geht, jedenfalls in der gesellschaftlichen Debatte, um mehr als den Gegensatz „völlig offene Grenzen“ versus „gezielte Einwanderung“. Denn die  gesellschaftlichen  Positionen zum Thema Migration bzw. „illegale Zuwanderung“ bestehen nicht nur in der These „Wir schaffen das“ und der Gegenthese „Wir schaffen das nicht“, sondern schlicht in der Frage  „Wollen wir das überhaupt?“  und wenn ja, dann in der Zusatzfrage   „In welchem Umfang und welcher Art und Weise bzw. auf welchem Weg wollen wir das?“ Dies sind übrigens zwei Fragen, die dem großen Lümmel (also dem Wahlvolk) seitens der Regierenden nie gestellt wurden und die nie Thema einer generellen parlamentarischen Debatte oder gar einer parlamentarischen Entscheidung waren.

Und es ist auch zu einfach, den Blick lediglich auf die sozial Schwachen zu richten, die die Hauptlast der Migration zu tragen haben – als eine der beiden oben von Ludger Volmer genannten Positionen,  weil sich hinter dieser Formulierung, so vermute ich, ein rein sozio-ökonomischer Ansatz verbirgt. Es geht doch im Kontext der Migrationsthematik um viel mehr: es geht um kulturelle Identität, meint die Grundlagen der in der Phase der europäischen Aufklärung  gelegten Staats-, Rechts-, Gesellschafts- und Religionsauffassung sowie des generellen Menschenbildes; es geht um Lebensgewohnheiten, das Verhältnis von Religion und Gesellschaft, es geht um sozialen Nahraum, Nachbarschaft, gesellschaftliches Miteinander – jenseits eines Bodensatzes von Vorurteilen und Fremdenhass auf der einen und multikulturellen Glaubensgrundsätzen und einer daraus abgeleiteten Hypermoral auf der anderen Seite.

Der Volmersche Vermittlungsversuch zwischen den Positionen, wie oben geschildert, blendet deshalb Aspekte aus, die unangenehm sind oder streift diese nur kurz, etwa wenn über die Basis in den Städten gesprochen wird, die doppelte, teils dreifache Lasten zu stemmen haben – wie eigene soziale (finanzielle) Probleme durch Arbeitslosigkeit und Strukturschwäche plus Zuwanderung durch „Flüchtlinge“ (schon diese Begrifflichkeit ist verwaschen und entkernt letztlich das Recht auf Asyl) plus legale Migration aus Osteuropa im Rahmen der EU.

Natürlich darf auch der Hinweis auf die „Bekämpfung von Fluchtursachen“ nicht fehlen. Was heißt das aber?

Das ist für mich zunächst eine Chimäre oder eher noch ein faules Ei! Wir- die Linken oder Deutschland?- retten die Welt,  heilen sie von Überbevölkerung , Korruption, Bürgerkriegen, reaktionären Regimes, Stammeskämpfen, Fesselung durch die (islamische) Religion – von Umweltzerstörung und (globalisierter) Ausbeutung einmal ganz abgesehen?

Ludger Volmers Beitrag ist ein Einstieg in die Thematik, ein essayistischer Aufriss, der sich mit Positionen innerhalb der „Linken“ auseinandersetzt. Insofern kann von dem Beitrag nicht erwartet werden, die Gesamtthematik zu beleuchten. Meine Anmerkungen wollen auf einige zusätzliche Aspekte hinweisen, die dazu dienen sollen, das Thema aus den luftigen Höhen der Theorie zu holen und an die schmutzige Basis des Alltäglichen anzubinden.

Gastbeitrag „Versuch einer Problemskizze“

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Eine „Linke“ die über Jahrzehnte keine Handlungskonzepte für die Integration entwickelt hat, soll den Schaden oder Nutzen abgeschaffter Grenzen abwägen können?
Eine „Linke“ die beharrlich Fehlentwicklungen und Probleme, die durch die bisherige Zuwanderung entstanden, ausblendet, leugnet, klein redet, soll erkenntnisfähig sein und Für & Wider sorgfältig durchdenken?
Eine „Linke“ die durch ihre Realpolitik das Fundament für den Einzug von mindestens rechtsnationalen in den Bundestag gelegt hat, soll die Kompetenz für strategische Entscheidungen haben?
Eine „Linke“ die mit zweierlei Maß misst, z.B. Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, sexuelle Freiheit, Religionskritik kulturrelativistisch anwendet, soll für ein gedeihliches Miteinander auf der Basis der Verfassung und des Grundgesetzes stehen?

Ich habe Zweifel.

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