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Heute mit: dem Sprechen, dem Hören und dem Schreiben, der Schwierigkeit der richtigen Worte im Angesicht des Terrors und der Sprache als Mittel des Ausweichens und des Abgesangs auf die Aufklärung

Red´nich da, komm hier!“ Zwei kurze Imperative, (nicht ganz lupenrein) parallel gebaut, antithetisch (da und hier). Eine sprachliche Äußerung, die ich heute Morgen im Vorbeigehen an einem recht großen Marktstand für Obst und Gemüse auf dem Platz gehört habe, der – melancholisch oder zynisch? – Hauptmarkt genannt wird. Der Sprecher eindeutig nicht-deutscher Herkunft, der Adressat ebenfalls. Ob die Kommunikation erfolgreich war, weiß ich nicht, weil ich den Schauplatz des Geschehens verlassen habe. Das ist Alltagssprache (gesprochene, nicht verschriftlichte Sprache), die man hier variantenreich hören kann. Einige Klassiker hat sie hervorgebracht. „Ich weiß, wo dein Haus wohnt.“ „Weisse watte bis? Du bissen Absatz am valiern!“ Oder auch die Variante: „Weisse watte bis? Lügen tuße, dat bisse!“ Das kann man unterhaltsam finden. Und die Skurrilitäten der Sprache im Ruhrgebiet (ob nun Dialekt oder Soziolekt oder „nur“ gesprochene Sprache) sind mannigfaltig, dass sie genug Material hergeben für Bühnenprogramme (etwa die von Kai Magnus Sting).

Auch wenn man über diese Sprachmuster nicht die Nase rümpft (was nicht mein Ding ist), kann man doch darauf achten, die korrekten Formen des mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauchs zu pflegen und zu entwickeln, was, neben den Eltern, Aufgabe von KITAS und Schulen ist. Und da ist es schon erschreckend, wenn die neuste Untersuchung des „Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ ergeben hat, dass sich die Fähigkeiten von Neuntklässlern im Fach Deutsch im Vergleich zu den vorherigen Studien abermals verschlechtert haben (Studien 2015 und 2009). Und diese Entwicklung „nach unten“ betrifft sowohl die Rechtschreibleistung als auch das Hör- und Leseverstehen. Da ist es kein Trost, dass Verbesserungen in der Beherrschung des Englischen eingetreten sind (man vermutet die Ursache im Konsum der populären Kultur, etwa der Musikkultur junger Leute, die von anglo-amerikanischen Sprachmustern bestimmt wird). Untersucht wird in der Studie das Erreichen von Mindeststandards, Regel – und Optimalstandards. Eine Ursache des Abwärtstrends ist, neben sozio-ökonomischen Strukturen und dem Bildungshintergrund der Eltern sowie den Einflüssen der Schulschließungen während der „Corona-Phase“, laut Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) die seit 2015 „ungewöhnlich hohe Zunahme“ zugewanderter Schüler um mehr als 50 Prozent. Das sollte in Gelsenkirchen niemanden mehr überraschen, wo es Klassen gibt, in denen „nativ speaker“ des Deutschen den Status exotischer Sonderlinge sprachlicher Art haben. „Kannze glauben oda nich. Ich sach wiet iss!“

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Ich habe wochenlang darüber gegrübelt, was denn wohl feministische Außenpolitik ist. Jetzt habe ich es herausgefunden: Feministische Außenpolitik ist nicht, wenn die Außenministerin von Berlin aus dem israelischen Volk die Solidarität Deutschlands vermittelt, sondern wenn sie nach Israel fliegt, um sich von dort aus an die Hamas zu wenden mit den Worten: „Lassen Sie diese unschuldigen Menschen frei, lassen Sie diese unschuldigen kleinen Mädchen frei!“ Kleine Jungen bedürfen offensichtlich keiner besonderen Erwähnung. Frau Baerbock hätte auch von Kindern sprechen können, ohne eine geschlechtliche Differenzierung vorzunehmen. Aber das wäre wohl nicht feministisch genug!

