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Meine Stadt hat Fieber, sie tropft und klebt!Wir haben schwere Glieder, der Kopf tut weh!Wir sind wie ’n alter Hund der grad noch steht,Wir ham’s verzockt, verbockt, der Doktor kommt zu spät! (Peter Fox, Fieber)

Das kollektive Wir im Song von Peter Fox („Stadtaffe“) beschreibt einen Zustand geistiger und körperlicher Entkräftung, einen Zustand der Mattheit, Müdigkeit und Antriebslosigkeit. (Der Song beginnt damit, dass das singende Ich zwar aufsteht, sich gleich aber wieder kraftlos zurück ins Bett begibt). Dieser Zustand ist durch äußere Umstände bestimmt (die Stadt hat Fieber), aber auch durch das Nicht-Handeln des Wir (Wir ham´s verzockt, verbockt).

Eigentlich könnte das ein Song für den Parteitag der GRÜNEN in Karlsruhe sein. Eigentlich! Die Grünen sind weiterhin im Umfragesinkflug – im Deutschlandtrend der ARD sind sie bei 13 Prozent gelandet, dem tiefsten Wert seit 2018. In Hessen und Berlin wurden sie nicht nur von den Wählern abgewatscht, sondern flogen auch aus der Regierung. Die Arbeit der Bundesregierung, in der sie immerhin den “Vizekanzler“ stellen (korrekte Bezeichnung: Stellvertreter des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland) wird nur noch von einem Viertel der Bürger unterstützt. Wären am morgigen Sonntag Bundestagswahlen, kämen die drei Ampelparteien noch nicht einmal mehr in die Nähe von 40% und würden abgewählt. Aber ein „Wir ham´s verzockt, verbockt“ kommt den GRÜNEN nicht über die Lippen.

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwächst kein Unrechtsbewusstsein, sondern der Wille, die „Schuldenbremse“, die immerhin im Grundgesetz steht, auszusetzen und am liebsten ganz zu schleifen oder im grünen Sinne zu „reformieren“, also so zu fassen, dass „grüne“ Lieblingsprojekte weitergeführt werden können. Selbstkritik – Fehlanzeige! Eine Debatte darüber, warum man die jetzt erfolgte Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichts wegen „verfassungswidrigen“ Verhaltens überhaupt riskiert hat – Fehlanzeige! Eine Standortbestimmung unter Berücksichtigung der Stimmenverluste – Fehlanzeige! Stattdessen trotziges Zeigen mit dem schmutzigen Finger auf die anderen, also die CDU/CSU,  die den Gang zum Bundesverfassungsgericht angekündigt und die Ampelparteien gewarnt hatte, die Buchungstricks zum Leitinstrument der Haushaltspolitik zu erheben. Für Habeck ist die CDU eine „Partei von gestern, angeführt von einem Vorsitzenden von vorgestern“. Mal ganz abgesehen davon, dass zur Zeit die Partei von gestern mehr als doppelt soviel Prozentpunkte in der Wählergunst hat wie die GRÜNEN, zeigt sich hier die überhebliche Verachtung Habecks und der Grünen für ein GESTERN und VORGESTERN, in dem die wirtschaftlichen Fundamente gelegt worden sind für einen Wohlstand, von dem wir heute noch zehren. Die Marke MADE IN GERMANY ist nicht auf der Basis von Luftblasen zum Erfolg geworden, sondern durch harte Arbeit, Ingenieurskunst, Fachwissen und Leistungsbereitschaft!

Es ist wohl kein Zufall, dass auf dem Parteitag ein Antrag vorgelegt worden ist, der fordert, das Wort “Wohlstand“ aus dem Europawahl-Programm zu entfernen und durch „Lebensqualität“ zu ersetzen, weil der Begriff „Wohlstand“ veraltet sei. Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet in einer Partei, in der zahlreiche Köpfe das Sagen haben, die noch nie in ihrem Leben außerhalb der politischen Blase gearbeitet haben, der staatliche Schuldenmacherei das Wort reden, weil es sich auf der Basis staatlicher Transfers (etwa als Abgeordneter oder Büromitarbeiter durch Zuwendungen des Staates oder an die Partei bzw. die Fraktion) gut leben lässt. Die Basis für die Transfers sind die Leistungen Dritter, die Steuerzahlungen leisten und die Sozialkassen bedienen. Aber das interessiert die Grünen nicht! ***

Nein, Demut, Bescheidenheit, Selbstkritik sind der GRÜNEN Sache nicht. Eigenlob, Selbstbeweihräucherung, Selbstbespiegelung und Salbaderei, gefasst in Plattitüden und verkrampfte Metaphern wie bei Habeck, der uns sprachlich beglückte, als er sagte: „Mit der Schuldenbremse, wie sie ist, haben wir uns freiwillig die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Und so wollen wir einen Boxkampf gewinnen? Die anderen wickeln sich Hufeisen in die Handschuhe – wir haben noch nicht einmal die Arme frei!“ Das verstehe wer will oder soll!

Aber neben den bereits genannten Merkmalen grüner Haltung ist eine weiteres zu nennen: TROTZ. Die GRÜNEN werden trotzig, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen. Sie reagieren wie kleine Kinder in der Trotzphase, wenn sie merken, dass sie an ihre Grenzen kommen oder ihnen etwas abgesprochen wird – wie jetzt durch das Bundesverfassungsgericht die 60 Milliarden EURO. Und sie werden trotzig, wenn sich etwas ändert, wenn ein Ritual nicht erfolgt, wie sie es gewohnt sind. Lange wurde sie von den Medien gehätschelt, Kritik gab es kaum. Die Wähler flogen ihnen zu und die Grünen zogen in die Landesparlamente und etliche Landesregierungen ein. Jetzt funktioniert diese fast zum Ritual gewordene Entwicklung nicht mehr. Es gibt Kritik, Wähler wenden sich ab, laufen zu anderen Parteien über. Die Grünen fühlen sich ungeliebt. Und deshalb gibt es auf diesem Parteitag keine Kontroversen – jedenfalls bisher nicht, sondern man lobt sich gegenseitig, klopft sich auf die Schulter und versichert sich, wie toll man ist.

Der Rest sind TIKTOK-Tänze!

Aber zum Regieren reicht das allemal nicht!

 

Aktualisierung um 18.52: Der Beitrag wurde vor der Beschlussfassung zu einzelnen Passagen des Europa-Programms beendet. Der Begriff „Wohlstand“ ist im Programm geblieben, der Antrag auf Streichung fand keine Mehrheit. Dafür wurde das vom Vorstand in das Programm geschrieben Zitat von Konrad Adenauer gestrichen.Der CDU-Politiker und Bundeskanzler hatte vor rund 70 Jahren gesagt: Diese Einheit Europas „war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Ali-Emilia Podstawa

Habeck versprach in seiner von Realitätsverlust geprägten Rede ‚den Wohlstand zu erneuern‘. Das Wort konnte deshalb nicht rausfliegen. Nebenbei fragt natürlich niemand, wieso man neuerdings Wohlstand erneuern muss. Diese Redensart ist ungewöhnlich und könnte eine Habecksche Erfindung sein. Man sprach früher von Wohlstand schaffen oder vermehren. Und neuerdings von Wohlstandsverlust, denn der findet momentan statt. Die Wohlstandserneuerung wird wahrscheinlich auf anderen Gebieten stattfinden und nicht mit dem BIP gemessen werden. Auch eine Idee von Robert. https://archive.ph/6hizz

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