5
(2)

 Strafgesetzbuch (StGB)
§ 188 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.

(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

 Baerbock hat es schon getan, Habeck hat es schon getan, Strack-Zimmermann sowieso. Sie haben Bürger, Bürgerinnen und Bürgernde verklagt, weil sie sich durch ihre Untertanen beleidigt fühlten oder auch verleumdet.***  Durch die Prozesse und die Entscheidungen der Gerichte wissen wir u.a., dass wir Robert Habeck nicht „Vollidiot“ nennen dürfen, aber durchaus sagen können, der Wirtschaftsminister würde, bei den outfits, in denen er sich gelegentlich zeigt und ablichten lässt (unrasiert, Hoodie, auf dem Bahnsteig hockend), „mit seiner äußeren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen“.

Nun kann man zunächst zwei Dinge festhalten: Dass Herrschende ihre Untertanen mit Strafen wegen „Majestätsbeleidigung“ überzogen haben, ist keine Erfindung der Neuzeit. Dem Umstand, dass die Beherrschten bei kritischen Formulierungen erfindungsreich waren, um Anklagen zu umgehen oder Strafen zu vermeiden, verdanken wir u. a. die Fabeln der Antike, die satirischen Spitzen Heines und den politischen Witz und Formen des uneigentlichen Sprechens. Dass in der Epoche der bürgerlich-parlamentarischen Demokratien wie der unseren ein solcher Sonderparagraf für die politische Kaste existiert (denn Beleidigung und üble Nachrede sind nach 185 strafbar) hat schon einen Geschmack, der an George Orwells „Animal Farm“ erinnert, wo die herrschenden Schweine die Parole ausgeben: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als andere!“ Denn immerhin soll bei uns das Volk selbst der Souverän sein – also kein Politbüro, kein absoluter Monarch, kein Repräsentant einer Dynastie, in der die Herrschaft innerhalb der Familie weitergereicht wird, und auch keine politische Elite! In unserem System sind Kritik, Verspottung, Verhöhnung der Herrschenden in Text, Lied und Karikatur Kernelemente des Rechts auf Meinungs- und Redefreiheit. Ohne sie sind diese Freiheiten das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.

Interessant sind an dem Strafrechtsparagrafen 188 (der auf § 185 verweist) aus meiner Sicht besonders zwei Formulierungen:

Die Beleidigung eines im politischen Leben Stehenden soll dann strafbar sein, wenn sie mit der Tatsache zusammenhängt, dass die Person im politischen Leben steht. Ja, wie auch sonst? Stünde die Person nicht im politischen Leben, könnte ich sie auch nicht als Politiker beleidigen – sondern nur als „Normalbürger“. Es ist also ein Unterschied, ob ich, sagen wir mal, Robert Habeck einen Vollidioten nenne, weil seine Schafe, falls er welche hat, die ganze Nacht blöken und meinen Schlaf stören oder ob ich ihn so bezeichne, weil er Politiker ist und eine bestimmte Politik macht. In diesem Falle könnte meine Beleidung nämlich geeignet sein, „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“. Und das macht wohl den Unterschied: das öffentliche Wirken! Habeck als Schafzüchter eignet kein öffentliches Wirken, zumindest keines, das so bedeutsam ist wie das als Politiker. Beleidige ich jemanden, etwa meinen Nachbarn Habeck, der lediglich Schafzüchter ist, greift §185 StGB – weil der mit seinen Schafen vielleicht meine Nachtruhe stört, aber nicht öffentlich wirkt, was den Schafen aber letztlich wohl egal ist.

Der zweite interessante Punkt ist der letzte Satz in 188/1, wo es heißt, das politische Leben des Volkes reiche „bis hin zur kommunalen Ebene“. Hier sollen also auch die Kommunalpolitiker, die – anders als Mitglieder des Bundestages, des Landtages oder des Europaparlaments – ehrenamtlich tätig sind und „Aufwandsentschädigung“ erhalten, geschützt werden. Aber etwas eigentümlich ist die Beschränkung, die hier zum Tragen kommt. Das „politische Leben“ des Volkes geht doch wohl über die Ebene der Kommunalpolitik im Rathaus weit hinaus und äußert sich in Bürgerinitiativen, Vereinen, Parteien, Interessengruppen, Gewerkschaften, Verbänden – kurz: in all den Bereichen, in denen sich Menschen austauschen und gesellschaftlich engagieren. Für all die greift der „Sonderparagraf“ aber nicht, die müssen sich sozusagen „ganz normal“ beleidigen lassen nach § 185.