Und vielleicht besteht feministische Außenpolitik auch darin, dass das Auswärtige Amt mit Frau Baerbock an der Spitze weitaus später Maßnahmen zum Ausfliegen deutscher Staatsbürger ergriffen hat als andere Nationen, die ohne langes Zögern und Zaudern ihre Staatsbürger mit Militärmaschinen ausgeflogen haben. Die durchsichtigen sprachlichen Ausweichmanöver Baerbocks, offensichtlich im Zuge von Sprachkursen für feministische Außenpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung angeeignet, sind sogar Christian Sievers im ZDF-Interview aufgefallen und auf die Nerven gegangen, so dass es ihm nicht leichtgefallen ist, die Contenance zu wahren. Gebrabbel als Teil der Staatsräson – das ist ganz offensichtlich ein wichtiges Element feministischer Außenpolitik! ***

Etliche Tage hat es gedauert, bis die Stadt (m)eine Frage beantwortet hat, ob eine Flagge des Staates Israel vor dem HSH aufgezogen werden soll, um die Solidarität der Stadt auszudrücken. Die erste Antwort war eine formelhafte Antwort (danke für die Frage, Sachverhalt wird geprüft). Schließlich wurde mir schriftlich mitgeteilt, warum es denn gedauert hat – mit der Antwort und der Beflaggung. Und hier sind wir wieder beim Thema Sprache, nämlich in diesem Fall bei perfektem Beamtendeutsch – so wie im Schreiben der Stadt verwendet: Die Beflaggung öffentlicher Gebäude erfolgt nicht „in eigener freier Verantwortung“, sondern nach Maßgabe der „Beflaggungsverordnung des Landes NRW“, die die „regelmäßigen Beflaggungstage“ und auch die „darüber hinausgehenden Beflaggungen“ regelt. Das ist schon wunderbar und so hölzern, dass man kaum noch eine Steigerung erwarten darf. Die dann aber doch noch kommt: „Eine eigenverantwortliche Verwendung der Flagge eines anderen Staates aus einem zudem im außenpolitischen Bereich liegenden Anlass liegt außerhalb der Entscheidungssphäre der Stadtverwaltung.“

Dann ist alles klar: denn natürlich ist der Terror der Hamas gegen die israelische Bevölkerung ein im „außenpolitischen Bereich liegender Anlass“ und gehört nicht zur „Entscheidungssphäre der Stadtverwaltung“, die über die Beflaggung eben nicht „eigenverantwortlich“ entscheiden darf! Wo kämen wir denn da auch hin? Wollen wir uns denn ebenso unverantwortlich verhalten wie andere Städte in NRW, die bereits Tage zuvor die Flagge Israels gehisst hatten? Wenn es nicht so ein bitterer Anlass wäre, dann würde ich ab jetzt von der Gelsenkirchener Verwaltung und der politischen Spitze der Stadt als einer Gruppe von Flag(g)ellanten sprechen, die in einer Entscheidungssphäre leben, in der Eigenverantwortung ein Fremdwort ist. Aber das mache ich natürlich nicht, sondern zitiere lieber die bekannten Sätze von Kant zum Begriff der Aufklärung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Aber: eine Verwaltung ist kein Mensch, sie besteht nur aus Menschen. Und die geben ihren Verstand mit dem Eintritt in das Rathaus im Foyer an der Garderobe desselben ab!

*** Das Interview mit Baerbock am 10.10.23 im ZDF. Der Abschnitt zum  Thema „Ausfliegen deutscher Staatsbürger ab Minute 12.50  (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/baerbock-evakuierung-deutsche-israel-100.html)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Fra.Prez.

Sie, die Stadtverwaltung inkl. Verwaltungsspitze, ist und bleibt ein bunter Haufen. Man bemüht sich erfolgreich dem selbstverliehenen Titel zu entsprechen. BRAVO!

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Som.Jo.Tien.

