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2012 erschien Timur Vermes´ Satire „Er ist wieder da“, die damit beginnt, dass Hitler im Jahre 2011 mitten in Berlin auf einer Wiese erwacht. Der Erfolg der Geschichte war riesig. Allein bis 2015, dem Jahr, in dem die Verfilmung in die Kinos kam, wurden über zwei Millionen Buchexemplare verkauft und dazu über 300000 Hörbücher. Verlage in 42 Länder erwarben die Auslandsrechte zur Veröffentlichung. Die Idee durchzuspielen, was passieren könnte, wenn Hitler tatsächlich in den 2000er Jahren auftauchte, war ein genialer Einfall. Der “echte“ Hitler wird für einen begnadeten Hitler-Darsteller und Comedian gehalten und steigt zum Fernsehstar auf.

Schriebe man die Satire in diesen Tagen, müsste zunächst der Titel geändert werden von „Er ist wieder da“ zu „Er war nie weg“!

Und tatsächlich kann man sagen: Ja, er war nie weg! 1945 beging Hitler zwar Selbstmord und die Wehrmacht kapitulierte, aber immerhin konnte von 1933 bis 1945 der Nationalsozialismus 12 Jahre lang in der DNA der Deutschen hinterlegt werden. Mit Hitler war nicht der Nationalsozialismus gestorben – lediglich große Teile des Systems waren zerstört, und einige seiner ranghohen Repräsentanten waren in verschiedenen Prozessen als Kriegsverbrecher verurteilt worden. Andere schafften es aber über die „Rattenlinie“ nach Südamerika oder wurden hier, im westlichen Teil Deutschlands, wenn sie nicht zu sehr „belastet“ waren, beim „Wiederaufbau“ benötigt und von den Siegern in Verwaltungspositionen eingesetzt.

Mit Hannah Ahrendts Berichten vom Eichmann-Prozess kam ein neuer Aspekt in der Betrachtung der NS-Zeit hinzu – die Erkenntnis von der „Banalität des Bösen“, also die Erkenntnis, dass die NS-Führer keine Monster waren, sondern Biedermänner, Familienväter, Ehemänner, nette Nachbarn und hilfsbereite Berufskollegen – also Menschen wie du und ich! Damit war klar: Hitler saß sozusagen direkt unter unserer Haut. Er war der Feind, der zu bekämpfen war, er war auszutreiben, wie die (katholische) Kirche durch einen Exorzismus den Dämon (Satan) auszutreiben gedachte, der von einem Menschen Besitz ergriffen hatte. Geradezu besessen hat meine Generation den Kampf gegen den NS-Teufel geführt, für dessen Existenz die Elterngeneration verantwortlich gemacht wurde. Deutsche Politik, deutsche Geschichte, deutsche Lebensart und deutsche Kultur: alles wurde immer zunächst aus der Perspektive der NS-Zeit betrachtet, wurde schnell verdächtigt, nach „Nationalsozialismus““ zu riechen. Das größte Verbrechen der deutschen Geschichte, die Verantwortung für den Holocaust und die Millionen von Kriegstoten, wurden relativ schnell profaniert, wurde zu einer billigen Vokabel im Alltagsgeschäft der Politik, aus dem Nationalsozialismus wurde „nazi“, eine gleichermaßen billige wie zerstörerische Alltagsvokabel, die gegen Andersdenkende eingesetzt werden konnte, wodurch aber im Grunde der verbrecherischste Abschnitt der deutschen Geschichte relativiert und inhaltlich entkernt wurde.

Nichts macht das deutlicher als die bewusst provozierte Assoziation zwischen der Konferenz im „Landhotel Adlon“ und der „Wannseekonferenz“: der „Holocaust“ als Folie für die politische Einordnung einer Partei, der man bisher nicht habhaft werden und deren Anwachsen man nicht aufhalten konnte. Der „Holocaust“ als Super-Keule im politischen Alltagsgeschäft und als Rettungsanker einer Krisen-Regierung. Wenn die einen also die Organisatoren eines neuen „Holocaust“ sind, dann sind die anderen, die, die sich gegen den „Holocaust“ stellen, die das nachholen, was die Generationen der Väter und Großväter versäumt haben. Wer gegen die AfD demonstriert, tritt 2024 gegen den Holocaust an und bekämpft die – geschichtlich betrachtet- NS-DNA unter der eignen Haut. Er führt selbst einen Exorzismus am eignen Leib durch. Und das mit einem hohen Grad an Selbstaffirmation, die mir bestätigt, dass ich auf der richtigen Seite der Geschichte stehe, der des Lichts.

So gesehen, war Adolf nie weg! Ich bin fast geneigt zu sagen:

Er hat gewonnen!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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