Es ist unzweifelhaft so, dass sich der Ton der öffentlichen politischen Debatte  verschärft hat, dass eine Beleidigung über die „sozialen Medien“ heute eine ganz andere Reichweite der Verbreitung hat als noch zur Zeit der Beleidigung Schmückles durch Joschka Fischer. Aber auffällig ist schon, dass die gegenwärtigen politischen Repräsentanten dünnheutiger sind als ihre „Vorfahren“, etwa Helmut Kohl („Birne“) oder Angela Merkel (Zonenwachtel, Mädchen, Mutti), die häufig „einstecken“ mussten. Besonders die Grünen sind seltsam empfindlich, schnell beleidigt und greifen deshalb gerne zum Instrument der Klage. Auf die grünen Plakate gehörten als Symbol nicht Sonnenblumen, sondern Mimosen! Diese Überempfindlichkeit in den grünen Reihen mag unterschiedliche Gründe haben.

Ein Grund liegt sicher darin, dass sich die Grünen im Besitz der „absoluten Wahrheit“ glauben und offensichtlich meinen, Kritik gefährde ihre Weltrettungsmission. Ein zweiter Grund: Die Grünen, besonders Baerbock und noch mehr Habeck, sind die Hätschelkinder großer Teile der Presse und der „staatstragenden“ Medien. Auf dem Weg zur Regierungsmacht sind sie „hochgeschrieben“ und „hochkommentiert“ worden von den Gleichgesinnten in den Redaktionsstuben der Zeitungen und den Redaktionsbüros der Öffentlich-Rechtlichen, die gegenüber Repräsentanten der Grünen oft eine fast devote Haltung einnehmen, kaum einmal wirklich nachfragen, sondern sich als affirmativer Verstärker grüner Botschaften verstehen.

Das wiederum kann – aus der Sicht der grünen Klageweiber und Klagemänner – nur bedeuten, dass Häme, Kritik und Spott im Kern nichts anderes sind als bösartige Beleidigungen, die nicht nur zu beklagen, sondern wegzuklagen sind! Kritiker sollen mundtot gemacht werden! Nicht zuletzt aus einem dritten Grund. Wir leben in Zeiten schlechter Umfragewerte für die Grünen: hochgejazzt in den Medien, zeigt ihnen die große Mehrheit des „Pöbels“ den politischen Stinkefinger. Anders formuliert: Die Phantasmagorien der Grünen und die Realität „da draußen“ liegen weit auseinander. Und was in solchen Situationen eine große Rolle spielt:  Grüne sind häufig humorlos. Ironie ist zumeist nicht ihr Ding. Und Selbstironie schon mal überhaupt nicht! Aber ihre führende „Köpfe“ sind auf dem besten Wege, Anzeigenweltmeister zu werden!

*Joschka Fischer (Grüne, Bundestag, 18.10. 1984, zum damaligen Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen)

***Siehe hier: https://www.cicero.de/wirtschaft/beleidigung-grune-ricarda-lang-robert-habeck-strafbefehl-geldstrafe-bayern-gericht  

Oder hier: https://www.swp.de/lokales/reutlingen/beleidigung-und-volksverhetzung-robert-habeck-als-vollidioten-bezeichnet-ehemaliger-richter-verurteilt-73788637.html

Und auch hier: https://www.badische-zeitung.de/freispruch-durbacherin-darf-strack-zimmermann-als-brechmittel-bezeichnen

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 2

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
5 Kommentare
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Heinz Niski

Sind Aprilscherze noch erlaubt?
Auf jeden Fall sollten Politiker für ihre Wahlplakate wegen Beleidigung der Intelligenz der Wähler verklagt werden.

2
0
Clem.Gedön.

das Gewicht dieser Untaten ist schwierig zu bemessen, da diesbezüglich jeweils unterschiedlich wenig zum Beleidigen vorzufinden ist

0
0
Heinz Niski

du musst einfach gefühlte, emotionale, eingebildete und tatsächlich messbare Intelligenz zusammen würfeln. Die Restgruppe muss einen Loriot Sketch interpretieren. Dann hast du den Anteil an beleidigbaren ermittelt.

0
0