Heute begegnete mir mal wieder ein alter Bekannter aus dem früher offeneren links-grün-liberalem Milieu. Er konnte die Straßenseite nicht schnell genug wechseln, das wäre wohl ein Zeichen von Schwäche gewesen. Also ging er verkrampft, den Kontakt vermeidend, grußlos an mir vorbei.
Irgendetwas schien ihn zu stören. So sehr, dass er nicht dabei erwischt werden wollte, öffentlich mit mir gesehen zu werden. Das kenne ich, der Mann einer Bürgermeisterin macht das seit Jahren auch so. Wenn niemand in der Nähe ist, ist er sehr freundlich, da sind wir wie Blutsbrüder.
Kann man machen. Man kann auch in sozialen Netzen sperren, was ja mittlerweile zum guten Ton gehört. Mal, weil man beleidigt ist, mal, weil der Ton nicht passt, dem Argument zu schwer zu begegnen ist, das Thema Tabu ist.
Ich las zufällig kurz nach der “Persona non grata” Aktion einen Beitrag von Bernd Stegemann vom Januar dieses Jahres.
Titel: “Warum ich kein Linker mehr sein will“. https://archive.ph/ooBmK
Eine sehr vergnügliche Lektüre über den spießig-miefigen Muff einer früher einmal rebellisch-kritischen und auch ab und an lustig-hedonistischen Szene.
Die noch real existierenden Nazis in Politik, Kultur, Verwaltung, Justiz, Schulen, Universitäten wurden damals durch subversive Aktionen kenntlich gemacht, manche Revoluzzer durchstriffen die Mühen der Ebenen der Realpolitik, in den schlimmsten Alpträumen tauchte aber nie die Vision auf, dass die Kämpfer für die Freiheit, zu den obersten Gralshütern von Dogmatismus und Inquisition werden würden. Das schrieb man eher den Versprengten verschiedenster ML-Gruppen zu.
Zum Trost, zur Erbauung, zum Vergnügen für all die, die von ihren Bubbles, Peer-Groups, ihren Netzwerken abgeschnitten wurden, weil sie in der applaudierenden Menge riefen: “Der Kaiser ist ja nackt, der hat ja keine Kleider an” empfehle ich Stegemanns Artikel.
…”Aber zu wem reden all die tapfer Zusammenstehenden? Wen wollen sie überzeugen? Politiker, die sich als Belehrer missverstehen, loben den „Aufstand der Anständigen“ fürs „mutige Engagement“. Das Wohlige daran wirkt wie Kurzurlaub von den Ambivalenzen und Dilemmata im Umgang mit der AfD. Der Preis ist ein schmerzlicher Verlust von Tiefenschärfe. Wie bei „Gemeinsam gegen Corona“ oder „Stand with Ukraine“ wirkt das demonstrative Unterhaken zuerst rührend, dann befremdlich, und bald ziemlich nervig, weil wohlfeil, unterkomplex und einfallslos.
Der Verdacht drängt sich auf, dass es darum geht, der eigenen Standfestigkeit zu applaudieren, sich an der eigenen Besorgtheit zu beschwipsen, während man beständig wiederholt, wie wichtig „Haltung zeigen“, ist, „gegen rechts“. Und keiner sagt dazu, was genau damit gemeint sein könnte. Oder was man womöglich übersieht im Kampf für die Demokratie.”
https://taz.de/Krise-der-Demokratie/!5990653/
Ich habe gestern noch einmal den Film „Der Baader Meinhof Komplex“ angeschaut (2008), der in dramaturgischer Zuspitzung und Interpretation von Innenansichten nicht absolute geschichtliche „Wahrheit“ für sich in Anspruch nehmen kann, aber für einen Zeitgenossen eben doch manches in Erinnerung ruft. Ich fand nicht die „Geschichte“ der RAF und die Details dazu so interessant, sondern die Darstellung der Unerbittlichkeit der Gruppenmitglieder untereinander ebenso wie die Szenen, die studentische Versammlungen zeigen (Vietnamkongress). Man sieht Menschen im Rausch zu meinen, die absolut richtige Position zu vertreten. Eine Meinung, die keinen Widerspruch duldet und völlig undialektisch und anti-aufklärerisch ist. Jetztzeitig ist – wie damals – ,dass der Feind schon klar ist – und das sind die Faschisten, was man damals durchaus noch durch die Nähe zur NS- Zeit und durch die tatsächliche „Anwesenheit“ von NS-Parteigängern in Staat und Gesellschaft nachvollziehen kann, aber auch damals schon als Totschlagargument verwendet wurde.
In der heutigen Debatte wird die NS-Zeit als Gespenst aufgebaut: was dem landläufigen Zeitgeist nicht entspricht, riecht bereits gefährlich nach „rechts“, wird dann zu „rechtsextrem“ und schließlich zu „nazi“. Dieses Labeling löst aber kein Problem, wie Stegemann richtig schreibt. Es ist eine Form von Eskapismus und beruht auf Realitätsverweigerung!
Apropos Nazis:
Gibt es eine Statistik, ob und wenn ja wie viele ehemalige NSDAP-Mitglieder den nun im Bundestag befindlichen Parteien beigetreten sind?
Reicht wenn du Kiesinger-Klaasfeld, Filbinger, Gehlen googelst. Der Rest ergibt sich von selbst.
Vielen Dank Ihr Lieben.
Es war natürlich eine rhetorische Frage. Werner Vogel und Baldur Springmann habe ich auch gegooglet. Also tummelten sich ehemalige NSDAP-Mitglieder hauptsächlich in den jetzigen Regierungsparteien.
Genau die Parteien, die vor recht kurzer Zeit Diskriminierung und Ausgrenzung unter dem Deckmalnel des Infektionsschutzgesetzes betrieben und Bekleidungsvorschriften in Form von Bedeckungszwang von Mund und Nase beschlossen, wie man es auch von islamistischen Staaten kennt.
Keine weiteren Fragen!
Jetzt wo du mich erinnerst, ja, in der Szene der RAF, bei den MLern, aber auch bei der Antifa, bei der DKP, in Teilen sogar bei den Spontis, gab es diese Ausgrenzungstendenzen und den Glauben, dass man auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Zum Glück sind ja viele dann verbeamtet oder reich worden, haben geheiratet, Ehegattensplitting gemacht, sich Doppelhaushälften oder Eigenheime gegönnt. Jetzt frage ich mich gerade, wo unsere Bekannten aus der DKP Szene wohl abgeblieben sind, die mit Geldkoffern aus dem SED-Vermögen verschwanden… plötzlich waren sie weg.
Heinz, darum geht doch heute auch wieder. Es zählt nicht das Argument oder die Erkenntnis aus dem Diskurs, sondern nur, dass man sich selber auf der richtigen Seite sieht. So ist es mit den Klimaklebern und ihren “geistigen” Anhängern, damit meine ich die ganze Bandbreite der Alarmisten, und auch in der Debatte um die AfD. Gerade in letzterer wird doch von vielen linken Gruppen analysiert, wie’s jetzt dazu gekommen ist, sondern alles was rechts von ihnen steht wird als rechts und böse geframt, ohne zu unterscheiden, ob es AfD und rechtsextrem ist oder zur demokratischen Mitte gehört. Da man ja auf der richtigen Seite steht und die anderen nicht, braucht man auch keinen Diskurs mehr. Das ist genauso gefährlich wie der Rechtsextremismus