Ich trau mich einfach ma, was zu der Verwaltungsentscheidung zu sagen, weil ich gerade mit meiner Anregung und Beschwerde nach § 24 GO NRW (sogen. Petitionsrecht) im Hauptausschuss gescheitert bin, bei den für den Rat und seine Ausschüsse zu fertigenden Protokollen gemäß Standardvorgabe der DIN 5008:2020 zur Erstellung von Protokollen das Fertigungsdatum anzugeben. Also diese Entscheidung, die Norm bei der Protokollerstellung nicht einzuhalten, haben Verwaltung und Rat gemeinsam getroffen. Die Entscheidung einer Normabweichung ist also möglich. Wie gesagt, durch die gemeinsame Entscheidung von Verwaltung und Rat. Und das ist m.E. vorliegend die Krux bei der Flaggen-Frage, die ja wohl eine Anregung ist. Die Frage ist also eine Petition, die sich an die politischen Entscheidungsträger richtet. Wenn die Verwaltung, wie hier beschrieben, die „Frage“ allein beantwortet hat, ist sie aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht ihrer Vorlagepflicht an den Rat und seine Ausschüsse nicht nachgekommen. Das ist ein seit Jahren zunehmendes Problem: Die Verwaltung entscheidet Petitionen selbst, statt sie dem Rat vorzulegen. 2015/16 hat dazu Peter Tertocha mal aus dem Ratsrund heraus angeregt, die Verwaltung möge eine Übersicht der Eingaben machen. Dann könne nachvollzogen werden, was dem Rat alles an Entscheidung vorenthalten worden ist. Oder, wie in anderen Städten mit einem gewissen Petitionsaufkommen üblich, einen Petitionsausschuss einzurichten, um zu gewährleisten, dass dem Rat auch alle seine Entscheidungskompetenz betreffenden Petitionen auch von der Verwaltung zugewiesen werden. Das hat in der vorliegenden „Flaggen-Frage“ offenbar leider wieder nicht gut geklappt. Also stellt sich erneut die Frage, warum die Verwaltung immer mehr Kompetenzen, die eigentlich dem Rat und seinen Ausschüssen zustehen (das gilt z.B. auch für Beteiligungsgesellschaften wie im Kaue-Fall), an sich zieht. In der Stadt Essen hat ein Gutachter im Auftrag der Stadt im Jahr 2013 bereits aufgezeigt, wie die Kompetenzen verteilt sind, und wo Veränderungen bei der Verwaltung stattfinden müssten, um die Kommunale Demokratie der Gewaltenteilung, die ja der Auftrag für Kontrolle der Verwaltung ist, wieder in voller Funktion sehen zu können. Nebenbei habe ich den Gutachter angefragt, ob er für die Stadt Gelsenkirchen so ein Gutachten auch erstellen würde. Er hat grundsätzlich zugesagt. Der Rat müsste es nur in Auftrag geben, um seine ursprünglichen Kompetenzen zurückzugewinnen. Daran scheint er bislang seit Jahren nicht interessiert zu sein. Das kann man auf den seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf den übermächtigen „Neuen Dualismus“ aus Verwaltung und Mehrheitsfraktionen zurückführen, der im Gegenzug eine Stärkung der Minderheitenrechte der Opposition mit sich bringen müsste. Diese könnte auf dem Rechtsweg zunächst über starke Rechtsaufsicht beim Kommunalministerium in Düsseldorf gewährleistet werden. Dazu müsste das Ministerium seine diesbezügliche Bedeutung erkennen, und entsprechend handlungsfähig sein. Zumindest liegt dem zuständigen Ministerialdirigenten meine daheingehende Anregung vor, gegenüber Rat und Verwaltung dafür Sorge zu tragen, dass die rechtlichen Standards (im Fall der Protokollerstellung) eingehalten werden. Die Sache geht mit der Vorlage an den Vorgesetzten bereits in die zweite Runde, nachdem die Sachbearbeiterin sozusagen in erster Instanz eine unterkomplexe ablehnende Entscheidung getroffen hat, wobei ersichtlich wird, dass sie ihren Ermessensspielraum nicht erkannt hat. Ermessensunterschreitung und Kompetenzanmaßung. Der Gutachter benutzt in diesem Zusammenhang auch den Begriff der „Fertigungstiefe“. Das bedeutet: Wer hat die Entscheidungshoheit und wer hat die Kompetenz der Komplexität des Sachverhaltes entsprechend zu entscheiden. Das hat bei der „Flaggen-Frage“ offenbar nicht funktioniert. Denn laut Information der Bezirksregierung Münster können laut geltendem „Gesetz über das öffentliche Flaggen“ neben den festgesetzten Beflaggungstagen die Dienststellen der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts aus eigener Entscheidung flaggen, wenn sie eine öffentliche Beflaggung für erforderlich halten.“
https://www.bezreg-muenster.de/de/ordnung_und_sicherheit/staatshoheitsangelegenheiten/beflaggung/index.html?fbclid=IwAR0qKL3ipDe9IaSeQM_Ac28SWjlIiaY2SyGm9VwxfGHBBGpzDl3I19iocMw

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Heinz Niski

 Kurz gesagt: Frau Welge hätte die Fahne wehen lassen können, wenn sie gewollt hätte. Anders: wenn in der Verwaltung jemand googeln könnte, hätten sie innerhalb von 20 Minuten gewusst, dass sie dürfen.

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Som.Jo.Tien.

das verdichtet sich genau so. Denn die Ausführungsverordnung des Ministeriums zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes über das öffentliche Flaggen sieht in Nr. 4.2 vor, dass ausländische Flaggen gehisst werden dürfen. Zuständig ist nach Nr. 2.3.3.2. die OB’in als Untere Verwaltungsbehörde.
„4.2
Flaggen internationaler und überstaatlicher Organisationen sowie ausländischer Staaten
Sofern der Anlass der Beflaggung es rechtfertigt, können außerdem Flaggen internationaler und überstaatlicher Organisationen sowie ausländischer Staaten gesetzt werden.“
Diese Regelung korrespondiert mit der Info des Wissenschaftlichen Dienstes von 2021 in der es heißt: „Die Nutzung von ausländischen Flaggen oder Hoheitszeichen ist in Deutschland grundsätzlich
nicht gesetzlich geregelt. Beschränkungen können sich vonseiten des ausländischen Staates ergeben.“
Natürlich lässt sich eine Ablehnung auch mit Hinweis auf Nr. 2.3.1. rechtfertigen. Denn es „ist darauf zu achten, dass die Beflaggung nicht als Parteinahme in politischen Fragen gedeutet werden kann.“ Das dürfte bei einer Trauerbeflaggung jedoch wieder durch den Anlass der Trauer relativiert werden. Fraglich ist, ob die Verwaltung ihr Entscheidungsermessen erkannt hat, und entsprechend ausgeübt hat. Oder wegen der politischen Dimension einen Diskurs im Ratsrund für die klügere Entscheidung ansieht. Der Rat könnte mit Bezug auf Nr. 2.2. der Verordnung bei diesem überregionalen Anlass auf die vorrangige Entscheidungskompentenz des Ministeriums verweisen; was aber nicht durchgreift, wenn und weil das Ministerium seine Aufgabenzuweisung nicht ausüben möchte. Eine Anfrage an Israel, ob ein Einwand gegen eine Trauerbeflaggung bestünde, hätte im Geleit zur Folge, dass gegenüber Israel eine örtliche Solidaritätsbekundung aus Gelsenkirchen gesendet würde, was durchaus in den Bereich der Zuständigkeit des Rates mittels einer (faktischen) Ratsresolution tätig werden zu wollen, verortet werden kann und sollte.

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Som.Jo.Tien.

„Aachen, Leverkusen, Monheim, Witten, Recklinghausen – unter anderem in diesen NRW-Städten wurden israelische Flaggen entwendet oder zerrissen.“

https://www1.wdr.de/nachrichten/israel-flaggen-gestohlen-nrw100.html?fbclid=IwAR04ntGb9DAxnCJM4-OwSn6XAozOCZiotMNvBdeHC7Obk9Gytc7rXf_U2sg

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Heinz Niski

Ein Bürgermeister sagt zum Fahnenklau und zur Verbrennung: „Ich bin fassungslos.“ Ich auch, über den Bürgermeister, der nicht ahnen oder wissen konnte, dass genau damit zu rechnen war und ist.

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Ro.Bien.

und er sagt auch noch (Witten) , worüber er sonst noch fassunglos ist: dass niemand sie gehindert hat.

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